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Herabsetzung der Vorstandsvergütung bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der AG

Die Vorstandsvergütung kann bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage einer AG herabgesetzt werden. Ein individueller Zurechnungszusammenhang zur Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ist dafür keine zwingende Voraussetzung, aber als ein wesentlicher Umstand in der Abwägung zu berücksichtigen. Entscheidungsmaßstab sind Billigkeitserwägungen aller Umstände. Dies folgt aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 14.11.2019 schloss ein designiertes Vorstandsmitglied mit einer AG einen Dienstvertrag über die Anstellung als Mitglied des Vorstands ab. Der Dienstvertrag sah den Dienstantritt zum 01.01.2020 sowie eine feste jährliche Vergütung von EUR 240.000 (EUR 20.000 pro Monat) und eine ergebnisabhängige Tantieme vor. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage einigte man sich zusätzlich auf eine Mindesttantieme für die Geschäftsjahre 2020 und 2021.

Noch vor dem Dienstantritt des Vorstands wurde über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter kündigte den Dienstvertrag zum 31.03.2020 und teilte dem Vorstand mit, dass für ihn keine Einsatzmöglichkeit bestehe und seine Vergütung unter Ausfall der Tantieme auf EUR 8.000 monatlich herabgesetzt werde.

Der Vorstand hielt die Herabsetzung der Vergütung für nicht gerechtfertigt und klagte auf Zahlung der vereinbarten Festvergütung sowie der Tantieme. Das Landgericht Darmstadt wies seine Klage ab. Auch die hiergegen eingelegt Berufung blieb ohne Erfolg. Gegen die erfolglose Berufung wendet sich die Revision.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs 22.10.2024 (Az. II ZR 97/23)

Der BGH hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Das Berufungsgericht habe einen falschen Prüfungsmaßstab angelegt. Im Rahmen des hier anwendbaren § 87 Abs. 2 AktG komme es darauf an, ob die Beibehaltung der ursprünglichen Vergütung für die Gesellschaft unbillig ist. Demgegenüber prüfte das Berufungsgericht, ob die Herabsetzung der Vorstandsvergütung unbillig gewesen sei.

Außerdem stellte der BGH fest, dass bei der Prüfung der Billigkeit sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sind. Es sei nicht erforderlich, dass der Vorstand für die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft verantwortlich sei oder ihm diese zugerechnet werden könne. Dies sei aber als wesentlicher Umstand bei der Abwägung der Interessen zu berücksichtigen.

Praxishinweis

Die Vorstandsvergütung kann bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG auf eine angemessene Höhe herabgesetzt werden. Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Vorstandsvergütung sind hoch und bekräftigen den Ausnahmecharakter des Herabsetzungsanspruchs. Zuständig hierfür ist grundsätzlich der Aufsichtsrat, der einseitig durch (ausdrücklichen) Beschluss entscheidet. Der betroffene Vorstand kann aber (und sollte) vorsorglich angehört werden.

Unterlässt es der Aufsichtsrat wiederum pflichtwidrig die Vergütung herabzusetzen, kann er sich gegenüber der Gesellschaft gem. § 116 S. 1, § 93 Abs. 2 AktG sogar schadensersatzpflichtig machen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt die Befugnis zur Herabsetzung der Vorstandsvergütung beim Insolvenzverwalter. Das Herabsetzungsrecht nach § 87 Abs. 2 AktG wird auch nicht durch das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 113 InsO verdrängt, wodurch der Verwalter den gesamten Vorstandsvertrag mit sofortiger Wirkung kündigen könnte. Diese Grundsätze hat der BGH in seiner Entscheidung bestätigt.

Der Kernpunkt der Entscheidung ist jedoch, dass der Vorstand nicht für die schlechte Lage der Gesellschaft verantwortlich sein muss. In der juristischen Literatur wird vertreten, dass die Herabsetzung der Vorstandsvergütung nur dann der Billigkeit entspreche, wenn dem Vorstand die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage auch „zurechenbar“ sei. Zudem besteht Uneinigkeit, wie dieser Zurechnungszusammenhang zu verstehen ist und ob dies eine Mitschuld an der Lage erfordert. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass eine solche Zurechnung nicht erforderlich ist. Dem ist zuzustimmen, wobei dem Schutz des Vorstandsmitglieds durch entsprechend hohe Anforderungen an den Beschluss Rechnung getragen werden muss. Sowohl der Aufsichtsrat in seiner Überwachungsfunktion als auch der Vorstand in seiner Leitungsfunktion sollten die Ursachen für eine schlechte Lage der Gesellschaft in den Sitzungsprotokollen dokumentieren, um im Falle späterer Verfahren vorbereitet zu sein.

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