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Verletzung der Rechte des Aktionärs durch unberechtigten Ausschluss des Aktionärsvertreters von der Hauptversammlung

Die in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft gefassten Beschlüsse sind anfechtbar, wenn dem Vertreter eines Aktionärs unberechtigterweise die Teilnahme an der Hauptversammlung verweigert wurde.

Kurzwiedergabe des Sachverhalts

Der Entscheidung des OLG Schleswig liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Aktionärin einer Aktiengesellschaft ließ sich bei der Hauptversammlung durch ihren Anwalt vertreten. Ein Vorstandsmitglied verweigerte dem Anwalt allerdings den Zutritt zur Hauptversammlung, da dieser – angeblich – keine ausreichende Bevollmächtigung als Legitimation vorgelegt habe und sich bei vorherigen Hauptversammlungen ungebührlich verhalten habe. In Abwesenheit der Aktionärin bzw. ihres Vertreters wurden mehrere Beschlüsse gefasst.

Gegen diese Beschlüsse wandte sich die Aktionärin mit der aktienrechtlichen Beschlussanfechtung. Das Landgericht gab der Anfechtungsklage statt und erklärte die Beschlüsse für nichtig. Hiergegen legte die Aktiengesellschaft Berufung ein.

Die Entscheidung des OLG Schleswig vom 07.02.2024 (9 U 41/23)

Das OLG Schleswig wies die Berufung zurück und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Denn nach Ansicht des OLG Schleswig sei der Vertreter der Aktionärin zu Unrecht von der Hauptversammlung ausgeschlossen worden. Gründe dafür, ihm den Zutritt und die Teilnahme an der Hauptversammlung in Stellvertretung für die Aktionärin zu verweigern, lägen nicht vor.

Im vorliegenden Fall regelte die Satzung der Aktiengesellschaft keine besonderen Voraussetzungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung. So bedurfte es keiner vorherige Anmeldung oder eines besonderen Nachweises für die Bevollmächtigung. Entgegen der Meinung des Vorstandsmitglieds musste der Vertreter der Aktionärin daher seine Teilnahmeberechtigung auch nicht unaufgefordert durch eine Vollmacht nachweisen.

Auch ein angebliches „ungebührliches Verhalten“ des Vertreters in früheren Hauptversammlungen (hier: mehrfaches Schreien) rechtfertige nicht den Ausschluss. Es fehlten bereits ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich dies zwangsläufig auch in der jetzt betreffenden Hauptversammlung wiederholt hätte. Zudem sei es gerade das gute Recht der Aktionäre in der Hauptversammlung auch unliebsame Dinge zu äußern („eine Aktionärsversammlung [ist] keine Wohlfühlveranstaltung“, so das OLG). Grenzziehend seien insoweit nur die gesetzlichen Bestimmungen des Strafrechts.

Praxishinweis

Als das grundlegende Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft, werden in der Hauptversammlung die Beschlüsse durch die Gesellschafter gefasst. Die Hauptversammlung ist das primäre Medium für die Aktionäre, um ihre gesellschaftsrechtlichen Rechte auszuüben, insbesondere das Teilnahmerecht, das Stimmrecht (nicht bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien), das Rederecht, das Auskunfts-/Fragerecht und das Beschlussantragsrecht. Hiermit korrespondiert das Beschlussanfechtungsrecht der Gesellschafter bei Verletzung ihrer Rechte in der Hauptversammlung.

Auf Grund dieser besonderen Funktion der Hauptversammlung ist das Recht auf Teilnahme und Abstimmung in der Hauptversammlung ein grundlegendes Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs und daher grundsätzlich unentziehbar.

Die besondere Bedeutung der Teilnahme an der Hauptversammlung kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Rechte des Aktionärs auch durch einen Vertreter wahrgenommen werden können. Im Grundsatz müssen sich der Aktionär bzw. der Vertreter nicht vorher für die Teilnahme zur Hauptversammlung anmelden oder bestimmte Berechtigungsnachweise vorlegen. Strengere Maßstäbe gelten aber, wenn die Satzung der Gesellschaft dies verlangt. Allerdings ist für die Stimmrechtsausübung durch einen Vertreter eine Vollmacht in Textform erforderlich, sofern nicht wiederum Abweichendes in der Satzung geregelt ist.

Um Unklarheiten und anfechtbare Beschlüsse, wie in dem vom OLG Schleswig entschiedenen Fall, zu vermeiden, bieten sich für die Praxis klare Regelungen in der Satzung an (etwa zur Voranmeldung oder der Form der Bevollmächtigung). Bei der konkreten Satzungsgestaltung ist allerdings darauf zu achten, dass die Teilnahmerechte der Aktionäre nicht unzulässig eingeschränkt werden. Problemlos geregelt werden können die Modalitäten der Teilnahme (z.B. die Zutrittsbedingungen zur Hauptversammlung).

Ein in der Praxis häufiger Problemfall ist die Frage nach dem Umgang mit „störenden Aktionären“: Bei Störungen ist ein Ausschluss des Aktionärs oder seines Vertreters nur zulässig, wenn dies für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung notwendig ist. Da dem ausgeschlossenen Aktionär im Falle des unzulässigen Ausschlusses ein Anfechtungsrecht zusteht und damit ganze Hauptversammlungen nachträglich überprüft und Beschlüsse gekippt werden können, ist das richtige Prozedere zu beachten. Der Versammlungsleiter hat stufenweise vorzugehen: Zunächst ist der „störende Aktionär“ zu ermahnen und es sind weitere (mildere) Ordnungsmaßnahmen, wie die Entziehung des Rederechts, anzudrohen. Bleiben auch diese Maßnahmen fruchtlos, ist der Ausschluss zunächst anzudrohen. Erst wenn auch diese Androhung nicht wirkt und der Störer weiterhin die Hauptversammlung nachteilig beeinträchtig, kann er (ggf. zunächst nur temporär) verwiesen werden. Ein bloß „ungehöriges Verhalten“ in der Vergangenheit genügt nicht.

Der zu Unrecht ausgeschlossene Aktionär kann sämtliche Beschlüsse anfechten, die auf der Hauptversammlung gefasst werden. Daher sollte ein Ausschluss nur in Ausnahmefällen und lediglich als letztes Mittel in Betracht gezogen werden.

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