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Die Folgen des Brexit für das Arbeitsrecht seit dem 01.01.2021

Zum 01.01.2021 wurde der Brexit endgültig vollzogen. Das UK ist künftig nicht mehr an EU-Recht gebunden. Um den Austritt des UK aus der EU insbesondere für Arbeitnehmer abzufedern, finden sich im Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK Trade and Cooperation Agreement, „TCA“) viele relevante Regelungen, insbesondere in Teil 2 Teilbereich 1 Titel II (Dienstleistungen und Investitionen) sowie in den Anhängen und Protokollen, insb. in den Anhängen SERVIN1-6, die in Bezug auf das Arbeitsrecht Abhilfe schaffen sollen.

1. Regelungen im Handels-und Kooperationsabkommen

a) Arbeitnehmerrechte - Rücktrittsverbot bei Schutznormen

Nach dem TCA darf das Arbeits- und Sozialniveau nicht unter das am Ende des Übergangszeitraums geltende Niveau abgesenkt werden, sog. Rücktrittsverbot bei Schutznormen. Dies gilt aber nur in den Bereichen, die Auswirkungen auf Handel und Investitionen haben. Bestehende Abkommen und Regelungen, z. B. zu fairen Arbeitsbedingungen, Beschäftigungsstandards, Umstrukturierung von Unternehmen und Betriebsübergangen, Maßnahmen der sozialen Sicherheit, Mindestlöhnen oder Tarifverträge bleiben daher vom Brexit unberührt. Wann allerdings Auswirkungen auf Handel und Investitionen messbar sind, bleibt unklar.

Jeder Vertragspartei bleibt es nach dem TCA unbenommen, künftig„das von ihr für angemessen erachtete Arbeits- und Sozialschutzniveau festzulegen" sowie „einen angemessenen Ermessensspielraum auszuüben (...) in Bezug auf die Zuweisung von Ressourcen für die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte". Inwiefern der britische Gesetzgeber künftig Modifikationen vornehmen wird, bleibt abzuwarten. Sollten jedoch entsprechende Regelungen Auswirkungen auf Handel oder Investitionen haben, stellt sich die spannende Frage, ob und wie die EU hierauf reagiert. Die vorgesehenen Maßnahmen reichen von der Konsultation des Partnerschaftsrats, der das Erreichen der Ziele des Abkommens überwacht (vgl. Art. INST. 1), über Schiedsverfahren bis hin zum Erlass von Strafzöllen.

b)  Fortgeltung multilateraler Arbeitsnormen und –übereinkünfte

EU und UK haben sich verpflichtet, weiterhin die international anerkannten grundlegenden Arbeitsnormen zu achten, zu fördern und sie wirksam umzusetzen. Dies gilt insbesondere für die Vereinigungsfreiheit und effektive Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen, die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit sowie die Beseitigung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf. Das Abkommen verpflichtet die Vertragsparteien, würdige Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen, insbesondere mit Blick auf Verdienst, Arbeitszeit, Mutterschaftsurlaub und sonstige Arbeitsbedingungen. Des Weiteren sind sie verpflichtet, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten sowie das Diskriminierungsverbot in Bezug auf die Arbeitsbedingungen auch für zugewanderte Arbeitskräfte durchzusetzen. Im TCA ist ferner geregelt, dass die Vertragsparteien sich regelmäßig über die jeweilige Situation und die Fortschritte in diesem Zusammenhang austauschen. IAO-Übereinkommen, die ratifiziert worden sind, sowie die verschiedenen Bestimmungen der europäischen Sozialcharta, die die Vertragsparteien als Mitglieder des Europarats angenommen haben, sollen weiterhin umgesetzt werden.

c)    Offene EU-Arbeitsrechtsrichtlinien

EU-Richtlinien, die bis zum 31.12.2020 erlassen wurden, aber von Großbritannien noch nicht umgesetzt sind, werden voraussichtlich noch in nationales Recht transformiert. In arbeitsrechtlicher Hinsicht relevant sind hierbei die Richtlinien zum Schutz von Whistleblowern (2019/1937/EU), zu transparenten und vorhersehbaren Arbeitsbedin­gungen (2019/1152/EU) und zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158/EU). Die Umsetzungsfristen dieser Richtlinien enden im Jahr 2022.

2. Einreise und vorübergehender Aufenthalt natürlicher Personen zu Geschäftszwecken

Das TCA enthält einige Regelungen für den grenzüberschreitenden Verkehr zu Geschäftszwecken.

Führungskräfte und Spezialisten können bis zu drei Jahren und Trainees bis zu einem Jahr in das UK einreisen. Wer ein Unternehmen im Gebiet der anderen Vertragspartei gründet, darf sich dafür bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten in dem anderen Vertragsstaat aufhalten - solange die Person u. a. keine Vergütung aus dem Staat, in dem das Unternehmen gegründet wird, erhält. Erbringer vertraglicher Dienstleistungen und Freiberufler können sich zwölf Monate oder für die Dauer des Vertrages, je nachdem, welcher Zeitraum kürzer ist, im jeweils anderen Vertragsstaat aufhalten.

Eine Einreise für kurze Zeit ist ohne Erfordernis einer Arbeitserlaubnis, wirtschaftlichen Bedarfsprüfung o. Ä. möglich, wenn Geschäftsreisende keine Vergütung im Einreisestaat erhalten, weder Waren noch Dienstleistungen an die breite Öffentlichkeit verkaufen bzw. er­bringen und - vorbehaltlich der in den Anhängen des Abkommens geregelten Ausnahmen - keine Verträge mit Verbrauchern geschlossen werden. Für alle gilt, dass spätestens ab dem 01.10.2021 der Personalausweis als Reisedokument nicht mehr akzeptiert wird und die Regelungen zur A1-Bescheinigung bestehen bleiben.

Für einen künftigen dauerhaften Aufenthalt in Großbritannien ist die Bewerbung für einen „settled status" erforderlich (punktebasiertes Einwanderungssystem). Auch für Briten in der EU sind nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitsgenehmigung erforderlich, die allerdings im Vergleich zu Staatsangehörigen anderer Drittstaaten unter erleichterten Voraussetzungen erteilt werden.

Fazit

Im Bereich des Arbeitsrecht haben sich EU und UK sichtlich bemüht, Regelungen zu finden, um auch nach dem Brexit den Austausch von Arbeitskräften zu gewährleisten. Trotzdem bleiben diese Regelungen hinter der zuvor geltenden europarechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit zurück: Geschäftsreisende können künftig für bestimmte Aufenthaltsdauern unbürokratisch in die EU bzw. das UK reisen. Länger andauernde Aufenthalte von Mitarbeitern werden aber deutlich aufwendiger.

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