Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für ArbeitsrechtStephanie Krüger, Arbeitsrecht

Arbeitsunfähigkeit: Keine Pflicht zur Teilnahme an Personalgesprächen

Nur in wenigen Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während dessen Arbeitsunfähigkeit anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen (Urteil des BAG vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15).

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war von Ende November bis Ende Februar arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber lud den Arbeitnehmer für den 6. Januar zu einem Personalgespräch im Betrieb ein, bei welchem weitere Beschäftigungsmöglichkeiten geklärt werden sollten. Der Arbeitnehmer sagte seine Teilnahme unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Auch einer erneuten Aufforderung zum Gespräch am 11. Februar kam der Arbeitnehmer nicht nach und weigerte sich auch, dem Arbeitgeber ein gewünschtes spezielles ärztliches Attest mit dem Inhalt, dass er krankheitsbedingt gerade an der Wahrnehmung des Termins gehindert sei, vorzulegen. Daraufhin mahnte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ab. Dieser ging gerichtlich gegen die Abmahnung vor.

Die Entscheidung des BAG

Das BAG gab der Klage des Arbeitnehmers statt. Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit könne der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur unter engen Voraussetzungen anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen. Zum einen müsse dafür ein dringender betrieblicher Anlass bestehen, der keinen Aufschub der Weisung auf die Zeit nach der Arbeitsunfähigkeit dulde, zum anderen müsse gerade die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers dringend erforderlich sein und schließlich müsse ihm dies auch zugemutet werden können.

Dabei stellt das BAG fest, dass der Arbeitgeber während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kein Weisungsrecht nach § 106 GewO hat, soweit dieses Pflichten betrifft, von denen der Arbeitnehmer befreit ist. Soweit aber Neben-, Rücksichtnahme- und Unterlassungspflichten betroffen sind, bleibt das Weisungsrecht auch während der Arbeitsunfähigkeit bestehen. Grundsätzlich bestehe daher auch bei Arbeitsunfähigkeit ein Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich der Anordnung von Personalgesprächen.

Dieses grundsätzlich nicht von der Arbeitsunfähigkeit berührte Weisungsrecht sei jedoch durch die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers auf die Rechte und Rechtsgüter des Arbeitnehmers begrenzt. Da möglicherweise die Gefahr einer Beeinträchtigung des Genesungsprozesses und einer dadurch bedingten Verlängerung des krankheitsbedingten Ausfalls bestehe, sei die Erteilung von Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken. Ansonsten habe der Arbeitgeber jede Weisung zu unterlassen.

Auch wenn ein dringender betrieblicher Anlass gegeben sei, müsse sich der Arbeitgeber bei seinen Weisungen in Bezug auf Art und Weise, Häufigkeit und Dauer der Inanspruchnahme am wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers orientieren.

Als Beispiel für eine zulässige Anweisung zu einem kurzen Personalgespräch wird der Fall genannt, dass der Arbeitnehmer über Informationen zu wichtigen betrieblichen Abläufen und Vorgängen verfügt, ohne deren Weitergabe die Fortführung der Geschäfte erheblich erschwert oder unmöglich würde. Aber selbst in einem solchen Fall des dringenden betrieblichen Anlasses sei es darüber hinaus nötig, dass das Gespräch nicht bis nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit aufschiebbar sei und dem Arbeitnehmer die Teilnahme an dem Gespräch zugemutet werden könne.

Zuletzt müsse auch gerade die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb notwendig sein, also eine Klärung auf dem schriftlichen oder elektronischen Weg nicht möglich.

Fazit

Meist werden diese hohen Voraussetzungen wohl nicht erfüllt sein, so dass ein Personalgespräch während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Regelfall nicht verpflichtend angeordnet werden kann. Überdies ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass er sich mit seiner Weisung in den dargestellten Grenzen bewegt.

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