MartensHolger Hiss, Gesellschaftsrecht

Gesellschafterbeschluss entgegen der GmbH-Satzung – und dann?

Verstößt ein GmbH-Gesellschaftsbeschluss gegen die Satzung, ist der Beschluss grundsätzlich unwirksam. Das gilt nur dann nicht, wenn (i) der Beschluss notariell beurkundet und im Handelsregister eingetragen oder mit Wirksamwerden des Beschlusses die Satzung entsprechend geändert wurde oder (ii) der Beschluss nur punktuell und nicht dauerhaft die Satzung durchbricht. Allerdings sind die Kriterien für eine punktuelle Satzungsdurchbrechung unklar.

Angesichts der hohen Gestaltungsfreiheit im GmbH-Recht sind Gesellschafter einer GmbH oft der Meinung, dass sie durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss auch einmal von der Satzung abweichen können, ohne diese gleich zu ändern. In der juristischen Fachliteratur wird zwar diskutiert, ob man von der Einhaltung der Formerfordernisse bei solchen „satzungsdurchbrechenden Beschlüssen“ möglicherweise absehen könne. Die für die gesellschaftsrechtliche Praxis maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung verfolgt jedoch eine strenge Linie. Im Grundsatz ist ein solcher Beschluss nur bei Einhaltung der Anforderungen an eine Satzungsänderung (i.d.R. 75 %-Mehrheit, Beurkundung, Eintragung im Handelsregister) wirksam. Allenfalls bei „punktuellen“ Satzungsdurchbrechungen könne auf die Registereintragung verzichtet werden, notariell zu beurkunden sei der Beschluss in jedem Falle. Lediglich „punktuell“ sind satzungsdurchbrechende Beschlüsse, deren Wirkung nicht über die betreffende Maßnahme hinausgeht (z.B. einmalige Abweichung von Bilanzierungsvorschriften für einen bestimmten Abschluss). Sogenannte „zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechungen mit dauerhafter Wirkung sind in jedem Fall notariell zu beurkunden und in das Handelsregister einzutragen (z.B. Gewinnverwendungsbeschlüsse oder eine dauerhafte Befreiung von einem Wettbewerbs- oder Nebentätigkeitsverbot).

Für die Einordnung als „punktuelle“ oder „zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechung hat die Rechtsprechung bislang keine verlässlichen Kriterien aufgestellt, so dass eine hohe Unsicherheit besteht, wann eine „zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechung vorliegt. Sicherheitshalber sollten die Gesellschafter daher immer die Anforderungen an „zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechungen befolgen.

Das OLG Düsseldorf hat diese Rechtsprechung jüngst bestätigt (Beschluss vom 23.09.2016, Az. I-3 Wx 130/15) und entschieden, dass die Regelungen zur allgemeinen Vertretungsbefugnis von Liquidatoren als zustandsbegründende Regelungen entweder in der Satzung oder im Handelsregister durch Eintragung des beurkundeten satzungsdurchbrechenden Beschlusses festgehalten sein müssen. In dem betreffenden Fall sah die Satzung einer GmbH keine allgemeine Vertretungsregelung für die Liquidatoren vor. Deshalb hatten die Gesellschafter privatschriftlich und ohne Einbindung eines Notars die Erweiterung der Satzung um eine allgemeine Vertretungsregelung für die Liquidatoren beschlossen. Die Liquidatoren sollten wie die Geschäftsführer auch durch einfachen Gesellschafterbeschluss von § 181 BGB befreit werden können.

Da die allgemeine Vertretungsregelung einen dauerhaften Zustand begründe (die Befreiung von § 181 BGB wirke schließlich für eine Vielzahl möglicher Rechtsgeschäfte), sei der Beschluss nach Ansicht des OLG Düsseldorf entweder notariell zu beurkunden oder gleichzeitig die Satzung zu ändern. Geschehe dies nicht, sei ein privatschriftlicher Gesellschafterbeschluss über der Befreiung von § 181 BGB jedenfalls unwirksam, da er inhaltlich nicht von der bestehenden Satzung gedeckt sei. Da im vorliegenden Fall die Satzungsänderung nicht notariell beurkundet wurde, liege gerade keine wirksame Satzungsgrundlage für diesen Beschluss vor und die Vertretungsregelung könne nicht eingetragen werden.

Die Gesellschafter hätten sich viele Unannehmlichkeiten gespart, wenn sie in der Satzung bereits bei Gründung geregelt hätten, dass die für Geschäftsführer geltenden Vertretungsregeln für Liquidatoren entsprechend gelten.

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