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Drei-Minuten-Takt für Taxifahrer

Das ArbG Berlin hat mit Urteil vom 10.08.2017 (Az.: 41 Ca 12115/16) entschieden, dass ein Taxiunternehmen von einem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen kann, während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren.

Sachverhalt

Ein Taxifahrer hatte seinen Arbeitgeber auf Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für sogenannte Standzeiten verklagt. Das Taxameter des vom Taxifahrer genutzten Taxis hat die Besonderheit, dass nach einer Standzeit von drei Minuten ein akustisches Signal ertönt. Der Fahrer hat nach dem Ertönen des Signals zehn Sekunden Zeit, eine Taste zu drücken. Drückt er diesen Knopf, wird seine Standzeit vom Taxameter als Arbeitszeit aufgezeichnet. Drückt er den Knopf nicht, wird die darauf folgende Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst. Der Taxifahrer meint, ihm sei das Betätigen der Signaltaste nicht zumutbar und auch nicht immer möglich gewesen. Das verklagte Taxiunternehmen war nur bereit, die vom Zeiterfassungssystem als Arbeits- oder Bereitschaftszeit erfasste Zeit zu vergüten.

Entscheidungsgründe

Das ArbG Berlin hat dem Taxifahrer überwiegend Recht gegeben. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit sei, einen Fahrauftrag auszuführen, seien Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst und deshalb mindestlohnpflichtig. Die vom Taxiunternehmen getroffene Regelung bezüglich des Signalknopfes verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Dieses verbiete eine unverhältnismäßige Erfassung von Daten des Taxifahrers. Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitsbereitschaft des Taxifahrers zu kontrollieren, erfordere keine so enge zeitliche Überwachung. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage allerdings im Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Der Taxifahrer sei verpflichtet gewesen, diese einzuhalten. Dies sei ihm auch möglich gewesen, da er den Beginn und die Dauer der Ruhepausen selbst bestimmen konnte. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin kann das Taxiunternehmen Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

Hinweise für die Praxis

Die scheinbar wenig bedeutsame Entscheidung hat für die Taxi-Branche – vermutlich deutschlandweit – erhebliche Signalwirkung. Zu hoffen bleibt aber, dass das LAG Berlin-Brandenburg das erstinstanzliche Urteil zugunsten des Taxiunternehmens sowie im Interesse des Erhalts „redlicher Taxiunternehmen“ und folglich der Allgemeinheit revidiert. Die Branche hat derzeit nicht nur mit der Konkurrenz von Uber oder dem Mindestlohn, sondern insbesondere mit den „schwarzen Schafen“ in den eigenen Reihen zu kämpfen. Die ordnungsgemäße Beschäftigung und Bezahlung der Fahrer gebietet demnach u.a., die Fahrt- und Bereitschaftszeiten exakt zu messen und zu kontrollieren. Erfahrungsgemäß nutzen Fahrer nämlich ihre zuweilen langen Standzeiten zu außerdienstlichen Erledigungen, ohne dass der Fahrer dies der Zentrale meldet. Der Unternehmer hat daher durchaus ein sehr gewichtiges Interesse daran zu prüfen, ob der Fahrer sich tatsächlich bereithält. Ob die Taktung der eingeforderten Rückmeldung tatsächlich auf drei Minuten reduziert sein muss oder ein längerer Zeitraum dem berechtigten Anliegen der Taxiunternehmen in gleicher Weise gerecht wird, erscheint durchaus zwar diskutabel. Ohne eine derartige Kontrolle der Bereitschaftszeiten werden sich gesetzestreu verhaltende Taxiunternehmen jedoch aus tatsächlichen Gründen erhebliche Schwierigkeiten haben, sich überhaupt am Markt zu behaupten. Die Zahl der Unternehmen, die ihre Fahrer ohne Rücksicht auf Mindestlohn und Arbeitszeitgesetz „schwarz“ beschäftigen, ist weitaus höher als allgemein angenommen. Die vom ArbG Berlin nunmehr aufgestellte weitere Hürde wird diese Gruppe indes sicher nicht bewegen, ihre Fahrer ordnungsgemäß zu vergüten. Im Interesse der redlichen Taxiunternehmen und ihrer Arbeitnehmer sollte daher der vom ArbG Berlin reklamierte Datenschutz in diesem Kontext zurückstehen, damit die Bereitschaft des Taxifahrers während seiner Standzeit auch tatsächlich sichergestellt werden kann.

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