Managerhaftung

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Die Corona-Krise stellt die Gesellschaftsorgane vor ungeahnte Herausforderungen. Geschäftsmodelle werden zeitweise untersagt, Lieferketten sind unterbrochen, Umsätze brechen ein, die Mitarbeiter ziehen in das Homeoffice um. Hinzu kommen schwer überschaubare gesetzliche Maßnahmen und  neue staatliche Fördermöglichkeiten.

Diese Situation ist auf der einen Seite für Manager haftungsträchtig, weil ein reines Fortführen des „business as usual“ den Anforderungen an die Organe kaum gerecht werden dürfte. Auf der anderen Seite gibt es aber einige wenige gesetzliche Haftungserleichterungen.

Einen Überblick über derzeit besonders wichtige Organisationspflichten und bestehende Haftungserleichterungen finden Sie hier:

Wie kann die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gesichert werden?

Die Corona-Krise gibt Anlass zu einer Überprüfung, ob die Gesellschaftsorgane auch im Falle einer schweren Erkrankung oder einer Quarantänemaßnahme gegen einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied arbeitsfähig bleiben. Hier ist Folgendes zu beachten:

  • Ist nur ein Geschäftsführer oder Vorstand bestellt, muss sichergestellt sein, dass in seiner Abwesenheit die Geschäfte fortgeführt werden können. Insofern ist anzuraten, entweder ein zweites Organmitglied zu bestellen oder einen Stellvertreter mit den erforderlichen Vollmachten auszustatten, z.B. Prokura.
  • Bei einem Kollegialorgan sollte sichergestellt sein, dass Beschlussfassungen auch außerhalb von Präsenztreffen möglich sind, etwa per Videokonferenz, E-Mail oder Schriftverkehr.
  • Sind mehrere Organmitglieder nur gemeinsam vertretungsberechtigt, ist auch insofern Vorsorge für den Fall zu treffen, dass eines der Organmitglieder ausfällt.

Wie dies jeweils sichergestellt werden kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Gesellschaftssatzung und ggf. einer Geschäftsordnung ab. Ist z.B. in einer Geschäftsordnung vorgeschrieben, dass sich alle Organmitglieder regelmäßig persönlich treffen müssen, sollte diese Geschäftsordnung abgeändert und dort die Alternative einer Videokonferenz vorgesehen werden.

Ist dagegen eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Bestellung eines neuen Organmitglieds oder einer Prokura erforderlich, erfordert dies die Einbindung eines Notars. Die Notariate sind auch während der Corona-Krise weiterhin geöffnet und zur Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet.

Zu beachten ist jedoch, dass jegliche Eintragungen im Handelsregister derzeit etwas längere Zeit in Anspruch nehmen können.

Müssen behördliche Einzelmaßnahmen umgesetzt werden?

Die Gesellschaftsorgane müssen sich über behördliche oder gesetzliche Anordnungen und Maßnahmen aufgrund der Corona-Krise informieren, soweit diese ihren Betrieb betreffen. Dies kann insbesondere Betriebsschließungen oder Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter beinhalten, die die zuständigen Behörden als Allgemeinverfügung oder Einzelanordnung treffen können.

Die Gesellschaftsorgane müssen für die Umsetzung derartiger Maßnahmen Sorge tragen. Andernfalls drohen behördliche Sanktionen und eine auch persönliche Haftung der Gesellschaftsorgane.

Gelten derzeit besondere Organisationspflichten und Haftungsmaßstäbe?

Für die Geschäftsführung gelten im Übrigen die allgemeinen Haftungsmaßstäbe. Der Geschäftsführer der GmbH hat „in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden“ (§ 43 GmbHG), andernfalls haftet er auf Schadenersatz. Gleiches gilt für den Vorstand der AG nach § 93 AktG.

Derzeit ist ein besonderes Augenmerk auf Pflichtenkreise zu richten, die aufgrund der Pandemie von wesentlicher Bedeutung sind:

  • Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter und Kunden vor Infektionen,
  • Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit des Betriebes. Dies kann organisatorische Maßnahmen erfordern, insbesondere die Ermöglichung von Arbeit im Homeoffice oder die Festlegung von Vertretungsregelungen und Kontaktverboten unter Mitarbeitern, um sicherzustellen, dass eine „Kernmannschaft“ arbeitsfähig und einsatzbereit bleibt, auch wenn erste Coronafälle auftreten sollten,
  • Sicherstellung der Cybersicherheit, insbesondere bei der Ermöglichung von Arbeit im Homeoffice. Nähere Erläuterungen zu diesem Thema finden Sie hier,
  • Information über und Beantragung von staatlichen Hilfen, die für das Unternehmen in Betracht kommen. Hat der Geschäftsführer oder Vorstand hier keinen eigenen Überblick, muss er sich insofern professionell beraten lassen,
  • Einhaltung aktueller behördlicher Maßnahmen und Verbote, z.B. zu Betriebsschließungen, Auflagen bei Kundenkontakt etc.,
  • Neuevaluierung wesentlicher Risiken für den Geschäftsbetrieb und engmaschige Beobachtung dieser Risiken und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, um im Krisenfall gegensteuern oder notfalls Insolvenzantrag stellen zu können.

Bestehen die insolvenzrechtlichen Pflichten unverändert fort?

Ein äußerst haftungsträchtiger Bereich sind die insolvenzrechtlichen Pflichten der Organmitglieder. Der Geschäftsleiter haftet grundsätzlich persönlich, wenn er nicht rechtzeitig Insolvenzantrag stellt und das Unternehmen noch Zahlungen vornimmt (§ 64 GmbHG, § 92 AktG). Insofern hat der Gesetzgeber nun jedoch eine  Haftungserleichterung vorgesehen.

Um rein Corona-bedingte Insolvenzen möglichst zu vermeiden, ist die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen ausgesetzt, bei denen der Insolvenzgrund, d.h. die Zahlungsunfähigkeit, auf der COVID-19-Pandemie beruht. Dies wird vermutet, wenn das Unternehmen am 31.12.2019 zahlungsfähig war.

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Geschäftsleiter nicht nur berechtigt, zunächst von einem Insolvenzantrag abzusehen. Zugleich darf er weiterhin Zahlungen vornehmen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb erfolgen, insbesondere „zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts“.

Konkret bedeutet dies: Die Geschäftsleiter sind weiterhin verpflichtet, genauestens zu beobachten, ob im Hinblick auf das geführte Unternehmen Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) vorliegen. Diese Beobachtung sollte klar dokumentiert werden.

Liegt ein Insolvenzgrund vor, kann der Geschäftsleiter sich dafür entscheiden, keinen Insolvenzantrag zu stellen, wenn der Insolvenzgrund auf der COVID-19-Pandemie beruht und Aussicht besteht, die Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Auch das Vorliegen dieser Voraussetzungen und die entsprechende Entscheidung sollten sorgfältig dokumentiert werden. Zur Vermeidung eigener Haftung ist es ratsam, das Vorliegen dieser Voraussetzungen auch extern bestätigen zu lassen, z.B. durch einen Wirtschaftsprüfer.

Soweit nach Eintritt eines Insolvenzgrundes noch Zahlungen geleistet werden, sollte genauestens geprüft werden, ob diese im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb erfolgen und zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts erforderlich sind. Außergewöhnliche oder in diesem Sinne nicht notwendige Zahlungen sollten unterbleiben. Auch im Übrigen empfiehlt es sich selbstverständlich, mit allen Gläubigern frühzeitig zu sprechen und ggf. Zahlungsaufschübe zu vereinbaren.

Einen ausführlichen Überblick über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Insolvenzrecht finden Sie hier.

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