Sven Köhnen, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Verbrauchergeschäfte - Wer muss was beweisen?

In einem aktuellen Urteil hat der BGH entschieden, wer das Vorliegen eines Mangels beweisen muss, wenn sich dieser innerhalb von sechs Monaten nach dem Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs an einen Verbraucher zeigt.

Das Urteil vom 12.10.2016 (Az. VIII ZR 103/15) ist aus der Sicht eines Verkäufers nicht erfreulich, da es dessen Position im Gewährleistungsprozess schwächt. In dem entschiedenen Fall ging es um die Gewährleistung für einen gebrauchten Pkw. Nach fünf Monaten und einer vom Kläger absolvierten Laufleistung von rund 13.000 Kilometern funktionierte die Automatikschaltung nicht mehr einwandfrei, sodass der Kläger vom Kaufvertrag zurücktrat und die Rückzahlung des Kaufpreises verlangte.

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos, weil der Kläger nicht den ihm (nach der ehemaligen Rechtsprechung) obliegenden Beweis erbringen konnte, dass das Fahrzeug bereits bei der Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen hat. Denn entweder habe das Getriebe tatsächlich schon bei Gefahrübergang (also bei Übergabe) mechanische Veränderungen aufgewiesen, die im weiteren Verlauf zu dem eingetretenen Schaden geführt haben, oder der Kläger habe das Getriebe überlastet, sodass es sich um einen Bedienungsfehler handele. Bei einer solchen Fallgestaltung könne sich der Kläger auch nicht auf die zugunsten des Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen. Denn diese gelte gerade nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Wenn also nicht aufzuklären sei, ob bereits beim Gefahrübergang ein Mangel vorgelegen habe, gehe dies zulasten des Käufers. Die Ansicht der Vorinstanzen lag auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH.

Mit der aktuellen Entscheidung hat der BGH jedoch seine Rechtsprechung zur Beweislastumkehr zulasten des Handels geändert, um sie mit den Erwägungen in einem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg in Einklang zu bringen. Fortan müsse der Käufer weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache der mangelhafte Zustand zurückzuführen sei, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers falle.

Beweispflicht beim Händler

Das bedeutet im konkreten Fall, dass der Käufer nicht mehr beweisen muss, dass er keinen Bedienungsfehler begangen hat. Vielmehr muss nunmehr der Händler beweisen, dass der Schaden am Getriebe auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nach Auslieferung des Fahrzeugs eingetreten ist, beispielsweise durch den behaupteten Bedienungsfehler. Ob der Händler nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht diesen Nachweis überhaupt erbringen kann, bleibt abzuwarten, wahrscheinlich ist es nicht.

Die neue verbraucherfreundliche Rechtsprechung des BGH wird zukünftig für viele Gewährleistungsfälle erhebliche Relevanz haben. Die geänderte Auslegung des § 476 BGB hat zur Folge, dass sich die Beweislast vom Käufer auf den Verkäufer verschiebt. Das bedeutet, dass der Verkäufer nunmehr darlegen muss, dass der Mangel eben nicht schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. D. h., er hat zu beweisen, dass der Mangel auf ein Fehlverhalten des Verbrauchers zurückzuführen und ihm somit nicht zuzurechnen ist. Gelingt dieser volle Beweis hingegen nicht, dann greift die Vermutungswirkung zugunsten des Verbrauchers ein, und die Rechtsprechung vermutet den Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Der Verkäufer hat dann nur noch die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, dass der aufgetretene Mangel nicht mit der Art der Sache oder dem Mangel selbst vereinbar ist.

Zustand genau dokumentieren

Wenn ein Kfz-Händler sein Risiko nunmehr einschränken will, ist es ratsam, zukünftig die Beschaffenheit des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ausführlich und vollständig zu beschreiben und dem Käufer mitzuteilen. Denn wenn er mit dem Käufer eine ausführliche Beschaffenheitsvereinbarung getroffen hat, kann der Kfz-Händler das Risiko einer Rückabwicklung des Kaufvertrags mit oftmals nicht unerheblichen Zusatzkosten begrenzen. Dies wird insbesondere im Gebrauchtwagenhandel relevant, wo die Abgrenzung zwischen Mangel, Verschleißerscheinung oder Bedienungsfehler oftmals nicht leicht ist. Abseits hiervon kommt der Abdeckung möglicher Sachmängel durch Garantieversicherungen eine noch höhere Bedeutung zu.

Dies gilt umso mehr, als die mit dem Sachmangel zusammenhängenden Fragen regelmäßig die Einholung eines Sachverständigengutachtens während des Gerichtsverfahrens erfordern. Es ist daher stets mit erheblichen Kosten für die unterliegende Partei zu rechnen.

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