barbara mayer gesellschaftsrecht 5.jpgDr. Oliver Wasmeier

Entzug des Vertrauens in den Vorstand durch die Aktionäre

Vorstände von Aktiengesellschaften werden nicht direkt von den Aktionären gewählt oder abberufen, sondern vom Aufsichtsrat. Die Aktionäre haben aber die Möglichkeit, dem Vorstand durch Beschluss der Hauptversammlung das Vertrauen zu entziehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Beschluss der Hauptversammlung nur dann unwirksam, wenn er offenbar unsachlich und willkürlich erfolgt. In einem neuen Urteil hat der BGH diese Rechtsprechung bestätigt und dahingehend präzisiert, dass der Beschluss nicht schon deshalb als offenbar unsachlich oder willkürlich zu qualifizieren ist, weil sich die Gründe für den Vertrauensentzug im Nachhinein als nicht zutreffend erweisen. Das gelte unabhängig davon, ob der Aufsichtsrat den Vertrauensentzug zum Anlass nehme, das Vorstandsmitglied abzuberufen.

Hintergrund

Hintergrund der Entscheidung war die Klage von einem der zwei Vorstandsmitglieder der beklagten Aktiengesellschaft. Deren einzige Aktionärin beschloss in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 29.02.2013, dem Kläger das Vertrauen zu entziehen. Vorangegangen waren Unregelmäßigkeiten bei einer Bewerbung der Aktiengesellschaft auf eine Ausschreibung. Auf der Grundlage des Hauptversammlungsbeschlusses fasste der Aufsichtsrat noch am selben Tag den Beschluss, die Bestellung des Klägers zum Vorstand der Beklagten zu widerrufen und seinen Dienstvertrag zu kündigen.

Dagegen wehrte sich der Kläger. Er machte geltend, dass nicht er für die benannten Unregelmäßigkeiten verantwortlich sei. Deshalb sei der Vertrauensentzug unsachlich und willkürlich, und deshalb sei auch die darauf beruhende Abberufung nicht wirksam. In der Beweisaufnahme ließen sich die gegen das Vorstandsmitglied erhobenen Vorwürfe tatsächlich nicht erhärten, so dass das Landgericht München I und anschließend das Oberlandesgericht München dem Kläger Recht gaben. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des OLG München allerdings auf und verwies zur erneuten Entscheidung zurück.

Das Urteil des BGH vom 15.11.2016 – Az. II ZR 217/15

Der BGH (Urteil des BGH vom 15.11.2016 – Az. II ZR 217/15) stellte fest, dass der Beschluss der Hauptversammlung einem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen, nicht denselben strengen Anforderungen unterliege wie ein Aufsichtsratsbeschluss. Er setze insbesondere weder eine Pflichtwidrigkeit noch einen wichtigen Grund voraus, sondern dürfe nur nicht auf offenbar unsachlichen Gründen beruhen. Offenbar unsachlich sei aber nur ein willkürlicher, haltloser oder wegen des damit verfolgten Zwecks sittenwidriger, treuwidriger oder sonstwie rechtswidriger Entzug des Vertrauens. Der nur möglicherweise oder erst nach längerer Prüfung als ungerechtfertigt erscheinende Vertrauensentzug sei nicht gemeint, sondern nur ein Vertrauensentzug, dessen Unsachlichkeit bei Beschlussfassung auf der Hand liege. Wenn die Hauptversammlung innerhalb dieser Grenzen zu der Auffassung gelange, ein Vorstandsmitglied sei wegen bestimmter Vorgänge nicht mehr tragbar, sei der Aufsichtsrat berechtigt, dessen Bestellung zu widerrufen und zwar auch dann wenn dem Vorstandsmitglied subjektiv kein Vorwurf zu machen war oder es sogar objektiv im Recht gewesen sein sollte.

Anmerkung

Es ist zu begrüßen, dass der BGH den weiten Beurteilungsspielraum, den der Gesetzgeber den Aktionären beim Vertrauensentzug einräumt, nicht beschneidet, indem nachträglich jeder Beschluss inhaltlich überprüft wird. Nicht umsonst spricht das Gesetz schließlich abstrakt vom „Vertrauen“ der Aktionäre. Als Kontrollinstanz des Aktionärswillens hat der Gesetzgeber nicht die Gerichte, sondern den Aufsichtsrat vorgesehen. Ihm obliegt es, den Aktionärswillen zum Wohle der Gesellschaft zu mediatisieren und zu entscheiden, ob er den Vertrauensentzug zum Anlass nimmt, den Vorstand abzuberufen oder nicht. Eine Abberufung ist nur dann unzulässig, wenn der Hauptversammlungsbeschluss offensichtlich willkürlich, haltlos oder wegen des damit verfolgten Zwecks sittenwidrig, treuwidrig oder sonstwie rechtswidrig ist. Dies liegt auch im Interesse des Vorstands. Denn für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Einzelheiten umstrittener Vorgänge ist die Hauptversammlung regelmäßig der falsche Ort.

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