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Rückrufpflicht bei wettbewerbsrechtlichem Unterlassungsanspruch

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Grenzen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungspflicht neu gesteckt. Im Falle des Vertriebsverbotes für ein bestimmtes Produkt ist das  betroffene Unternehmen nicht nur verpflichtet, zukünftig selbst keine weiteren Produkte mehr auszuliefern, sondern darüber hinaus auch, bereits an seine Abnehmer ausgelieferte Produkte zurückzurufen.

Hintergrund

Wer infolge eines Wettbewerbsverstoßes aufgrund einer Unterlassungserklärung oder aufgrund eines Gerichtsurteils zur Unterlassung einer bestimmten Handlung verpflichtet ist, muss alles unterlassen, was zu einem weiteren Wettbewerbsverstoß führen würde. Außerdem muss man alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verstöße zu verhindern. Anderenfalls kann der zur Unterlassung Verpflichtete auf Zahlung einer Vertragsstrafe oder eines Ordnungsgeldes in Anspruch genommen werden.

Einem Unternehmen war es nach einem Urteil des OLG München untersagt worden, ein Produkt nicht mehr unter einer bestimmten wettbewerbswidrigen Bezeichnung in Verkehr zu bringen. Nach Erlass dieses Urteils stellte der Kläger fest, dass die Produkte des beklagten Unternehmens auch weiterhin unter der beanstandeten Bezeichnung in Apotheken erhältlich waren. Der Kläger beantragte daher den Erlass eines Ordnungsmittels gegen die Schuldnerin des Unterlassungsanspruchs. Während das LG München I den Antrag noch zurückgewiesen hatte, verhängte das OLG München ein Ordnungsgeld in Höhe von 45.000 EUR gegen die Schuldnerin. Nach Ansicht des OLG hat die Schuldnerin dadurch gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, dass sie die Apotheken nicht zur Rückgabe der vor Erlass des Urteils ausgelieferten Produkte aufgefordert hatte.

Der Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 29.09.2016 – I ZB 34/15

Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG. Das Argument der Schuldnerin, dem Gläubiger stehe ausweislich des Tenors des Urteils lediglich ein Unterlassungs- und kein Beseitigungsanspruch zu, ließ der BGH nicht gelten. Auch die Verpflichtung zur Unterlassung umfasst nach Ansicht des BGH regelmäßig nicht nur die Unterlassung der verbotenen Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands. Der Gläubiger könne auch mit dem Unterlassungstitel die Beseitigung des Verletzungszustands verlangen. Es komme nicht darauf an, ob ein Unterlassungs- oder ein Beseitigungsanspruch oder beide Ansprüche zugleich geltend gemacht würden. Vielmehr sei die Schuldnerin auch aufgrund des Unterlassungstitels verpflichtet, durch den Rückruf des Produktes dafür zu sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von ihren Abnehmern nicht weiter vertrieben werden. Unerheblich ist nach Ansicht des BGH, dass für die Schuldnerin keine rechtliche Handhabe bestand, von den Apotheken die Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu verlangen. Es sei der Schuldnerin dennoch möglich und zumutbar, die Apotheken um Rückgabe der noch vorhandenen Produkte zu ersuchen.

Anmerkung

Mit seiner Entscheidung beendet der BGH den zwischen OLGen bestehenden Streit über den Umfang der Unterlassungsverpflichtung. Während das OLG Frankfurt noch wenige Tage vor der Entscheidung des BGH eine Rückrufpflicht des Schuldners verneint hatte, gingen das OLG Köln und OLG München vom Bestehen einer solchen Pflicht aus. Bereits in einer Entscheidung „Hot Sox“ hatte der BGH angedeutet, dass der Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung nicht nur den Vertrieb seines Produktes einstellen, sondern auch bereits ausgelieferte Produkte zurückrufen muss. Diese Rechtsprechung setzt der BGH nun konsequent fort, indem er die Unterlassungsverpflichtung des Schuldners grundsätzlich auch auf die Pflicht zum Rückruf bereits ausgelieferter Produkte erstreckt.

Für den Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung bedeutet diese Rechtsprechung des BGH eine erhebliche Ausweitung seiner Pflichten. Er muss nun nicht mehr nur in seinem eigenen Unternehmen gegebenenfalls durch entsprechende Information und Instruktion seiner Mitarbeiter dafür sorgen, dass der Vertrieb eines Produktes eingestellt wird. Darüber hinaus muss er sämtliche Händler, an die er sein Produkt zum Zwecke des Weiterverkaufs geliefert hat, zur Rückgabe der noch vorhandenen Produkte auffordern. Um den Rückruf der Produkte gegebenenfalls darlegen und beweisen zu können, sollte er schriftlich erfolgen. Zwar findet diese Verpflichtung ihre Grenze in der Möglichkeit und Zumutbarkeit entsprechender Handlungen. Allein das Anschreiben der Händler mit entsprechender Aufforderung wird jedoch nur in seltenen Fällen unmöglich oder unzumutbar sein, auch wenn die Geschäftsbeziehung zwischen dem Schuldner und seinen Abnehmern durch die Rückrufaktion empfindlich gestört werden kann. Umso wichtiger ist es für Produkthersteller, ihre Produkte und deren Verpackungen vor Inverkehrbringen auf ihre Rechtskonformität, insbesondere mit zwingenden Kennzeichnungsvorschriften z.B. wie im Bereich des Lebensmittelrechts, zu überprüfen oder überprüfen zu lassen.

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