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Frankreich: Vorsicht bei der Beendigung einer Handelsbeziehung

Laut Art. L. 442-6, I, 5° des französischen HGB (Code de Commerce) darf eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht in „brutaler Weise" beendet werden. Bei Zuwiderhandeln haftet der Geschäftspartner für den daraus entstandenen Schaden und kann zusätzlich auf Antrag des französischen Wirtschaftsministeriums zu einem Bußgeld in Höhe von maximal 2 Millionen Euro oder 5% seines in Frankreich erzielten Umsatzes verurteilt werden.

1. Welche Arten von Geschäftsbeziehungen sind von dieser Vorschrift betroffen?

Jede Art von Geschäftsbeziehung, unbeachtet dessen, ob sie auf einem schriftlichen Vertrag oder lediglich auf sukzessiven Bestellungen oder Lieferungen beruht.

Ein schriftlicher Vertriebsvertrag ist daher nicht notwendig. Mündliche Vereinbarungen oder konkludentes Verhalten sind ausreichend.

2. Was muss man unter Beendigung in „brutaler Weise" verstehen?

Eine sogenannte „brutale" Beendigung liegt vor, wenn die Geschäftsbeziehung ohne Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist beendet wurde.

3. Wie berechnet sich eine „angemessene Kündigungsfrist"?

Diese ergibt sich aus der Dauer der Geschäftsbeziehung, sowie ggf. aus branchenübergreifenden Vereinbarungen, aus Investitionen, die der französische Geschäftspartner ggf. getätigt hat, um den Vertrieb zu steigern, aus der Nutzung eines Markenzeichens, aus der eventuellen Exklusivität der Geschäftsbeziehung u.v.m.

4. Wie berechnet sich der Schadensersatzanspruch?

Dieser ergibt sich aus der Bruttomarge, die der Geschäftspartner verloren hat, multipliziert mit der Anzahl der Monate, die einer angemessenen Kündigungsfrist entsprochen hätten.

5. Ist es möglich, vertraglich eine angemessene Kündigungsfrist zu vereinbaren?

Nein, denn grundsätzlich hat der Richter immer die Möglichkeit, die Kündigungsfrist an die Tatsachen anzupassen.

6. Kann man durch die Vereinbarung deutschen Rechts dieses Haftungsrisiko vermeiden?

Leider nicht, da es sich bei Art. L. 442-6 des französischen HGB um eine sogenannte Bestimmung des „ordre public" handelt, die zwingend anwendbar ist, auch wenn der Vertrag einem anderen Recht als dem französischen unterliegt.

Außerdem ist zu beachten, dass es sich nach französischem Recht um eine deliktische Haftung handelt, aus der sich ein Gerichtsstand am Ort des erlittenen Schadens ergibt, d.h. am Sitz des französischen Geschäftspartners.

7. Gilt diese Regelung auch bei einer Teilbeendigung oder Reduzierung des Auftragsvolumens oder bei einer wesentlichen Änderung der Geschäftsbeziehung (z.B. wichtige Tarifänderung, Streichung des Jahresbonus', usw.)?

Ja, bei jeder wesentlichen Änderung der Vertragsbedingungen kann die Partei, der einseitig die Änderung auferlegt wird, sich auf Art. L. 442-6 des französischen HGB berufen und Schadensersatz geltend machen.

Schlussfolgerung

Sollte die Beendigung einer irgendwie gearteten Geschäftsbeziehung mit einem französischen Unternehmen in Betracht gezogen werden, ist absolute Vorsicht geboten.

Eine fristlose Beendigung ist nur möglich, wenn dem Geschäftspartner ein schwerer Fehler nachzuweisen ist.

Wirtschaftliche Gründe (Umsatzrückgang, Restrukturierung des Vertriebs, etc.) sind nicht ausreichend, um eine unzureichende Kündigungsfrist zu rechtfertigen.

Bevor eine Kündigung ausgesprochen, die Bestellungen oder Lieferungen reduziert, die Vertriebskanäle verändert werden oder ähnliches, ist es dringend ratsam, die angemessene Kündigungsfrist festzustellen, dann schriftlich zu kündigen und während der Kündigungsfrist die Geschäftsbeziehung zu den bestehenden Bedingungen fortzuführen.

Jedes Zuwiderhandeln kann zu sehr hohen Schadensersatzansprüchen führen.

Nicola Kömpf
Alerion avocats, Paris

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