Dr. Oliver WasmeierDr. Sven Ufe Tjarks, Fachanwalt für Gesellschaftsrecht

Der Countdown läuft: Neuregelung zur Kostentragung für Aus- und Einbaukosten

Zum 01.01.2018 wird das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ (BGBl. 2017 I, S. 969) in Kraft treten. Bestandteil des Gesetzes sind wesentliche Änderungen am BGB-Gewährleistungsrecht: Künftig sind die Kosten für Ein- und Ausbau einer mangelhaften Sache auch bei einem Kaufvertrag zwischen Unternehmern verschuldensunabhängig zu ersetzen. Im Vergleich zum noch geltenden Rechtsstand bedeutet dies eine deutliche Ausweitung der kaufrechtlichen Mängelhaftung des Verkäufers, die branchenunabhängig produzierende Betriebe und Händler in erheblichem Maße betrifft. Unternehmen sollten daher die bis zum Jahresende verbleibende Zeit nutzen, um sich optimal aufzustellen.

Hintergrund

Wird eine Kaufsache in eine andere Sache oder ein Gebäude eingebaut und stellt sie sich im Nachhinein als mangelhaft heraus, fallen oftmals erhebliche Kosten für den Austausch an. Nicht selten übersteigen die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache und den Einbau der zur Nacherfüllung gelieferten mangelfreien Sache den Kaufpreis um ein Vielfaches. Umso relevanter wird, wer in diesem Fall die Kosten für Ausbau und Einbau zu tragen hat. Dies ist bislang für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern (b2c) und Kaufverträge zwischen Unternehmern (b2b) unterschiedlich geregelt.

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus 2011 zur Auslegung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG) hat im b2c-Bereich der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung – und somit verschuldensunabhängig – die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen, die Ersatzsache einzubauen und die Kosten für beides zu tragen.

Für einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern gilt dies bislang nicht. Hier erhält der Käufer die Kosten für den Aus- und Einbau vom Verkäufer nur dann ersetzt, wenn der Verkäufer schuldhaft gehandelt hat. Dies scheidet jedoch regelmäßig in den Fällen aus, in denen die Kaufsache bereits mangelhaft vom Hersteller an den Verkäufer geliefert wurde. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) haftet der Verkäufer, der die Sache an den Werkunternehmer verkauft, nicht für ein Verschulden des Herstellers (vgl. BGH NJW 2008, 2837).

Dies wurde in der Vergangenheit vor allem für Handwerksbetriebe zum Problem: Hatten sie mangelhaftes Baumaterial gekauft und eingebaut, waren sie aufgrund des mit dem Besteller bestehenden Werkvertrags zum Ausbau und Einbau verpflichtet. Die hierfür entstandenen Kosten konnten sie aber beim Baustoffhändler mangels Verschulden nicht ersetzt verlangen.

Ab 01.01.2018: Verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten

Mit Inkrafttreten der Neuregelung ändert sich dies: Ab dem 01.01.2018 erstreckt sich der Nacherfüllungsanspruch des Käufers nach dem neu eingefügten § 439 Abs. 3 BGB n.F. einheitlich auch auf die Aus- und Einbaukosten. Somit steht nicht nur Verbrauchern, sondern auch Unternehmern künftig ein verschuldensunabhängiger Anspruch gegen den Verkäufer auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten zu.

Voraussetzung des Anspruchs ist lediglich, dass die Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck eingebaut oder an eine andere Sache angebracht worden ist. Außerdem ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Käufer beim Einbau der Sache den Mangel kannte oder wenn er den Mangel infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Zwischen Kaufleuten sind außerdem die handelsrechtlichen Prüf- und Rügeobliegenheiten zu beachten.

Flankierend: Regressanspruch in der Lieferkette

Folgerichtig weitet der Gesetzgeber auch die bestehenden Regelungen zum sog. Lieferantenregress aus (§ 445a BGB n.F.). Zum einen umfasst der sachliche Regressanspruch künftig auch die Aufwendungen für Aus- und Einbau, zum anderen finden die Regelungen zum Lieferantenregress auch dann Anwendung, wenn der Letztkäufer ein Unternehmer ist. Ziel des Gesetzgebers ist es, dass die bei Erfüllung der Nacherfüllungspflichten entstehenden Aufwendungen möglichst vom Verursacher des Mangels getragen werden.

Allerdings hat auch der Regressanspruch Grenzen. Zum einen besteht ein Anspruch nur dann, wenn im Verhältnis zum jeweiligen Vorlieferanten deutsches Kaufrecht Anwendung findet. Sitzt der Lieferant im Ausland und gilt eine ausländische Rechtsordnung oder das UN-Kaufrecht, so endet die Regresskette und der Verkäufer muss versuchen, etwaige Ansprüche nach dem anwendbaren ausländischen Recht gegen den Hersteller geltend zu machen. Auch wenn sein Lieferant insolvent ist, hat der Verkäufer das Nachsehen: Er muss die Aufwendungen für Aus- und Einbaukosten selbst zwar tragen, sein Regressanspruch ist aber weitgehend wertlos.

Besondere Regelung zur Verjährung

Für den Regressanspruch gilt eine besondere Verjährungsfrist (§ 445b BGB n.F.). Danach verjährt der Anspruch zwar grundsätzlich weiterhin innerhalb von zwei Jahren ab Ablieferung der Sache an den eigenen Kunden. Neu ist aber, dass der Anspruch frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt verjährt, in dem dieser die Ansprüche seines Abkäufers erfüllt hat. Bis dorthin ist die Verjährung gehemmt, auch wenn die ursprünglichen zwei Jahre schon abgelaufen sind. Bei mehrgliedrigen Lieferketten können sich diese Hemmungszeiten addieren und zu einer nicht unerheblichen Verlängerung des eigenen Haftungsrisikos führen.

Was ist Unternehmen zu raten, um sich zu schützen?

Händler und Zulieferer sind durch die Reform besonders betroffen. Sie trifft künftig die Pflicht, Aus- und Einbaukosten, die durch den mangelbedingt erforderlichen Austausch beim Endkunden entstehen, zu tragen. Umso wichtiger ist es für diese Unternehmen, sich optimal aufzustellen um sich vor den entstehenden Risiken zu schützen.

1. Vertragliche Regelung mit Kunden

Eine Option ist es zunächst, vertragliche Regelungen über die Kostentragung mit den eigenen Kunden zu vereinbaren.

Vorsicht jedoch bei Verwendung von AGB: Nach der im Rahmen der Reform neu eingefügten Regelung des § 309 Nr. 8 b) cc) BGB n.F. ist eine Klausel in AGB unwirksam, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer die Verpflichtung des Verkäufers ausgeschlossen oder beschränkt wird, die Aus- und Einbaukosten zu tragen oder zu ersetzen.

Dieses Klauselverbot ist zwar nur im b2c-Bereich unmittelbar anwendbar. Die Gesetzesbegründung geht aber davon aus, dass die Gerichte es über die Generalklausel des § 307 BGB grundsätzlich auch im b2b-Bereich anwenden werden. Dafür sprechen in der Tat gute Gründe. Bis zur gerichtlichen Klärung ist es daher am sichersten, anstatt entsprechender Regelungen in Lieferbedingungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen andere Wege zu wählen.

Zum Beispiel können Unternehmen Aufwendungsersatzansprüche im b2b-Verkehr individualvertraglich ausschließen. Auch die Wahl eines ausländischen Rechts kann im Einzelfall eine Alternative sein, wenn ein hinreichender Anknüpfungspunkt zu dem ausländischen Recht besteht. Praktisch ist eine individualvertragliche Lösung schwierig umzusetzen, denn die entsprechende Klausel muss im Einzelnen ausgehandelt sein, wofür die Rechtsprechung hohe Hürden aufstellt. Eine gute Vorbereitung und stringente Dokumentation sind daher Pflicht.

2. Vertragliche Regelung mit Lieferanten

Sitzt der eigene Lieferant im Ausland, muss im Einkauf sichergestellt werden, dass deutsches Recht (unter Ausschluss des UN-Kaufrechts) Anwendung findet oder der Lieferant sich jedenfalls ausdrücklich verpflichtet, etwaige Aufwendungen für Aus- und Einbau zu übernehmen. Macht der eigene Kunde Ansprüche geltend, kann sonst die Möglichkeit fehlen, beim Lieferanten Regress zu nehmen. Um den Rückgriff zu gewährleisten, kann auch eine Regelung in den Einkaufsbedingungen sinnvoll sein.

3. Versicherung

Um verbleibende Risiken abzusichern, sollten Unternehmer außerdem ihren Versicherungsschutz überprüfen und – soweit erforderlich – ergänzen.

4. Praktische Überlegungen

Neben der rechtlichen Absicherung kann die neue Rechtslage, je nach Produktart, auch Anlass geben, künftig schon bei der Entwicklung noch stärker auf eine Reduzierung von Ein-und Ausbaukosten zu achten. Eine flankierende Maßnahme kann es auch sein, die After-Sales-Organisation des eigenen Unternehmens so aufstellen, dass bei der Mängelbeseitigung der Ein- und Ausbau durch eigene Servicekräfte oder durch Dritte zu kalkulierbaren Kosten übernommen werden kann.

Da mit dem Jahreswechsel die Gesetzesänderung näher rückt, sollten sich alle Unternehmen aus produzierendem Gewerbe und Handel möglichst umgehend Gedanken machen, inwieweit sie durch die Neuregelung betroffen sind und was zur Vorbereitung getan werden muss.

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