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Überwachungs- und Prüfpflichten der Anbieter auf Amazon

Der BGH hat sich in zwei Entscheidungen zur marken- und wettbewerbsrechtlichen Haftung von Anbietern auf Amazon geäußert. Die Entscheidungen führen im Ergebnis zu einer Ausweitung der Anbieterhaftung. Dem kann nur durch eine ständige Überwachung und Prüfung der eigenen Angebote begegnet werden.

Hintergrund

Die Internet-Handelsplattform Amazon Marketplace ordnet die angebotenen Produkte über sogenannte ASIN-Codes. Hierbei handelt es sich um individuelle Codes, mit denen die einzelnen Artikel identifiziert werden können. Ein Anbieter, der ein bislang noch nicht auf Amazon gelistetes Produkt anbieten möchte, gibt dort die entsprechenden Produktinformationen ein. Die Informationen sind dann für die Kaufinteressenten als digitale Katalogseite mit einem Foto des Produkts abrufbar. Das Produkt und die Produktinformationen des ersten Anbieters werden von Amazon unter einer neuen ASIN geführt.

Bietet später ein anderer Händler das gleiche Produkt ebenfalls auf Amazon an, muss er sich an den bereits bestehenden ASIN-Code "anhängen". Dies hat zur Folge, dass spätere Angebote von Amazon regelmäßig auf der bereits erstellten Katalogseite des ersten Anbieters gelistet werden. Hier wird die Gesamtzahl der Angebote aufgeführt, die sich – aufgeteilt nach neu und gebraucht – letztlich nur noch im Preis unterscheiden.

Verkäufer, die einen ASIN-Code nutzen, haben die Möglichkeit, die ursprünglich gegebene Produktbeschreibung nachträglich zu verändern, ohne dass es hierzu der Zustimmung des ursprünglichen Erstellers bedürfte oder dass dieser Einflussmöglichkeiten hätte. Im Ergebnis führt dies dazu, dass nachträgliche Änderungen in der Produktbeschreibung nicht nur das eigene Angebot verändern, sondern die Angebote aller Anbieter auf Amazon, die über einen ASIN-Code verbunden sind. Führt eine nachträgliche Angebotsänderung zu einer Verletzung des Marken- oder Wettbewerbsrechts, wirkt sich dies zwangsläufig auf alle über den ASIN-Code verbundenen Angebote aus.

Entscheidungen des BGH

Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob Anbieter auch dann für die Rechtsverletzungen ihrer Angebote haften, wenn sie die Veränderungen an den Produktinformationen nicht selbst vorgenommen haben.

Im ersten Fall (Az. I ZR 140/14) wurde in einem Angebot für eine Computer-Mouse die ursprüngliche Herstellerbezeichnung entfernt und stattdessen ein als Marke geschütztes Zeichen eingefügt. Gestützt auf eine Markenverletzung wandte sich nun deren Inhaber gegen die Benutzung des nachträglich eingefügten Zeichens. Im zweiten Fall (Az. I ZR 110/15) beanstandete ein Uhrenhändler das Angebot eines Mitbewerbers, in dem eine nicht mehr zutreffende unverbindliche Herstellerpreisempfehlung veröffentlicht war, als irreführend und begehrte Unterlassung sowie die Erstattung von Abmahnkosten. Hier bestand zusätzlich die Besonderheit, dass allein Amazon Angaben zu unverbindlichen Preisempfehlungen – mit Wirkung für alle über den ASIN-Code verbundenen Angebote – einstellen und verändern kann.

In beiden Fällen hat der BGH eine marken- bzw. wettbewerbsrechtliche Haftung der Anbieter bejaht. Die Haftung bestehe danach, obwohl die Angebote inhaltlich nicht vollständig von den Anbietern beherrschbar sind. Zur Begründung einer Haftung des Anbieters genüge es nach Ansicht des BGH, dass der Händler die Online-Plattform in Kenntnis der insoweit fehlenden Beherrschbarkeit nutzt und darauf in eigenem Namen ein Angebot veröffentlicht. Es sei unter den Händlern bekannt, dass fehlerhafte Angaben oder fremde Marken in das Angebot integriert werden können. Weiterhin lege Amazon den Nutzern in seinen AGB die Pflicht auf, die für ihre Angebote angezeigten Produktinformationen und deren Rechtmäßigkeit regelmäßig zu kontrollieren. Dass es dem Händler an einer tatsächlichen Möglichkeit der inhaltlichen Einflussnahme fehlt, spiele demgegenüber keine Rolle.

Auswirkungen

Die Linie des BGH führt zu erheblichen wirtschaftlichen Risiken auf Seiten der Anbieter. Sie haben für Markenverletzungen und Wettbewerbsverstöße in ihren Angeboten – und damit auch für entsprechende Abmahnkosten – einzustehen, obwohl sie selbst das beanstandete Verhalten nicht veranlasst haben. Offen ist derzeit, wo die Grenzen der vom BGH auferlegten Überwachungs- und Prüfpflichten zu ziehen sind. Da Angebote auf Amazon für viele Händler faktisch unerlässlich sind, werden Händler nicht umhin kommen, zusätzliche Kapazitäten für die Dokumentation der Kontrolle und Überwachung der eigenen Angebote zu schaffen, um den höchstrichterlichen Anforderungen bestmöglich zu entsprechen. Dies wird mittelfristig dazu führen, dass kleine Anbieter aufgrund der damit verbundenen Risiken Amazon meiden werden, sofern Amazon selbst nicht Kontrollen zum Schutz der Anbieter einführt.

Nicht zu entscheiden hatte der BGH bislang darüber, ob und inwieweit ein Regress abgemahnter Händler bei Amazon oder dem Anbieter, der die nachträgliche Veränderung vorgenommen hat, in Betracht kommt. Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass über diese "Hintertür" Schadensersatzansprüche in beachtlicher Höhe auf den Plattformbetreiber bzw. die handelnden Anbieter zukommen könnten.

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