Dr. Sven Ufe Tjarks, Fachanwalt für Gesellschaftsrecht

Frankreich: Gerichtstandsvereinbarung gilt nicht bei Rupture Brutale

Frankreichs oberster Gerichtshof, die Cour de Cassation, hat entschieden, dass eine vertragliche Gerichtstandsklausel keine Anwendung findet, wenn eine Partei sich auf einen „brutalen“ Abbruch einer Geschäftsbeziehung beruft (Urteil Nr. 256 vom 1. März 2017 (15-22.675)).

Wird eine bestehende kaufmännische Geschäftsbeziehung in „brutaler“ Weise gekündigt, d.h. insbesondere ohne Beachtung einer angemessenen Kündigungsfrist, kann die andere Vertragspartei nach Art. L 442-6 Nr. 5 des französischen Handelsgesetzbuchs Schadensersatz verlangen. Siehe zu dieser „Rupture Brutale“ genannten Rechtsfigur bereits die Beiträge von Catherine Robin und Friedrich Niggemann sowie Nicola Kömpf.

Zur Entscheidung über Klagen wegen „Rupture Brutale“ sind in Frankreich nur acht spezialisierte Handelsgerichte berufen. Die Cour de Cassation entschied nun, dass diese Sonderzuständigkeit auch einer abweichenden Gerichtstandsvereinbarung im Vertrag zwischen den Parteien vorgeht.

Dem entschiedenen Fall lagen allerdings mehrere Verträge zugrunde. In einigen Verträgen war statt der Gerichtstandsklausel eine Schiedsklausel vorgesehen. Die Cour de Cassation räumte dieser Schiedsklausel wiederum Vorrang vor der gesetzlichen Zuweisung an die spezialisierten Handelsgerichte ein. Zur Entscheidung über den die Gerichtstandsklausel enthaltenden Vertrag verwies sie den Rechtsstreit jedoch an eines der spezialisierten Handelsgerichte. Nach der Entscheidung genügt es für deren Zuständigkeit, wenn sich die klagende Partei auf eine „Rupture Brutale“ beruft. Eine Prüfung, ob tatsächlich ein „brutaler“ Abbruch einer Geschäftsbeziehung vorliegt, sei für die Frage der Zuständigkeit nicht vorzunehmen.

Die Entscheidung hat nur für Rechtsstreitigkeiten Bedeutung, die vor staatlichen Gerichten in Frankreich ausgetragen werden, da die Regelungen des internationalen Zivilprozessrechts in grenzüberschreitenden Streitigkeiten Vorrang vor den nationalen Vorschriften haben. Wenn also ein Gericht außerhalb Frankreichs aufgrund Vereinbarung oder kraft Gesetzes zuständig ist, bleibt es bei den allgemeinen Regeln. Ein nationaler Rechtsstreit liegt allerdings auch dann vor, wenn eine französische Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns (im entschiedenen Fall handelte es sich um einen kanadischen Konzern) eine Geschäftsbeziehung mit einem französischen Geschäftspartner beendet. International aufgestellte Unternehmen, die in einer solchen Konstellation Überraschungen vermeiden wollen, sollten auch in den „nationalen“ Verträgen ihrer französischen Konzerntöchter entweder von vorneherein einen Gerichtstand wählen, an dem sich eines der acht sonderzuständigen Handelsgerichte befindet, oder Schiedsklauseln vorsehen.

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