Arbeitgeber und Arbeitnehmer

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Welche Schutzmaßnahmen kann der Arbeitgeber anweisen? SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des BMAS und arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht.

Die Corona-Pandemie trifft das gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Leben gleichermaßen, schafft diese Pandemielage doch eine Gefahr für die Gesundheit einer unbestimmten Zahl von Personen und zugleich für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Sie betrifft insbesondere jegliche wirtschaftliche Aktivität und damit die ganze Arbeitswelt. Das BMAS hat daher am 16.04.2020 gemeinsam mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung den Arbeitsschutzstandard COVID-19 vorgestellt. Dieser formuliert konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Krise. Der Arbeitsschutzstandard mag als Anleitung für eine in Zeiten der Pandemie besonders gebotene Gefährdungsbeurteilung entsprechend § 5 ArbSChG betrachtet werden. Den vollständigen Text finden Sie hier.

Der wesentliche Inhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:

I. Grundsätze

1. Unabhängig vom Betrieblichen Maßnahmenkonzept sollen in Zweifelsfällen, bei denen der Mindestabstand nicht sicher eingehalten werden kann, Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verfügung gestellt und getragen werden.

2. Personen mit Atemwegssymptomen (sofern nicht vom Arzt z.B. abgeklärte Erkältung) oder Fieber sollen sich generell nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten (Ausnahme: Beschäftigte in kritischen Infrastrukturen). Der Arbeitgeber hat (z.B. im Rahmen von „Infektions-Notfallplänen“) ein Verfahren zur Abklärung von Verdachtsfällen (z.B. bei Fieber; siehe RKI-Empfehlungen) festzulegen.

II. Betriebliches Maßnahmenkonzept (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard)

Die Verantwortung für die Umsetzung notwendiger Infektionsschutzmaßnahmen trägt der Arbeitgeber entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitgeber hat sich von den Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten beraten zu lassen sowie mit den betrieblichen Interessensvertretungen abzustimmen. Hat der Betrieb einen Arbeitsschutzausschuss, koordiniert dieser zeitnah die Umsetzung der zusätzlichen Infektionsschutz-Maßnahmen und unterstützt bei der Kontrolle ihrer Wirksamkeit. Alternativ kann auch ein Koordinations-/Krisenstab unter Leitung des Arbeitgebers oder einer nach § 13 ArbSchG/DGUV Vorschrift 1 beauftragten Person unter Mitwirkung von Betriebsrat, Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt eingerichtet werden.

Als besondere technische Maßnahmen werden insbesondere folgende Gestaltungen empfohlen:

1. Arbeitsplatzgestaltung

  • Mitarbeiter sollen ausreichend Abstand (mindestens 1,5 m) zu anderen Personen halten.
  • Alternative Schutzmaßnahmen: Transparente Abtrennungen bei Publikumsverkehr und möglichst auch zur Abtrennung der Arbeitsplätze mit ansonsten nicht gegebenem Schutzabstand.
  • Büroarbeit ist nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen. Andernfalls sind für Büroarbeitsplätze die freien Raumkapazitäten so zu nutzen und die Arbeit so zu organisieren, dass Mehrfachbelegungen von Räumen vermieden werden können bzw. ausreichende Schutzabstände gegeben sind.

2. Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume

  • Bereitstellung hautschonender Flüssigseife und Handtuchspender zur Reinigung der Hände.
  • Ausreichende Reinigung und Hygiene; Anpassung der Reinigungsintervalle, v.a. bei Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsräumen.
  • Regelmäßiges Reinigen von Türklinken und Handläufen.
  • Abstandhaltung in Pausenräumen und Kantinen; Vermeidung von Warteschlangen bei der Essensaus-und Geschirrrückgabe sowie an der Kasse (ggf. Erweiterung der Kantinen-und Essensausgabezeiten bzw. Schließung als Ultima Ratio).

3. Lüftung

Regelmäßiges Lüften zur Förderung der Hygiene und Luftqualität.

4. Infektionsschutzmaßnahmen für Baustellen, Landwirtschaft, Außen-und Lieferdienste, Transporte und Fahrten innerhalb des Betriebs

  • Einhaltung von Abständen bei arbeitsbezogenen (Kunden-)Kontakten außerhalb der Betriebsstätte (mindestens 1,5 m).
  • Vereinzeltes Arbeiten, falls möglich.
  • Bildung möglichst kleiner, feste Teams (z.B. 2 bis 3 Personen); Vermeidung von wechselnden Kontakten innerhalb der Betriebsangehörigen bei Fahrten und Arbeitseinsätzen außerhalb der Betriebsstätte.
  • Schaffung von Einrichtungen zur häufigen Handhygiene in der Nähe der Arbeitsplätze.
  • Ausstattung der Firmenfahrzeuge mit Utensilien zur Handhygiene und Desinfektion und mit Papiertüchern und Müllbeuteln.
  • Vermeidung der gleichzeitigen Nutzung von Fahrzeugen durch mehrere Beschäftigte bei betrieblich erforderlichen Fahrten.
  • Beschränkung des Personenkreises, der ein Fahrzeug gemeinsam – gleichzeitig oder nacheinander – benutzt (z.B. indem einem festgelegten Team ein Fahrzeug zugewiesen wird).
  • Innenräume der Firmenfahrzeuge sind regelmäßig zu reinigen, insbesondere bei Nutzung durch mehrere Personen.
  • Fahrten zur Materialbeschaffung bzw. Auslieferung sind nach Möglichkeit zu reduzieren, Tourenplanungen sind entsprechend zu optimieren.
  • Bei Transport-und Lieferdiensten sind bei der Tourenplanung Möglichkeiten zur Nutzung sanitärer Einrichtungen zu berücksichtigen.

5. Infektionsschutzmaßnahmen für Sammelunterkünfte

  • Festlegung kleiner, fester Teams, die auch zusammenarbeiten; Bereitstellung eigener Gemeinschaftseinrichtungen (Sanitärräume, Küchen, Gemeinschaftsräume).
  • Einzelbelegung von Schlafräumen (Mehrfachbelegung grundsätzlich nur für Partner bzw. enge Familienangehörige).
  • Bereitstellen zusätzlicher Räume zur frühzeitigen Isolierung infizierter Personen.
  • Unterkunftsräume sind regelmäßig und häufig zu lüften und zu reinigen.
  • Bereitzustellen für Küchen in der Unterkunft sind Geschirrspüler und Waschmaschinen (alternativ: regelmäßiger Wäschedienst).

6. Homeoffice

Büroarbeiten sind nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen, insbesondere, wenn Büroräume von mehreren Personen mit zu geringen Schutzabständen genutzt werden müssten.

7. Dienstreisen und Meetings

Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen wie Besprechungen sollten auf das absolute Minimum reduziert und alternativ soweit wie möglich technische Alternativen wie Telefon-oder Videokonferenzen zur Verfügung gestellt werden. Sind Präsenzveranstaltungen unbedingt notwendig, muss ausreichender Abstand zwischen den Teilnehmern gegeben sein.

8. Sicherstellung ausreichender Schutzabstände

  • Die Nutzung von Verkehrswegen (u.a. Treppen, Türen, Aufzügen) ist so anzupassen, dass ausreichender Abstand eingehalten werden kann.
  • Wo erfahrungsgemäß Personenansammlungen entstehen (Zeiterfassung, Kantine, Werkzeug-und Materialausgaben, Aufzüge etc.) sollen Schutzabstände der Stehflächen z.B. mit Klebeband markiert werden.
  • Auch bei Zusammenarbeit mehrerer Beschäftigter, z.B. in der Montage, sollte der Mindestabstand zwischen Beschäftigten von 1,5 m gewährleistet sein (alternativ: Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen).

9. Arbeitsmittel/Werkzeuge

  • Nutzung von Werkzeugen und Arbeitsmitteln nach Möglichkeit personenbezogen.
  • Regelmäßige Reinigung, insbesondere vor der Übergabe an andere Personen vorzusehen.
  • Tragen geeigneter Schutzhandschuhe (sofern hierdurch nicht zusätzliche Gefahren entstehen); Tragzeitbegrenzungen und Berücksichtigung individueller Disposition der Beschäftigten (z.B. Allergien).

10. Arbeitszeit-und Pausengestaltung

  • Maßnahmen zur zeitlichen Entzerrung (versetzte Arbeits-und Pausenzeiten, ggf. Schichtbetrieb).
  • bei Aufstellung von Schichtplänen ist zur weiteren Verringerung innerbetrieblicher Personenkontakte darauf zu achten, möglichst dieselben Personen zu gemeinsamen Schichten einzuteilen.
  • Vermeidung von engen Zusammentreffen mehrerer Beschäftigter (z.B. bei Zeiterfassung, in Umkleideräumen, Waschräumen und Duschen etc.).

11. Aufbewahrung und Reinigung von Arbeitsbekleidung und PSA

  • Ausschließlich personenbezogene Benutzung jeglicher Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Arbeitsbekleidung.
  • Personenbezogene Aufbewahrung von Arbeitsbekleidung und PSA getrennt von der Alltagskleidung.
  • Regelmäßige Reinigung der Arbeitsbekleidung.
  • (Sofern möglich und sinnvoll) An-und Ausziehen der Arbeitskleidung.

12. Zutritt betriebsfremder Personen zu Arbeitsstätten und Betriebsgelände

  • Zutritt betriebsfremder Personen auf ein Minimum beschränken.
  • Kontaktdaten betriebsfremder Personen sowie Zeitpunkt des Betretens/Verlassens der Arbeitsstätte/des Betriebsgeländes dokumentieren.
  • Unterrichtung betriebsfremder Personen über aktuell im Betrieb hinsichtlich des Infektionsschutzes geltende Bestimmungen.

13. Verdachtsfälle

  • Schaffung betrieblicher Regelungen zur raschen Aufklärung von Verdachtsfällen auf eine COVID-19-Erkrankung.
  • Kontaktlose Fiebermessung im Betrieb (sofern möglich).
  • Beschäftigte mit Symptomen sind aufzufordern, das Betriebsgelände umgehend zu verlassen bzw. zuhause zu bleiben.
  • Bis zur ärztlichen Abklärung des Verdachts ist von Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten auszugehen.
  • Betrieblicher Pandemieplan soll Regelungen treffen, um bei bestätigten Infektionen diejenigen Personen (Beschäftigte und womöglich Kunden) zu ermitteln und zu informieren, bei denen durch Kontakt mit der infizierten Person ebenfalls ein Infektionsrisiko besteht.

14. Psychische Belastungen

Die zusätzlichen psychischen Belastungen durch „Corona-Krise“ (z.B. Zukunftsangst, Social Distancing etc.) sollen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt und darauf basierend geeignete Maßnahmen ergriffen werden.

15. Mund-Nase-Schutz und Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

Bei unvermeidbarem Kontakt zu anderen Personen bzw. nicht einhaltbaren Schutzabständen sollte Mund-Nase-Bedeckungen in besonders gefährdeten Arbeitsbereichen PSA zur Verfügung gestellt und getragen werden.

16. Unterweisung und aktive Kommunikation

  • Umfassende Kommunikation im Betrieb über die eingeleiteten Präventions- und Arbeitsschutzmaßnahmen.
  • Unterweisung der Führungskräfte.
  • Einheitliche Ansprechpartner benennen.
  • Schutzmaßnahmen erklären und Hinweise verständlich (auch durch Hinweisschilder, Aushänge, Bodenmarkierungen etc.) machen.
  • Auf Einhaltung der persönlichen und organisatorischen Hygieneregeln (Abstandsgebot, „Hust- und Niesetikette“, Handhygiene, PSA) hinweisen.

17. Arbeitsmedizinische Vorsorge

  • Arbeitsmedizinische Vorsorge ermöglichen und anbieten.
  • Individuelle Beratung durch Betriebsarzt v.a. zu besonderen Gefährdungen aufgrund einer Vorerkrankung oder einer individuellen Disposition anbieten; ggf. Schutzmaßnahmen erörtern.

III. Umsetzung und Anpassung

1. Das BMAS wird einen zeitlich befristeten Beraterkreis „Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zur Prävention von SARS-CoV-2“ einrichten, um zeitnah und koordiniert auf die weitere Entwicklung der Pandemie reagieren und ggf. notwendige Anpassungen am vorliegenden Arbeitsschutzstandard vornehmen zu können. Der aus Vertretern von BMAS und Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Robert-Koch Institut (RKI), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-verbände (BDA), Unfallversicherungsträgern (UVT), der Länder sowie Sachverständigen bestehende Beraterkreis wird den vorliegenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard bei Bedarf durch die Unfallversicherungsträger sowie gegebenenfalls durch die Aufsichtsbehörden der Länder branchenspezifisch konkretisieren und ergänzen.

2. Die Bundesregierung wird den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard veröffentlichen und auf die branchenspezifischen Konkretisierungen und Ergänzungen verweisen. Sie bittet BAuA, BDA, DGB, DGUV und die Arbeitsschutzverwaltungen der Länder, ihre Netzwerke zur Kommunikation ebenso zu nutzen. Die beschriebenen Maßnahmen sind ein Beitrag dazu, eine flache Kurve von (Neu-)Infektionen sicherzustellen. Die von Bund, Ländern sowie Unfallversicherungen getragene Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) wird die Verbreitung und Anwendung des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und dessen weitere branchenspezifischen Konkretisierungen in die betriebliche Arbeitswelt ebenfalls unterstützen.

Allgemeine Schutzmaßnahmen

Neben diesen speziellen arbeitsschutzrechtlichen Maßnahmen trifft Arbeitgeber gegenüber ihrer Belegschaft die allgemeine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber – neben gesetzlichen Vorgaben – dazu angehalten ist, die ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um seine Belegschaft zu schützen. Der Arbeitgeber hat die vom Einzelfall abhängigen Vorkehrungs- und Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Hierzu gehören Aufklärungsmaßnahmen sowie die Zurverfügungstellung des erforderlichen Hygieneschutzes, wie etwa Händedesinfektionsmittel o.Ä. Auch kann er etwa verpflichtet sein, Arbeitnehmer, die beruflich oder auch freiwillig im Ausland waren, zu befragen, ob sich diese auch in etwaigen Risikogebieten aufgehalten haben. Eine anlasslose Befragung zu Aufenthaltsorten während der Urlaubszeit ist jedoch nicht zulässig. Auch beschränkt sich die Befragung bei Reisen in Risikogebieten auf eine bloße Negativauskunft.

Dürfen Arbeitgeber private Handynummern oder andere Kontaktdaten ihrer Arbeitnehmer erheben, um kurzfristig vor etwaigen Schließungen zu warnen oder ggf. auffordern zu können, zu Hause zu bleiben?

Der Aufbau eines sog. innerbetrieblichen Kommunikationsnetzwerks wird empfohlen, um je nach Pandemiephase bestimmte Maßnahmen treffen können. Allerdings darf dies aus datenschutzrechtlicher Sicht nur mit der Einwilligung der Arbeitnehmer erfolgen. Es besteht keine Pflicht zur Offenlegung privater Kontaktdaten zum vorgenannten Zweck; gleichwohl wird die Mitteilung in der Regel im eigenen Interesse der Arbeitnehmer liegen. Nach Ende der Pandemie sind die Daten wieder zu löschen.

Unter welchen Umständen darf oder muss der Betrieb geschlossen werden?

Dem Arbeitgeber steht es zunächst frei, selbst zu entscheiden, seinen Betrieb zu schließen. Grund hierfür kann entweder eine hohe Anzahl infizierter sowie potentiell infizierter Personen sein, weshalb der Betrieb z.B. nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Ebenso kann eine solche Entscheidung aus Gründen des Gesundheitsschutzes gegenüber der übrigen Belegschaft fallen. Es kommt auch hier die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Tragen. Nicht in allen Bereichen ist es möglich, Tätigkeiten aus dem Homeoffice heraus zu erledigen.

Darüber hinaus kommt aber auch ein behördliches Tätigkeitsverbot (bzw. die Anordnung von Quarantäne) in Betracht. Dies kann zum einen, wie bereits geschehen, bestimmte Branchen treffen (etwa Theater, Museen, Bars, Kinos, Sportanlagen, Fitnessstudios, Freizeitparks etc.). Weiterhin ist eine Schließung bei einer hohen Zahl infizierter Mitarbeiter denkbar.

Wer übernimmt die Lohnfortzahlung im Falle einer Schließung?

Ist eine Schließung des Betriebs erforderlich, ist dies grundsätzlich dem unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers zuzuordnen. Die Arbeitnehmer haben in einem solchen Fall einen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Erfolgt die Schließung allerdings durch das Gesundheitsamt, muss das Gesundheitsamt die Kosten, die dem Arbeitgeber hierdurch entstehen, ersetzen. Der Arbeitgeber zahlt aber zunächst die Gehälter an seine Mitarbeiter, und zwar in der üblichen Höhe. Auf Antrag kann der Arbeitgeber diese Auslagen vom Gesundheitsamt erstatten lassen. Es ist eine Frist von drei Monaten zu beachten, siehe dazu auch Frage 14.

Können Arbeitgeber einseitig eine Tätigkeit im Homeoffice anordnen? Was gilt bei Betriebsschließungen?

Ist ein Arbeitnehmer erkrankt, ist er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, auch nicht im Homeoffice. Darüber hinaus besteht aber ohnehin weder ein Recht auf noch eine Pflicht zur Arbeit im Homeoffice. Die Arbeit im Homeoffice bedarf vielmehr einer Rechtsgrundlage, entweder durch individuelle Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder durch Betriebsvereinbarung bzw. Tarifvertrag. Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmer demnach ohne entsprechende Regelung nicht zur Arbeit im Homeoffice zwingen. Freilich kann und soll er im Bedarfsfall darauf hinwirken, dass seine Arbeitnehmer, wenn aufgrund der zu erbringenden Arbeitsleistung möglich, im Homeoffice bleiben.

Können Arbeitnehmer eigenständig dem Arbeitsplatz fernbleiben bzw. im Homeoffice arbeiten, wenn sie befürchten, sich am Arbeitsplatz zu infizieren?

Der Arbeitnehmer darf nicht, nur, weil er Bedenken hat, zu Hause bleiben und seine Tätigkeit eigenmächtig in das Homeoffice verlegen. Ein Anspruch auf Arbeitserbringung im Homeoffice besteht nicht. Er bleibt so lange, wie er nicht Gefahr läuft, seine Gesundheit zu beeinträchtigen, zur Arbeitsleistung verpflichtet. Entgegengesetztes Handeln kann zur Abmahnung und sogar Kündigung führen. Der Arbeitnehmer kann allenfalls dann ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt.

Bedarf es neben der arbeitsvertraglichen Regelungen weiterer Vereinbarungen zum Homeoffice?

Auch im Homeoffice verarbeiten Arbeitnehmer in der Regel personenbezogene Daten – allerdings mit weitaus weniger Kontrolle darüber durch den Arbeitgeber. Vor diesem Hintergrund bedarf es datenschutzrechtlicher Regelungen, wie mit Daten umzugehen ist.

In einer solchen Vereinbarung sollte insbesondere geregelt werden:

  • Datenübertragungen sollten verschlüsselt erfolgen.
  • Der Zugang zum Firmenintranet sollte nur durch ein VPN-Netzwerk erfolgen.
  • Der Zugang zu Arbeitsgeräten sollte passwortgeschützt sein.
  • Das verwendete Arbeitsgerät sollte eine (automatische) Bildschirmsperre besitzen.
  • Nach Möglichkeit sollten Zwei-Faktor-Authentifizierungen eingesetzt werden.
  • Datenträger mit Firmendaten sollten verschlüsselt sein.
  • Eine Speicherung auf privaten Datenträgern ist zu untersagen.

Aber auch jenseits der Technologie sind Datenschutzregeln zu beachten, wie z.B.:

  • Vertrauliche Akten müssen bei Abwesenheit sicher eingeschlossen werden.
  • Das Arbeitszimmer sollte nicht von Unbefugten (einschließlich von Familienmitgliedern) betreten werden und abschließbar sein.
  • Die Entsorgung von Akten muss sachgerecht erfolgen.

Da nicht alle Maßnahmen vom Arbeitgeber veranlasst und kontrolliert werden können, sollten Mitarbeiter entsprechend zum Datenschutz im Homeoffice verpflichtet und zu den Pflichten geschult werden. Ganz wichtig ist vor allem, die Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren, insbesondere wenn ein Unternehmen mit Homeoffice „Neuland betritt“.

Sollte es im Homeoffice zu „Datenpannen“ kommen, kann dies zu schwerwiegenden, bußgeldbewehrten Folgen für Arbeitgeber kommen.

Dürfen Mitarbeiter im Homeoffice kontrolliert werden?

Der Arbeitgeber hat faktisch nur geringe Kontrollmöglichkeiten im Homeoffice. Hier ist v.a. § 26 BDSG zu beachten: danach darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten der Mitarbeiter ohne Einwilligung nur verarbeiten, wenn dies etwa für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist oder der Aufdeckung von Straftaten dient. Hier gelten die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen, die für die Arbeit im Unternehmen genauso gelten wie für die Arbeit von zu Hause.

Für den Bereich Homeoffice gibt es keine Spezialvorschriften, sodass eine weitergehende Kontrolle oder gar die Überwachung allein durch den Umstand des Homeoffice nicht gerechtfertigt werden kann. Arbeitgeber können sich allerdings Kontroll- und Zutrittsrechte vertraglich einräumen lassen. Ob das für temporäre Heimarbeit wegen Corona sinnvoll ist, muss aber je nach Einzelfall entschieden werden. Grundsätzlich jedoch sollten die Kontroll- und Zugriffsrechte bei Homeoffice – auch in Hinblick auf Datenschutzbeauftragte und Behörden – vertraglich mit den Mitarbeitern geregelt werden. Im Übrigen sind die Mitarbeiter im Homeoffice natürlich auch zur Vertraulichkeit zu verpflichten.

Kann der Arbeitgeber Dienstreisen in Risikogebiete anordnen?

Die Anordnung einer Dienstreise bleibt auch in Risikogebiete möglich, solange nicht eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. Für welche Länder Reisewarnungen gegeben werden, kann jeweils unter https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762 geprüft werden. Ob die Anordnung von Dienstreisen allerdings vor dem Hintergrund der immer noch weitreichenden Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zu nicht notwendigen touristischen Reisen in die ganze Welt und der immer noch bestehenden Beschränkungen zu Einreise, Rückreise und möglichen Quarantäne sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Es gilt auch hier die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Kann der Arbeitgeber gegenüber noch gesunden Mitarbeitern Überstunden anordnen, um den Ausfall von Mitarbeitern zu kompensieren?

Der Arbeitgeber kann nach den allgemeinen Regeln auch in einem solchen Fall Überstunden einseitig anordnen. Regelmäßig bestehen hierzu bereits arbeitsvertragliche Vereinbarungen. Ohne entsprechende Vereinbarung ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, Überstunden zu erbringen.

Kann der Arbeitgeber den Abbau von Überstunden anordnen?

Das ist möglich, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages die Möglichkeit besteht, dass Überstunden in Form von Freizeit abgegolten werden können. In diesem Fall kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum unwiderruflich unter Anrechnung von Überstundenguthaben freistellen. Sieht der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag hingegen vor, dass Überstunden nur durch Ausgleichszahlungen abgegolten werden können, ist ein Abbau der Überstunden durch Freistellung nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer möglich.

Kann der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung verlangen, wenn er aufgrund Schul- und Kita-Schließungen der Arbeit fernbleibt?

Bleibt der Arbeitnehmer der Arbeit fern, weil Kindertagesstätte, Kindergarten oder Schule geschlossen ist und er daher die Betreuung für sein Kind während der Arbeitszeit übernehmen muss, wird teilweise ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB angenommen. Es ist allerdings eher davon auszugehen, dass der Arbeitgeber nicht zur Zahlung verpflichtet ist, da es sich nicht um eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ handelt. Es steht vielmehr von Beginn an fest, dass die Schulen und Kitas für mehrere Wochen geschlossen werden.

Darf ein Arbeitgeber die Beschäftigten zu Krankheitssymptomen einer möglichen Corona-Infektion befragen?

Zulässig ist eine solche Befragung nur, wenn sie auf typische Symptome einer Corona-Infektion beschränkt ist und ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, z.B. sofern es bei anderen Beschäftigten eine Infektion gab. Nach den Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kann eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus zu Krankheitszeichen wie Fieber und Husten führen. Nach den derzeit vorliegenden Informationen gibt es jedoch keine Symptome, die – außerhalb ärztlicher Untersuchungen – eindeutig für eine Corona-Infektion sprechen. Vielmehr können häufig auftretende Symptome auch durch andere Erkrankungen hervorgerufen werden; ebenso können Corona-Infektionen auch ohne Symptome verlaufen.

Darf ein Arbeitgeber die Beschäftigten zu positiver Corona-Testung befragen?

Ja. Aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr besteht eine Pflicht der Beschäftigten, den Arbeitgeber im Falle einer festgestellten Infektion zu informieren bzw. ein entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers.

Darf ein Arbeitgeber die Beschäftigten zu Reisezielen befragen?

Eine allgemeine Frage nach Reisezielen betrifft allein die Privatsphäre der Beschäftigten. Eine solche Frage ist nicht zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich und daher unzulässig. Zulässig ist jedoch die konkrete Frage nach Aufenthalten in anerkannten Risikogebieten, die das RKI ausweist (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html). Insoweit besteht ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, sodass Beschäftigte zur Information des Arbeitgebers verpflichtet sind bzw. ein entsprechendes Fragerecht besteht.

Darf ein Arbeitgeber die Beschäftigten zu Kontakten mit Infizierten befragen?

Zulässig ist eine solche Frage, wenn sie auf Infektionen und Verdachtsfälle bei Personen gerichtet ist, mit denen Beschäftigte oder Personen aus deren unmittelbaren Umfeld (z.B. Haushaltsangehörige, enge Bekannte, Ärzte u.ä.) innerhalb der letzten 14 Tage direkten Kontakt hatten.

Darf der Arbeitgeber bei den Beschäftigten Fiebermessungen durchführen?

Kontaktlose Fiebermessungen am Eingang von Betriebsgeländen oder Gebäuden können unter engen Voraussetzungen gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG gerechtfertigt sein. Zwar gibt es derzeit keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob Fieber ein definitives Kriterium zur Feststellung einer Corona-Infektion ist. Die Temperaturkontrolle kann aber ein geeignetes Mittel sein, um Hinweise auf etwaige Corona-Verdachtsfälle zu erhalten. Ob die Fiebermessung zulässig ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Dabei spielen die konkreten Umstände eine maßgebliche Rolle, etwa, ob es bereits Fälle nachweislich Infizierter im Unternehmen gibt, das Unternehmen in einem Risikogebiet liegt, oder Beschäftigte Kontakt zu Infizierten hatten oder haben.

Eine Speicherung der Daten dürfte nicht erforderlich sein, wenn die Fiebermessung lediglich dazu dient, festzustellen, ob jemand für den betreffenden Tag Einlass erhält oder nicht. Bei einer erhöhten Temperatur sollte der oder die Beschäftigte zur weiteren Abklärung der Ursache ein Krankenhaus oder einen Arzt aufsuchen.

Arbeitgebern ist zu empfehlen, eine möglichst einvernehmliche Lösung unter Einbeziehung der Beschäftigten, des Betriebs- oder Personalrats sowie der oder dem Datenschutzbeauftragten herbeizuführen. Die Maßnahme kann auch auf der Basis einer freiwilligen Einwilligung der betroffenen Beschäftigten durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass sie über die Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten umfassend informiert werden. In einer Betriebsvereinbarung können die wesentlichen Regelungen hinsichtlich des „Wie“ der Durchführung der Maßnahme inklusive des Umgangs mit Verdachtsfällen transparent geregelt werden.

Sind Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber über eine Ansteckung zu informieren? Wie weit sind umgekehrt Unternehmen verpflichtet, ihre Belegschaft über Infektionen zu informieren?

Arbeitnehmer haben zunächst nur die Pflicht über eine Erkrankung zu informieren und mitzuteilen, wie lange diese voraussichtlich dauert. Etwas anderes kann gelten, wenn die Erkrankung zu einer Gefährdung anderer Arbeitnehmer führen kann. Dann ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dies dem Arbeitgeber mitzuteilen.

Soweit ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht (z.B. aufgrund festgestellter Infektion eines Beschäftigten), kann ein Arbeitgeber dazu verpflichtet sein, weitere Beschäftigte oder auch Dritte, die mit der infizierten Person in Kontakt standen, über das daraus resultierende Infektionsrisiko zu informieren. In diesem Zusammenhang sind auch entsprechende Datenverarbeitungen zulässig, soweit sie erforderlich sind, um weitere Personen zu schützen. Die namentliche Nennung einer infizierten Person wird dabei jedoch regelmäßig nicht erforderlich sein.

Muss ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer im Verdachtsfall freistellen? Was passiert dann mit dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers?

Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Beschäftigungsanspruch. Es ist also nicht möglich, sie grundlos „nach Hause zu schicken“. Der Beschäftigungsanspruch besteht aber dann nicht, wenn überwiegende schützenswerte Suspendierungsinteressen des Arbeitgebers vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer eine Gesundheitsgefahr für andere darstellt. Hierfür kann der konkrete Verdacht der Infizierung mit dem ansteckenden Coronavirus genügen. Die Beurteilung, wann solch ein konkreter Verdacht vorliegt, ist grundsätzlich dem Einzelfall vorbehalten. Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist von einem konkreten Verdacht nur in folgenden zwei Fällen auszugehen:

  • Grippeähnliche Symptome und Aufenthalt in einem internationalen Risikogebiet bzw. in einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland

oder

  • Grippeähnliche Symptome und Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person.

Ab einem bestimmten Verdachtsgrad der Infizierung mit dem Coronavirus kann aber auch eine Pflicht des Arbeitgebers ausgelöst werden, den betroffenen Arbeitnehmer kurzfristig freizustellen und anzuordnen, dass in der Zeit der Freistellung überprüft wird, ob tatsächlich eine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt. In diesen Fällen behält der Arbeitnehmer aber seinen Vergütungsanspruch.

Etwas anderes gilt im Einzelfall jedoch dann, wenn eine Behörde, z.B. das Gesundheitsamt die Betriebs(teil)schließung verfügt. Wenn sich darin ein betriebstypisches Betriebsrisiko verwirklicht, wie es bspw. bei Krankenhäusern, Kliniken und Arztpraxen (nach a.A. auch bei (Hoch-)Schulen und Kindertagesstätten und öffentlich zugänglichen Verwaltungsbehörden), bei denen notwendigerweise ein hoher Personenverkehr besteht, der Fall ist, besteht grundsätzlich kein Vergütungsanspruch für die Zeit der Schließung.

Welche Ansprüche hat ein Arbeitnehmer im Falle einer Corona-Infektion?

Ist ein Arbeitnehmer hingegen arbeitsunfähig erkrankt, so gilt die gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht im Krankheitsfalle nach dem § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Der Arbeitnehmer behält danach für einen Zeitraum von maximal sechs Wochen seinen Vergütungsanspruch. Dies gilt sowohl bei nachgewiesener Infektion mit dem Coronavirus als auch beim Verdacht der Infektion. Je nach Größe des Betriebs – abhängig von der Anzahl der Arbeitnehmer – kommt für den Arbeitgeber eine Erstattung der Entgeltfortzahlungskosten nach §§ 1, 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) in Betracht. Dabei handelt es sich um eine Entlastungsleistung zugunsten kleinerer Arbeitgeber aufgrund eines gesetzlichen solidarischen Umlageverfahrens (sog. „U1-Umlage“).

Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein Beschäftigungsverbot nach § 31 IfSG angeordnet wird. Dieses kann von den Behörden gegenüber am Coronavirus nachgewiesen erkrankten Personen aber auch in Verdachtsfällen ausgesprochen werden. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch nach § 56 i.V.m. § 31 IfSG der mit dem Entgeltfortzahlungsanspruch konkurriert. Der Arbeitnehmer wird dann in Höhe des Verdienstausfalls vom Staat bis zu einer Dauer von sechs Wochen entschädigt. Der Arbeitnehmer kann sich aber mit seinem Anspruch direkt an den Staat wenden und die Entschädigung innerhalb von drei Monaten beantragen oder bei seinem Arbeitgeber. Dieser muss dann in Vorleistung treten. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber dann auf Antrag (innerhalb einer Frist von drei Monaten) vom Staat erstattet.

Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber bei Kenntnis einer Coronavirus-Infektion eines Arbeitnehmers?

Der Arbeitgeber hat seine Arbeitnehmer über die Infektion eines Arbeitnehmers zu informieren und aufzuklären – unabhängig von etwaig anwendbaren datenschutzrechtlichen Vorschriften. Ferner hat er zur Vermeidung der Ansteckung weiterer Arbeitnehmer konkrete Maßnahmen zu treffen. Dies kann von der Bereitstellung von Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken bis hin zur Aufteilung der Arbeitnehmer in Einzelbüros und, wenn (anhand vorhandener vertraglicher Regelung) möglich, ggf. kurzfristigen Anordnung zum Homeoffice reichen.

Eine offene Kommunikation und regelmäßige Information über den Coronavirus bietet sich jedenfalls an, um eine bestehende Verunsicherung der Belegschaft einzudämmen.

Was gilt, wenn Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anordnung unter Quarantäne gestellt werden?

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Fall eintreten kann, dass die zuständigen Behörden Betriebe und Unternehmen, in denen Coronavirus-Infektionen auftreten, zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus schließen und Arbeitnehmer, die potentielle Träger des Virus sind, unter Quarantäne stellen. In diesen Fällen kann derjenige, der einen Verdienstausfall erleidet über die Regelungen nach § 30 i.V.m. § 56 des Infektionsschutzgesetzes eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls geltend machen. Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang zusteht (sog. Netto-Arbeitsentgelt). Nach sechs Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes weitergezahlt. Wendet sich der Arbeitnehmer mit seinem Anspruch an den Arbeitgeber, hat dieser die Entschädigung für die ersten sechs Wochen zu tragen und kann seinerseits eine Erstattung bei der zuständigen Behörde beantragen. Wer zuständige Behörde ist, richtet sich nach den Regelungen des jeweiligen Bundeslandes. Für Baden-Württemberg ist das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg die zuständige Landesbehörde nach dem Infektionsschutzgesetz. Für Nordrhein-Westphalen die Bezirksregierung, für Hessen ist das Gesundheitsamt und für Berlin das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin der richtige Ansprechpartner.

Was gilt für Personen in Deutschland, die im angrenzenden Ausland beschäftigt sind und für Personen im Ausland, die in Deutschland beschäftigt sind (Grenzgänger)?

Maßgeblich für die Rechtslage ist jeweils der Ort der Beschäftigung. Für Grenzgänger nach Deutschland gilt daher das deutsche Recht. Für Grenzgänger aus Deutschland in ein Nachbarland, z. B. die Schweiz oder Frankreich gilt das jeweilige nationale Recht. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer wegen des Coronavirus‘ vorübergehend im Homeoffice arbeitet und daher nicht in dem Land, in dem sein Arbeitgeber sitzt.

Die Regelungen zu Sozialversicherungen, z.B. für den Anspruch auf Krankengeld oder Kurzarbeitergeld richten sich nach dem Recht des Landes, in dem der Arbeitnehmer sozialversichert ist. Das ist in der Regel das Land, in dem der Arbeitgeber beschäftigt ist. Für Grenzgänger aus Deutschland in einen  Nachbarstaat gilt daher in der Regel nicht das deutsche Recht.

Kurzarbeitergeld

Nach der Kurzarbeitergeldverordnung vom 25.03.2020, rückwirkend in Kraft getreten am 01.03.2020, ist der Bezug von Kurzarbeitergeld bereits dann möglich, wenn 10% der Belegschaft (anstatt der bisherigen 30%) vom Arbeitsausfall betroffen sind. Zudem ist der Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes nicht mehr erforderlich. Auch können durch die Verordnung erstmals Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer am Kurzarbeitergeld partizipieren. Sozialversicherungsbeiträge, die der Arbeitgeber bislang weiterhin für ihre Beschäftigten zahlen musste, werden bei Vorliegen der Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes vollständig durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet.

Durch das Mitte Mai verabschiedete Sozialschutz-Paket II ist das Kurzarbeitergeld bis Jahresende angehoben worden. Für Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit um mindestens 50% reduziert haben, steigt das Kurzarbeitergeld ab dem vierten Monat auf 70%. Ab dem siebten Monat steigt das Kurzarbeitergeld dann auf 80% des entgangenen Nettolohns. Für Beschäftigte mit Kindern steigt es auf 77% bzw. 87%.

Vor der Anordnung von Kurzarbeit ist die Inanspruchnahme der vorhandenen Urlaubstage in Betracht zu ziehen. Sofern der Arbeitnehmer keine vorrangigen Urlaubswünsche geltend macht bzw. bereits geltend gemacht hat, muss die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub also vorrangig erfolgen, wenn dadurch der Arbeitsausfall zumindest teilweise vermieden werden kann.

Um zu verhindern, dass Betriebe, die bereits seit längerem von Arbeitsausfall betroffen sind, mitten in der Corona-Krise die maximale Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld (derzeit 12 Monate) ausschöpfen, wurde mit der Kurzarbeitergeldbezugsdauerverordnung vom 16.04.2020 die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2019 entstanden ist, über die Bezugsdauer nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB III (12 Monate) hinaus auf bis zu 21 Monate, längstens bis zum 31. Dezember 2020, verlängert.

Ob die Maßnahmen auch über den 31.12.2020 hinaus verlängert werden, bleibt abzuwarten. Mit § 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB III besteht zumindest eine Rechtsgrundlage, um „die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld über die gesetzliche Bezugsdauer hinaus bis zur Dauer von 24 Monaten zu verlängern, wenn außergewöhnliche Verhältnisse auf dem gesamten Arbeitsmarkt vorliegen“.

Was muss der Arbeitgeber für den Erhalt von Kurzarbeitergeld unternehmen?

Kurzarbeitergeld wird nur auf Antrag des Arbeitgebers hin geprüft und ggf. bewilligt. Der Antrag ist verbunden mit einer vorherigen Anzeige des Arbeitsausfalls bei der zuständigen Agentur für Arbeit. Die Anzeige über Arbeitsausfall sollte in dem Monat eingehen, in dem Kurzarbeit beginnt, denn ein etwaig gewährtes Kurzarbeitergeld wird frühestens ab dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall eingegangen ist. Anschließend ist der Antrag auf Leistung des Kurzarbeitergelds zu stellen. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den das Kurzarbeitergeld beantragt wird, also des Kalendermonats, in dem die Kurzarbeit begonnen wurde. Die Angaben, die mit einer evtl. Anzeige eingereicht/geprüft werden müssten, umfassen auch eine Einzelvereinbarung mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über die Einführung der Kurzarbeit. Das Kurzarbeitergeld wird bei Vorliegen aller Voraussetzungen von der Agentur für Arbeit an den Arbeitgeber ausgezahlt. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber unter Umständen in Vorleistung gehen muss – das Kurzarbeitergeld also an seine Arbeitnehmer auszahlen muss und erst nachfolgend den Ausgleich durch die Arbeitsagentur erhält.

Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?

Nachdem bereits am 16.03.2020 die Bundesregierung den Zugang zum Kurzarbeitergeld rückwirkend zum 01.03.2020 erleichtert hatte, einigte sich der Koalitionsausschuss am 23.04.2020 nunmehr auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Da inzwischen bei der Bundesagentur für Arbeit bereits über 700.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet haben und ein Ende der Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt nicht abzusehen ist, haben sich CDU, CSU und SPD auf die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes verständigt, um die Folgen der Coronakrise auf besonders getroffene Arbeitnehmer zu mildern.

Im Einzelnen:

  • Das Kurzarbeitergeld wird erhöht, und zwar abhängig von der Dauer der Kurzarbeit. Bisher zahlt die Bundesagentur für Arbeit bei Kurzarbeit 60 Prozent und für Eltern 67 Prozent des Lohnausfalls.
  • Ab dem vierten Monat des Bezugs soll das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftigte, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, auf 70 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 80 Prozent des Lohnausfalls erhöht werden.
  • Bei Beschäftigten mit Kindern, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, beläuft sich die Erhöhung ab dem vierten Monat des Bezugs auf 77 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 87 Prozent.
  • Diese Erhöhungen gelten maximal bis 31.12.2020.

Mit dem Gesetz zur weiteren Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie (Sozialschutzpaket II), welches am 28.05.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, sind zudem folgende Änderungen in Kraft getreten:

  • Die Hinzuverdienstmöglichkeit für Beschäftigte in Kurzarbeit ist erweitert worden. Alle Kurzarbeiter, nicht nur der systemrelevanten Berufe, dürfen bis zur vollen Höhe ihres bisherigen Monatseinkommens in dem Zeitraum 01.05. bis 31.12.2020 hinzuverdienen.
  • Die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I (ALG I) ist um drei Monate für diejenigen verlängert worden, deren Anspruch auf ALG I zwischen dem 01.05. bis 31.12.2020 enden würde.

Wirkt sich die Erhöhung des Kurzarbeitergelds auf zuvor zugesagte Erhöhungen durch den Arbeitgeber aus?

Des Weiteren steht zu erwarten, dass Arbeitgeber, die individual-vertraglich oder per Betriebsvereinbarung die Aufstockung des Kurzarbeitergelds zugesagt haben, mit dem Ansinnen konfrontiert werden, die gesetzliche Aufstockung an den Mitarbeiter weiterzugeben, sprich: die zugesagte Aufstockung auch auf das erhöhte Kurzarbeitergeld „aufzusatteln“.

Ein solcher Anspruch besteht indes nicht. Wie der Presse zu entnehmen ist, sollen durch die gesetzliche Aufstockung teilweise gerade die Arbeitgeber entlastet werden, die das Kurzarbeitergeld bereits freiwillig aufgestockt hatten. Zudem dient die Erhöhung als Unterstützung der Kurzarbeiter, die bislang keinerlei Aufstockung erhalten haben (derzeit ca. 70-75% der Betroffenen). Angestrebt ist demnach gerade keine zusätzliche Unterstützung von dem Anteil der Kurzarbeiter, deren finanziellen Nachteile infolge der Kurzarbeit bereits durch Leistungen des Arbeitgebers relativ gering waren. Zudem würde die uneingeschränkte Beibehaltung der Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers z.B. im Fall des sich im siebten Monat der Kurzarbeit befindenden Familienvaters zu dem kuriosen Ergebnis führen, neben der gesetzlichen Aufstockung auf 87% des Nettoeinkommens zumindest das volle Nettoeinkommen verlangen zu können. Das ist weder vom Gesetzgeber noch von den Beteiligten (Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Betriebsrat) bei verständiger Würdigung der ursprünglichen Absprachen gewollt.

Kurzarbeit und Urlaub

Die Coronavirus-Pandemie stellt Wirtschaft und Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen. Zur Unterstützung von Beschäftigten und Unternehmen war im Eilverfahren die gesetzliche Grundlage geschaffen worden, um den Zugang zum Kurzarbeitergeld zu vereinfachen. Allein in NRW haben bis Ende März 2020 bereits ca. 100.000 Unternehmen die Kurzarbeit beantragt. In diesem Kontext stellen sich den Beteiligten u.a. viele Fragen zu der Beziehung zwischen Kurzarbeit und Urlaub. Nahezu als Allgemeinwissen darf inzwischen in der Praxis die Tatsache bezeichnet werden, dass – im Kontext der gesetzlichen Voraussetzung „Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls“ – noch vorhandener Urlaub aus dem vergangenen Urlaubsjahr zur Vermeidung der Kurzarbeit einzubringen ist. Dementsprechend beschränken die Arbeitsbehörden die Prüfung der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls auf die Fragen, ob

  • Urlaub während der Kurzarbeit aufgrund der Urlaubsliste, des Urlaubsplans oder aufgrund von Betriebsferien einzubringen wäre;
  • Ansprüche aus übertragenem Urlaub oder kurz vor Ablauf des Urlaubsjahres für einzelne Arbeitnehmer noch restliche Urlaubsansprüche bestehen (die Gründe für eine Übertragung sind ohne Belang) und
  • der Arbeitgeber eine Bestimmung über den Antritt des Urlaubs treffen könnte.

Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit

Darüber hinaus stellen von Kurzarbeit betroffene Unternehmen vermehrt unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 09.11.2012 (C-229/11 und C 230/11) die Frage, ob die Kurzarbeit zur Kürzung des Urlaubsanspruchs der betroffenen Mitarbeiter führt. Der EuGH hatte u.a. entschieden, dass es dem Unionsrecht jedenfalls nicht entgegensteht, wenn der Anspruch eines (Transfer-)Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung vermindert wird. Diese Entscheidung hat zunächst auf die Praxis der Bundesagentur für Arbeit keinen Einfluss, da die Ansprüche auf Kug und dessen Sonderformen danach beurteilt werden, welche verwertbaren Urlaubsansprüche zur Vermeidung des Arbeitsausfalls iSd. § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB III heranzuziehen sind. Damit ist hingegen noch nicht bestimmt, ob und inwieweit der Arbeitgeber im Fall „corona-bedingter“ Kurzarbeit die Urlaubsansprüche der betroffenen Mitarbeiter – ohne besondere Vereinbarung oder aufgrund Individualabsprache bzw. Betriebsvereinbarung – kürzen kann. Die im deutschen Recht bis zum Jahr 2012 weitgehend anerkannte Auffassung, dass Urlaubsansprüche von Kurzarbeitern an die verringerte Arbeitsverpflichtung anzupassen sind, lässt sich aber für den anwaltlichen Berater aufgrund der seitherigen Entwicklung der Rechtsprechung und der zuweilen überraschenden Interpretationen der Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH „haftungssicher“ nur begrenzt aufrecht erhalten.

Urlaubsrechtsprechung des EuGH

Das Urlaubsrecht ist in besonderem Maße durch die Rechtsprechung des EuGH überlagert, der die im BUrlG verankerten Grundprinzipien in den letzten Jahren grundlegend ausgehebelt hat, ohne dass aber das deutsche Gesetz geändert worden ist. Arbeitszeitrichtlinie und BUrlG sind aufgrund der ausufernden und in sich keineswegs geschlossenen EuGH-Rechtsprechung kaum miteinander zu vereinbaren. Die unter vorstehender Ziffer 2. aufgeworfene Frage ist demnach insbesondere unter dem Blickwinkel verschiedener, vom EuGH aufgestellter Rechtsgrundsätze zu beantworten:

  • Die Kurzarbeitszeiten dürfen zwar den Mindestjahresurlaub verringern, nicht aber das Urlaubsentgelt. Anders gewendet: Während seines unionsrechtlich garantierten Mindestjahresurlaubs hat ein Arbeitnehmer ungeachtet früherer Kurzarbeitszeiten Anspruch auf sein normales Arbeitsentgelt, wobei die Dauer dieses Mindestjahresurlaubs jedoch von der tatsächlichen Arbeitsleistung abhängt, die im Referenzzeitraum erbracht wurde, sodass Kurzarbeitszeiten dazu führen können, dass der Mindesturlaub weniger als vier Wochen beträgt (EuGH, Urteil vom 13.12.2018, C-385/17).
  • Die (zeitweise) Kurzarbeit entspricht idR. dem Wechsel von Voll- in Teilzeit und der sich daraus weiter stellenden Frage, wie viel Urlaub ein Arbeitnehmer während einer Teilzeitarbeit neu erwirbt. Die Kurzarbeit entspricht angesichts der verringerten Arbeitspflicht letztlich der Teilzeit, so dass die gleichen Grundsätze gelten müssen.
  • Hingegen kann dieser Grundsatz nicht nachträglich auf einen Anspruch auf Jahresurlaub angewandt werden, der in einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben wurde (EuGH, Beschluss v. 13.06.2013, C-415/12 „Brandes“).

Rechtsgrundlage und Umrechnung

  • Das BAG geht – jedenfalls für die Fälle, dass ein Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen ruht – von dem Grundsatz aus, dass eine Kürzung des Urlaubs wegen des ruhenden Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kommt (z.B. BAG, Urteil v. 07.08.2012, 9 AZR 353/10). Den Fall der Kurzarbeit hatte das BAG indes bislang nicht zu entscheiden. Nicht zwingend ist allerdings, dass das höchste deutsche Arbeitsgericht die vom EuGH als zulässig erachtete Urlaubskürzung wegen Kurzarbeit gleichermaßen absegnet, denn die Arbeitszeitrichtlinie stipuliert allein einen nach oben offenen Mindestarbeitsschutz.
  • Rechtliche Grundlage der Kürzung ist der in weiten Teilen des juristischen Schrifttums vertretene Pro-rata-temporis-Grundsatz. Die Zeit der „Kurzarbeit Null“ sei danach einer Arbeitszeitverkürzung auf Grund eines vertraglich vereinbarten Wechsels von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis gleichzustellen, mit der Folge, dass sich der bezahlte Jahresurlaub, auf den der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Anspruch hat, verringert.
  • Die Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen „corona-bedingter Kurzarbeit“ erscheint nicht zuletzt aufgrund der allgegenwärtigen Sondersituation durchaus bedenklich. Zunächst verfängt derzeit wohl kaum das regelmäßig zur Rechtfertigung der Kürzung aufgerufene Argument, insbesondere der „Kurzarbeiter Null“ erhalte genau die Ruhezeit, die er im Falle der Vollzeitarbeit gehabt hätte: Wer gar nicht mehr arbeite, weil er „Kurzarbeit Null“ leistet, der ist schon abwesend und habe somit Ruhezeit, ohne dass er dafür Urlaubstage verwenden müsste. Ein Arbeitnehmer in „Kurzarbeit Null“ sei dabei sogar besser gestellt als ein Arbeitssuchender, der sich immerhin noch um Arbeit bemühen muss. Er könne die freie Zeit vollständig der Erholung widmen. Vor allem letzterer Befund trifft für die Coronakrise nicht wirklich zu: die Kurzarbeit bedingten Urlaubstage haben bei objektiver Betrachtung keinen Urlaubscharakter, da derzeit nicht einmal eine „normale“ Naherholung (z.B. Fahrt an die Nord- oder Ostsee o.ä.) möglich ist. Ferner hat die Bundesagentur für Arbeit Online-Plattformen errichtet, die sich an Kurzarbeit wendet, die interessiert sind, durch Nebentätigkeiten in systemrelevanten Berufen ihre aufgrund der Kurzarbeit entstehenden Lohn- und Gehaltseinbußen zu mindern.
  • Andererseits gilt zu bedenken, dass die Kurzarbeit der Sicherung von Arbeitsplätzen dient. Wenn nun nach (längerer) Kurzarbeit die Arbeit im Betrieb wieder aufgenommen wird, das Unternehmen hingegen mit umfangreichen Urlaubsansprüchen der Belegschaft konfrontiert würde, wäre der Zweck der Kurzarbeit möglicherweise binnen kürzester Zeit konterkariert und die Gefährdung der Arbeitsplätze nur noch verschärft.
  • Im Ergebnis wird daher eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs zumindest wegen Kurzarbeit „Null“ gerechtfertigt sein, sofern die Kurzarbeit vollständige Monate umfasst und dem Mitarbeiter auch bereits vor dem jeweiligen Monat bekannt gegeben wird, damit er die Kurzarbeit „Null“ wenigstens im Grundsatz wie Urlaub zu nutzenvermag. Die Kürzung beträgt dann 1/12 für jeden Monat Kurzarbeit.   

Hinweise für die Praxis

  • Sicher ist, dass ein Arbeitnehmer, der bereits vor Anordnung der Kurzarbeit seinen gesamten Jahresurlaub genommen hat, nicht „nacharbeiten″ muss, auch wenn er mehr Urlaubstage hatte, als ihm unter Berücksichtigung der durch die Kurzarbeit eintretenden Urlaubskürzung zugestanden hatten. Denn eine solche Pflicht zum „Nacharbeiten″ besteht auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte endet. In diesem Fall ermäßigt sich der Jahresurlaubsanspruch ebenfalls zeitanteilig, und auch in diesem Fall muss der Arbeitnehmer, der Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten hat, weder „nacharbeiten″ noch das ihm ausgezahlte Urlaubsentgelt zurückgewähren (§ 5 Abs. 3 BUrlG).
  • Sofern der Mitarbeiter bereits Urlaub genommen hat bzw. wem der Urlaub für die nächste Zeit bereits gewährt worden ist, erhält hierfür die „normale“ Urlaubsvergütung.
  • Die nachträgliche Kürzung des Urlaubs wegen Kurzarbeit ist im Fall der „Kurzarbeit Null“ für volle Monate in Betracht zu ziehen.
  • Arbeitgeber sollten jedoch bedenken, dass die – ggf. durchaus statthafte – Kürzung von Urlaubsansprüchen nicht zu unerwünschten Kommunikationsdesastern in der Belegschaft oder gar der Öffentlichkeit werden. Jenseits des Rechtlichen sollten die mit einer Kürzung verbundenen Signale bedacht werden. Insbesondere wenn der Arbeitgeber (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) keine Aufstockung zum Kurzarbeitergeld leistet, könnte der fatale Eindruck entstehen, als reduziere der Arbeitgeber seine finanziellen (Urlaubs-)Verpflichtungen mit durch Kurzarbeit gewährten Freizeiten, die wiederum von der Sozialgemeinschaft (also auch den Versicherungsbeiträgen der Mitarbeiter) finanziert werden.

Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weitere Unterstützungsleistungen zukommen lassen? Besteht insoweit Steuer- und/oder Sozialversicherungsfreiheit?

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmern in Kurzarbeit einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gewähren. Der Zuschuss ist sozialversicherungsfrei, soweit er zusammen mit dem Kurzarbeitergeld nicht mehr als 80 Prozent des Differenzbetrages zwischen dem Sollentgelt und dem Ist-Entgelt im Sinne der Vorschriften zum Kurzarbeitergeld beträgt. Das Sollentgelt bezeichnet dabei das Bruttogehalt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall erzielt hätte; das Ist-Entgelt bezeichnet das tatsächlich während der Kurzarbeit im jeweiligen Kalendermonat erzielte Bruttoarbeitsentgelt, wobei einmalig gezahltes Arbeitsentgelt außer Betracht bleibt. Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld sind aber steuerpflichtig.

Nicht nur sozialversicherungsfrei, sondern auch steuerfrei sind dagegen Unterstützungsleistungen von Arbeitgebern an ihre Arbeitnehmer im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Eine „Umetikettierung“ von ohnehin geschuldeten Lohnbestandteilen führt also nicht zur Steuer- oder Sozialversicherungsfreiheit. Die steuerfreien Unterstützungsleistungen müssen ferner im Lohnkonto aufgezeichnet werden. Anderweitige Steuerbefreiungen und Möglichkeiten der Pauschalbesteuerung bleiben daneben unverändert weiterhin möglich.

Welche Möglichkeiten haben Selbstständige ohne Arbeitnehmer?

Auch Selbstständige haben grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG, sofern sie als Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger des COVID-19 einem Beschäftigungsverbot unterliegen. Bei einer Existenzgefährdung können den Entschädigungsberechtigten die während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen auf Antrag in angemessenem Umfang von der zuständigen Behörde erstattet werden. Selbstständige, deren Betrieb/Praxis während einer behördlich angeordneten Quarantäne ruht, können nach § 56 Infektionsschutzgesetz bei der zuständigen Behörde einen "Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang" beantragen. Der Antrag ist auch hier innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der Tätigkeit zu stellen. Der Selbstständige ist auf Antrag, wie Arbeitgeber und in Heimarbeit Beschäftigte ebenfalls vorschussberechtigt.

Sind Verbesserungen beim Elterngeld für Arbeitnehmer vorgesehen?

Aufgrund der aktuellen Situation können viele Eltern die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang einhalten oder hätten nach der aktuellen Gesetzeslage finanzielle Einbußen hinzunehmen. Die Koalitionsfraktionen haben sich daher auf Vorschlag der Bundesfamilienministerin darauf geeinigt, folgende kurzfristige Anpassungen beim Elterngeld vorzunehmen:

  • Eltern, die in sog. systemrelevanten Berufen arbeiten und daher aktuell besonders gebraucht werden, sollen ihre Elterngeldmonate aufschieben können.
  • Gleichzeitig in Teilzeit arbeitende Eltern sollen den Partnerschaftsbonus nicht verlieren, wenn sie wegen der Corona-Krise weniger oder mehr arbeiten als geplant.
  • Wegen Corona bezogenes Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld I sollen – anders als nach der aktuellen Gesetzeslage der Fall – das Elterngeld nicht reduzieren und auch bei der späteren Berechnung des Elterngeldes für ein weiteres Kind nicht mit einfließen.

Die Umsetzung dieser Anpassungen steht noch aus, die aktuelle Rechtslage ist daher eine andere.

Arbeitszeitverordnung (COVID-19-ArbZV)

Die Ausnahmen vom ArbZG durch die COVID-19-ArbZV sind zum 31. Juli 2020 ausgelaufen.

Welche Änderungen sind in Bezug auf die Durchführung von Arbeitsgerichtsverfahren in Kraft getreten?

Mit dem „Gesetz zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutzpaket II)“ sind zum 29. Mai 2020 einzelne Neuerungen für das arbeitsgerichtliche Verfahren in Kraft getreten. Zeitlich befristet bis 31. Dezember 2020 sieht der neu eingefügte § 114 ArbGG – jeweils bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite iSd. § 5 IfSG – nun die folgenden Ausnahmeregelungen vor:

Videozuschaltung ehrenamtlicher Richter

Das Gericht kann gemäß § 114 Abs. 1 ArbGG ehrenamtlichen Richtern von Amts wegen gestatten, an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus beizuwohnen. Zulässig ist die Videozuschaltung nur dann, wenn es für den ehrenamtlichen Richter aufgrund der epidemischen Lage unzumutbar ist, persönlich an der Gerichtsstelle zu erscheinen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an den anderen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet.

Entsprechendes gilt gemäß § 114 Abs. 2 ArbGG für die Beratung, Abstimmung und Verkündung der Entscheidung. Die an der Beratung und Abstimmung Teilnehmenden haben durch geeignete Maßnahmen die Wahrung des Beratungsgeheimnisses sicherzustellen; die getroffenen Maßnahmen sind zu protokollieren.

Videozuschaltung sonstiger Personen

Das Gericht soll den Parteien, ihren Bevollmächtigten sowie Zeugen und Sachverständigen gemäß § 114 Abs. 3 ArbGG künftig von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

Den beteiligten Personen verbleibt damit weiterhin die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Indes wird durch die Einführung einer Soll-Vorschrift das Regel-Ausnahme-Verhältnis gegenüber dem bereits bestehenden § 128a ZPO umgekehrt, d.h. die Nichtgestattung der Videoteilnahme bedarf nun einer besonderen Begründung.

Welche Änderungen sind in Bezug auf die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen in Kraft getreten?

Mit dem Sozialschutzpaket II ist zum 29. Mai 2020 eine Ergänzung des § 5 Abs. 2 TVG in Kraft getreten. Nach dieser Vorschrift ist betroffenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Gelegenheit zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. Das BMAS kann neuerdings „in begründeten Fällen“ eine Teilnahme an dieser Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen. Die Regelung ist nicht explizit an das Vorliegen einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite nach § 5 IfSG geknüpft und soll auch keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen, sondern dauerhaft gelten.

Welche Änderungen sind in Bezug auf die Sitzungen der Mindestlohnkommission in Kraft getreten?

Die Durchführung von Sitzungen der Mindestlohnkommission ist bislang lediglich unter physischer Anwesenheit der beteiligten Personen möglich. Nach Ergänzung des § 10 Abs. 4 MiLoG im Zuge des Sozialschutzpaket II können die Teilnahme und Beschlussfassung künftig „in begründeten Ausnahmefällen“ auf Vorschlag des Vorsitzenden mittels Videokonferenz erfolgen, soweit kein Mitglied widerspricht und sichergestellt wird, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Änderung ist auf Dauer angelegt und bedarf zu ihrer Anwendbarkeit keiner epidemischen Notlage von nationaler Tragweite iSd. § 5 IfSG.

Welche Änderungen sind in Bezug auf Sitzungen des Heimarbeitsausschusses in Kraft getreten?

Die Teilnahme an Sitzungen des Heimarbeitsausschusses sowie die Beschlussfassung können gemäß § 4 Absatz 3 Satz 4 HAG n.F. seit dem 29. Mai 2020 aus Anlass der COVID-19-Pandemie auf Vorschlag des Vorsitzenden mittels Video- oder Telefonkonferenz erfolgen, wenn kein Beisitzer diesem Verfahren unverzüglich widerspricht und sichergestellt wird, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Regelung gilt zeitlich begrenzt bis zum 30. Juni 2021.

Welche Änderungen sind in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung in Kraft getreten?

Die fehlende rechtliche Grundlage zur Abhaltung digitaler Sitzungen und zur Entscheidungsfindung im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung und der damit zusammenhängenden Stimmbildung durch die Gremien mittels Video- oder Telefonkonferenzen wurde durch die durch die Coronakrise bedingten Kontaktbeschränkungen und dem damit einhergehenden Hindernis in der Arbeit der Arbeitnehmervertretungen offenbar.

Diesem Missstand half der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung (BGBl. I Nr. 24, S. 1044) ab und verabschiedete Regelungen, die das Abhalten von Sitzungen und Beschlussfassung von Arbeitnehmervertretungen mittels Video- und Telefonkonferenzen zulassen.

Die Abstimmung und Beschlussfassung auf digitalem Wege ist nicht nur für den Betriebsrat (vgl. Sonderregelung aus Anlass der COVID-19- Pandemie § 129 BetrVG), sondern auch den Sprecherausschuss, den Europäischen Betriebsrat sowie den SE-Betriebsrat oder das Besondere Verhandlungsgremium bei der SE möglich (vgl. § 39 SprAuG; § 41b EBRG; § 48 SEBG; § 50 SCEBG), sofern „sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können“. Auch Verhandlungen des Wirtschaftsausschusses sowie vor der Einigungsstelle können per Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden (vgl. etwa § 129 Abs. 2 BetrVG). Die Anpassungen sind rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft getreten.

Was bedeutet die Coronakrise für derzeit laufende oder bevorstehende Wahlen zum Aufsichtsrat bei mitbestimmten Gesellschaften?

Gegenwärtig laufen in vielen Unternehmen die Wahlen der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) bzw. steht die Einleitung der Wahl bevor. Eine „Notfallgesetzgebung“ für die laufenden oder gerade anstehenden Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer ist derzeit nicht Gegenstand der politischen Diskussion. Die beteiligten Unternehmen, Wahlvorstände, Betriebsräte und Gewerkschaften sind demnach aufgerufen, gemeinsam zu erörtern und zu entscheiden, wie mit der Wahl der Arbeitnehmer verfahren werden soll.

Die Wahl kann zum einen fortgeführt bzw. eingeleitet werden. Zu denken ist zum anderen an die Aussetzung und Unterbrechung der bereits eingeleiteten Wahl sowie an deren Abbruch. In der letztgenannten Alternative, also bei Verschiebung, Unterbrechung oder Abbruch der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer gilt zu bedenken, dass die Mandate der aktuellen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (möglicherweise) enden werden, ohne dass neue Arbeitnehmervertreter gewählt wurden. Dann sollte entsprechend § 104 AktG die gerichtliche Ersatzbestellung durch Antrag beim zuständigen Registergericht in Betracht gezogen werden, welches die freien Aufsichtsratsplätze nach freiem Ermessen – regelmäßig aber nach den ihm (einvernehmlich) unterbreiteten Vorschlägen besetzt. Idealerweise erfolgt eine einvernehmliche Abstimmung des Vorschlags zur registergerichtlichen Ersatzbestellung zwischen Geschäftsleitung, den Betriebsratsgremien sowie den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften.

Die Fortführung oder (geplante) Einleitung der Wahl sieht sich in den Zeiten der Pandemie tatsächlichen Problemen bei der Stimmabgabe (Stichwort Infektionsschutz) ausgesetzt, zumal das Sammeln von Stützunterschriften erschwert sein kann. Diesen Problemen kann ggf. durch die inzwischen allgemein bekannten Regelungen zu Abständen, Hygiene, Maskenpflicht etc. begegnet werden. Zu bedenken gilt jedoch ein mögliches Anfechtungsrisiko, weil Beschäftigte gar nicht mehr oder nur selten im Betrieb sind und Ausschreibungen und Bekanntmachungen zur Wahl nicht zur Kenntnis nehmen können. Nicht zu verkennen ist im Übrigen eine möglicherweise niedrige Wahlbeteiligung und der daraus resultierenden Besorgnis, die Erfolgsaussichten extremer Bewerber zu erhöhen.

Im Fall der bereits eingeleiteten Delegiertenwahl erscheint die Fortsetzung, z.B. auch in Form der Briefwahl eine sinnvolle Option zu sein. Die Öffentlichkeit der Stimmenauszählung kann durch Internet-Lösungen hergestellt werden (z.B. Live-Stream). Bei der Delegiertenwahl wird zudem zwischen der Wahl der Delegierten und der Durchführung der Delegiertenversammlung eine mehrmonatige Pause eingelegt werden können. Die Delegiertenversammlung soll zwar innerhalb eines Monats nach der Meldung der gewählten Delegierten an Haupt- oder Unternehmenswahlvorstand durchgeführt werden. Von dieser Regelung kann aber bei Vorliegen eines sachlichen Grundes abgewichen werden. Die hohe Ansteckungsgefahr bei Großveranstaltungen und die zur Zeit bestehenden staatlichen Beschränkungen für private Veranstaltungen bestimmter Größenordnungen stellen indes einen sachlichen Grund dar.

Zu erwägen ist ferner die Verschiebung der Wahl im Gleichlauf mit der Verschiebung der Hauptversammlung, um auch die mit Abschluss der Hauptversammlung endende Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder zu verzögern (§ 102 Abs. 1 AktG). Nach Art. 2, § 1 Abs. 5 COVID-19-GesR-Gesetz kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass die Hauptversammlung abweichend von § 175 Abs. 1 S. 2 AktG „innerhalb des Geschäftsjahres“ stattfindet. Den Unternehmen wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, im Jahr 2020 eine Hauptversammlung auch nach der Acht-Monatsfrist abzuhalten, ohne Zwangsgelder fürchten zu müssen. Die Fristverlängerung gilt nicht für die SE – hier bleibt es aufgrund des Vorrangs des Europarechts bei der zwingenden Sechs-Monatsfrist gem. Art. 54 Abs. 1 S. 1 SE-VO. Die Beteiligten sollten sich indes der streitigen Diskussion über die Frage bewusst sein, ob sich bei einer späteren Abhaltung der Hauptversammlung nach Art. 2, § 1 Abs. 5 COVID-19-GesR-Gesetz die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder entsprechend verlängert. Durchaus gewichtige Argumente sprechen gegen die Verlängerung: Das COVID-19-GesR-Gesetz sieht für die AG – anders als bei der Genossenschaft oder Vereinen (vgl. Art. 2, § 3 Abs. 5; § 5 Abs. 1) – keine Regelung zur Fortgeltung der Amtszeit vor. Vorsorglich sollte daher nicht von einer Verlängerung der Amtszeit ausgegangen werden.

Die einschlägigen Wahlordnungen enthalten keine Bestimmungen zur Aussetzung oder Unterbrechung der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer. Demnach sollte ein grundsätzliches Risiko bedacht werden, dass die später fortgesetzte Wahl angefochten wird. Andererseits ist die Wiederaufnahme des Wahlverfahrens nach der Coronakrise unter den Aspekten Zeit und Kosten die am meisten effektive Alternative. Der Abbruch nebst Neustart der Wahl nach der Coronakrise dürfte die meisten Kosten auslösen, aus rechtlicher Sicht hingegen der sicherste Weg sein.

Die Entscheidung, wie mit einer Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer in Zeiten von Covid-19 umgegangen wird, ist stets eine Einzelfallentscheidung. Die Beteiligten sollten das gemeinsame Ziel verfolgen, den arbeitnehmerlosen Aufsichtsrat oder ein zahlenmäßiges Ungleichgewicht von Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern zu vermeiden.

Bei einer bereits eingeleiteten Wahl hat der „oberste“ Wahlvorstand die Entscheidung zu treffen. Gleichwohl sollte mit allen Beteiligten, d.h. vor allem mit dem Unternehmen und den anderen Wahlvorständen, gesprochen werden. Nicht zuletzt wegen der vom Unternehmen letztlich zu tragenden Kosten ist Unternehmen zu empfehlen, die Wahlvorstände aktiv anzusprechen, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

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