stefan lammel gesellschaftsrecht 1.jpgDr. Ingo Reinke, Gesellschaftsrecht

Insolvenzanfechtung: Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit und Bargeschäft

Der BGH hat sich mit zwei Kernproblemen der Vorsatzanfechtung befasst: Wer als Anfechtungsgegner einmal Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit hatte muss beweisen, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wieder aufgenommen hat. Ansonsten wird im Anfechtungsprozess angenommen, dass er durchgehend Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte. Zum anderen bleibt der BGH dabei, dass bei bargeschäftsähnlichem Leistungsaustausch der Benachteiligungsvorsatz und die Kenntnis hiervon in der Regel entfallen, wobei Lieferungen unter verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt meist nicht bargeschäftsähnlich sind.

Hintergrund

Der Insolvenzverwalter einer GmbH machte gegen eine Lieferantin Ansprüche aus Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) geltend. Die Lieferantin hatte die Schuldnerin unter verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt beliefert. Schon 2005 hatte die Schuldnerin ihre Zahlungen einmal eingestellt und konnte einen Insolvenzantrag nur aufgrund von Stundungsvereinbarungen (u.a. mit der Lieferantin) vermeiden. Anschließend beglich die Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten bei der Lieferantin zunächst nur teilweise. Später gelang es ihr jedoch einmalig, die aufgelaufenen Verbindlichkeiten bei der Lieferantin vollständig auszugleichen. In der Folge beglich die Schuldnerin die Forderungen der Lieferantin wieder nur teilweise und der Zahlungsrückstand wuchs erneut auf fünfstellige Beträge an. Der Insolvenzverwalter verlangte diejenigen Zahlungen zurück, die die Lieferantin auf die zuletzt offen gebliebenen Forderungen seit 2007 erhalten hatte. Die Lieferantin verteidigte sich mit dem Argument, sie sei nach dem vollständigen Ausgleich ihrer Forderungen wieder von der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin ausgegangen und bei ihren Lieferungen habe es sich um bargeschäftsähnliche Leistungen gehandelt.

Der Beschluss des BGH vom 17.11.2016, Az. IX ZR 65/15

Der BGH bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, wonach der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners schon vorliegt, wenn dieser Zahlungen an einzelne Gläubiger leistet, nachdem die Zahlungsunfähigkeit schon drohte oder eingetreten war. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners von dieser Benachteiligungsabsicht wird wiederum vermutet, wenn dieser Kenntnis von Umständen hat, aus denen sich die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ergibt. Hierbei kann die Zahlungsunfähigkeit durch Indizien belegt werden, die eine Zahlungseinstellung des Schuldners nahelegen. Solche Indizien lagen schon nach der Zahlungseinstellung im Jahr 2005 vor und die Lieferantin hatte hiervon Kenntnis. Zur Widerlegung der Kenntnis von einer einmal vorhandenen Zahlungsunfähigkeit verlangt der BGH vom Anfechtungsgegner den Beweis, dass der Schuldner seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen hat und eine Zahlungsunfähigkeit nicht mehr vorlag. Der Anfechtungsgegner muss also beweisen, dass der Schuldner seine insgesamt gegenüber allen Gläubigern offenen Forderungen begleichen konnte. Der Ausgleich der Forderungen des Anfechtungsgegners selbst reicht nicht aus.

Zur Bargeschäftsähnlichkeit bestätigt der BGH, dass grundsätzlich der Benachteiligungsvorsatz als Voraussetzung der Vorsatzanfechtung entfallen kann, wenn für die Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in dessen Vermögen gelangt. Bei Lieferungen unter verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt kommt eine solche Gegenleistung aber regelmäßig nicht in Betracht, da die Übereignung des gelieferten Gegenstands als Gegenleistung an den Schuldner gerade nicht (unbedingt) erfolgt und damit der angefochtenen Zahlung nicht als unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht.

Anmerkung

Für Anfechtungsgegner wird es in der Regel kaum möglich sein, den vom BGH geforderten Beweis zu erbringen. Anders als der Insolvenzverwalter kann der Anfechtungsgegner nämlich nicht auf die Buchhaltungsdaten, Kontoauszüge und sonstige Geschäftsunterlagen des Schuldners zugreifen. Es gilt also, mögliche Insolvenzanfechtungen schon im Vorfeld zu vermeiden. Geschäfte mit Vertragspartnern in finanziellen Schwierigkeiten sollten daher stets als Bargeschäft abgewickelt werden. Hierzu ist die richtige Gestaltung von AGB und Verträgen von entscheidender Bedeutung, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. Ein möglichst umfassender Eigentumsvorbehalt ist bis zur Kenntnis einer finanziellen Krise wichtig und sinnvoll. Sind Anzeichen einer Krise erkennbar (z.B. wenn der Geschäftspartner nach Ratenzahlung oder Stundungen fragt), sind besondere Regelungen erforderlich, die einen bargeschäftsartigen Leistungsaustausch sicherstellen.

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