Dr. Frank Jungfleisch, GesellschaftsrechtSebastian Hoegl, Gesellschaftsrecht

EuGH entscheidet erneut zur Urheberrechtsverletzung durch Setzen eines Links

Das Setzen eines Links auf unter Verstoß gegen das Urheberrecht im Internet veröffentlichte Inhalte ist dann keine „öffentliche Wiedergabe“ und somit keine Rechtsverletzung, wenn der Verlinkende die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung des Inhalts nicht kannte oder nicht kennen musste. Handelt er in Gewinnerzielungsabsicht, so wird seine Kenntnis vermutet.

Sachverhalt

Die Klägerin ließ in ihrem Auftrag urheberrechtlich geschützte Fotografien anfertigen. Die Beklagte, die eine niederländische Webseite betreibt, erhielt von anonymer Seite einen Link zu einer australischen Webseite, auf der die Fotografien noch vor ihrer Veröffentlichung durch die Klägerin abzurufen waren. Die Beklagte veröffentlichte online einen Artikel, der auch den Link zu den Fotografien beinhaltete. Der Aufforderung der Klägerin, den Link zu entfernen, kam sie nicht nach. Nachdem die Fotografien auf der verlinkten australischen Webseite gelöscht wurden, verlinkte die Beklagte eine andere Webseite, die die Fotografien ebenfalls enthielt.

Im darauf folgenden Rechtsstreit ersuchte der niederländische Kassationshof den EuGH um Klärung der Frage, ob das Setzen eines Links eine urheberechtlich relevante „öffentliche Wiedergabe“ sei, die nur durch den Inhaber eines Nutzungsrechts erfolgen darf.

Die Entscheidung des EuGH vom 8. September 2016, Az. C-160/15

Der EuGH hält grundsätzlich an seiner Entscheidung vom 21.10.2014 (Az. C-348/13) fest, wonach jedenfalls dann keine „öffentliche Wiedergabe“ durch das Verlinken auf fremde Webseiten vorliege, wenn das geschützte Werk vorher durch den Inhaber des Urheberrechts frei zugänglich gemacht wurde.

Ungeklärt war bislang allerdings die Frage, wie es sich bei der Verlinkung von rechtswidrig, ohne Zustimmung des Rechteinhabers, veröffentlichten Inhalten verhält. Nach Auffassung des EuGH liegt auch in diesem Fall kein Akt der „öffentlichen Wiedergabe“ vor, solange der Verlinkenden nicht weiß oder wissen muss, dass es sich um rechtswidrig veröffentlichte Inhalte handelt. Dabei ist der EuGH aber der Auffassung, dass denjenigen, der einen Link mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, erhebliche Nachforschungspflichten treffen. Er muss nachweisen, dass er nicht wusste oder nicht wissen musste, dass er auf einen urheberrechtswidrigen Inhalt verlinkt.

Anmerkungen

Die Entscheidung bringt nur auf den ersten Blick Rechtssicherheit hinsichtlich des erlaubten Verlinkens von Inhalten. Für den nicht gewerblich handelnden Internetnutzer stellt sie eine Erleichterung dar, da er nicht mehr Gefahr läuft, fahrlässig Urheberrechtsverletzungen zu begehen.

Auf der anderen Seite steht aber die große Zahl der Webseitenbetreiber, die mit Gewinnerzielungsabsicht handelt. Wie diesen Webseitenbetreibern der Nachweis gelingen soll, dass sie die Urheberrechtswidrigkeit nicht kannten oder nicht kennen mussten, erläutert der EuGH nicht. Er lässt auch offen, ab wann eine solche Gewinnerzielungsabsicht vorliegen soll. Es ist nicht klar, ob bereits einzelne Werbebanner auf der Webseite hierfür ausreichen, ob ein bestimmter Umfang an Einnahmen erforderlich ist oder ob sich die Gewinnerzielungsabsicht auf den konkreten Link selbst beziehen muss.

Der EuGH hat sich bei seiner Entscheidung ersichtlich vor allem auf Billigkeitserwägungen verlassen, die dem Urheberrecht eigentlich fremd sind. Zudem hat der EuGH zwar die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit als Grundrechte angesprochen (erstaunlicherweise aber nicht die Pressefreiheit), unterlässt aber die gebotene Abwägung dieser Grundrechte.

Kommerziellen Betreibern von Webseiten und Unternehmen mit eigenem Internetauftritt kann deshalb nur geraten werden, weiterhin äußerst vorsichtig bei Verlinkungen zu sein. In der Praxis wird eine Nachfrage bei dem jeweiligen Rechteinhaber oftmals kaum möglich sein und ist, selbst wenn sie möglich ist, sehr umständlich. Unklar ist zudem, ob die Vermutung der Kenntnis oder des Kennenmüssens durch eine solche Nachfrage schon widerlegt werden kann. Nicht zuletzt wird kaum überprüfbar sein, ob derjenige, auf dessen Inhalt verlinkt ist, auch tatsächlich die erforderlichen Nutzungsrechte besitz. Selbst bei der Verlinkung auf vermeintlich „seriöse“ Quellen verbleibt somit ein erhebliches Risiko.

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