Stephanie Krüger, Fachanwältin für ArbeitsrechtDr. Jan Henning Martens, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Neues zur Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern

Ein Minderheitsgesellschafter, der als Geschäftsführer bei „seiner“ GmbH angestellt ist, unterliegt den Weisungen der Gesellschafterversammlung; er ist deshalb nicht selbständig tätig und unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Diese Folge lässt sich nach zwei neuen Entscheidungen des Bundessozialgerichts weder durch einen Stimmbindungsvertrag mit dem Mehrheitsgesellschafter noch durch Vetorechte im Geschäftsführeranstellungsvertrag vermeiden.

Das Urteil des BSG vom 11.11.2015, Az. B 12 KR 10/14 R

Im ersten Fall war der Kläger zu 30 % an einer GmbH beteiligt. Der andere Gesellschafter hielt 70 % an der GmbH. Beide Gesellschafter waren einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer. Im Anstellungsvertrag des Minderheitsgesellschafters war vereinbart, dass er ein Vetorecht bei der Bestellung anderer Geschäftsführer sowie bei bestimmten Maßnahmen hatte. Er stundete allerdings sein Gehalt für das erste Jahr der Anstellung und gewährte der Gesellschaft hierdurch ein zinsloses Darlehen. Deshalb berief er sich gegenüber der Rentenversicherung auf sein Unternehmerrisiko.

Das BSG ließ dieses begrenzte Unternehmerrisiko jedoch nicht für die Begründung einer Selbständigkeit gelten. Es führte aus, dass der Geschäftsführer dennoch den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliege. Die Gesellschafterversammlung werde von dem anderen Gesellschafter kontrolliert. Außerdem gelte das Vetorecht nur für bestimmte Beschlussgegenstände. Der Anstellungsvertrag sei zudem ordentlich und darüber hinaus auch jederzeit aus wichtigem Grund kündbar.

Das Urteil des BSG vom 11.11.2015, Az. B 12 KR 13/14 R

Im zweiten Fall war die Klägerin an einer GmbH zu 40 % beteiligt. Ihr Mann hielt 60 %. Die beiden Gesellschafter vereinbarten in einem schriftlichen Stimmbindungsvertrag, dass sie ihre Stimmen nur einheitlich abgeben würden. Die Klägerin habe die Stimmführerschaft (und konnte daher über die Abstimmung entscheiden), der Ehemann räumte ihr ferner eine Vollmacht über die von ihm gehaltenen Stimmrechte ein. Die Laufzeit des Stimmbindungsvertrages war nicht beschränkt. Es war lediglich die gesetzlich zwingende Kündigung aus wichtigem Grund vereinbart. Die Klägerin wurde danach als Prokuristin in der GmbH angestellt.

Gegenüber der Rentenversicherung und dem Gericht trug die Klägerin vor, sie sei aufgrund des Stimmbildungsvertrages selbständig und nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Das BSG folgte der Auffassung der Klägerin nicht. Der Stimmbindungsvertrag könne jederzeit zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden. Stimmbindungsverträge könnten außerdem nach § 723 BGB möglicherweise so gut wie jederzeit auch ordentlich gekündigt werden. Im Konfliktfall – der einen zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund darstellen würde – komme so dem Ehemann die entscheidende Rolle zu, der als Geschäftsführer der Klägerin Weisungen erteilen könnte. Die Klägerin hätte dann nach Beendigung des Stimmbildungsvertrages auch keine Möglichkeit, diese Weisungen in der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

Anmerkung

Die erste Entscheidung überrascht nicht. Der Geschäftsführer steht hierarchisch unter der Gesellschafterversammlung, so dass begrenzte Vetorechte in einem kündbaren Anstellungsvertrag keine Selbständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne begründen können. Auch die zweite Entscheidung ist nachvollziehbar, denn im Krisenfall wäre die Klägerin den Weisungen ihres Mannes unterworfen. Insoweit lässt das BSG nicht genügen, dass die Vereinbarung noch Bestand hatte. Das BSG betrachtet auch hypothetische Änderungen, um die Selbstständigkeit zu beurteilen. Diese Betrachtung liegt auf einer Linie mit der jüngeren BSG-Rechtsprechung. Bereits seit der „Schönwetter“-Entscheidung des BSG (29.08.2012, Az. 12 KR 25/10 R) ist eine klare Tendenz der Rechtsprechung zu einer strengeren Bewertung der Selbständigen-Eigenschaft zu erkennen.

Auf der Grundlage dieser neuen Entscheidungen werden Betriebsprüfer voraussichtlich verschärft Minderheitsgesellschafter ins Visier nehmen, die nicht sozialversicherungspflichtig für die Gesellschaft tätig sind. Eine Sozialversicherungspflicht lässt sich bei einem angestellten Minderheitsgesellschafter nur rechtssicher ausschließen, wenn die Stimmrechtsbindung direkt im Gesellschaftsvertrag geregelt wird. Denkbar ist auch, dem Geschäftsführer umfassende Vetorechte im Gesellschaftsvertrag einzuräumen.

Ein Statusfeststellungsverfahren bringt zwar Sicherheit für die Betroffenen, begründet allerdings die Gefahr von hohen Nachforderungen bei Ablehnung der Sozialversicherungsfreiheit.

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