Martens

Brexit und Produktzulassungen: Zurück zur Kleinstaaterei?

Eine wesentliche Errungenschaft des gemeinsamen Markts ist die Angleichung und die gegenseitige Anerkennung von Produktzulassungen. Bei einem Brexit könnte das Vereinigte Königreich das Rad insoweit zurückdrehen, was den grenzüberschreitenden Handel erheblich behindern würde.

Ein Brexit hätte auch Auswirkungen auf die gegenseitige Anerkennung der Produktsicherheit für zahlreiche Warengruppen. Maßgeblich hierfür ist der sogenannte „New Approach“, der maßgeblich von der Rechtsprechung des EuGH beeinflusst wurde. Nur in Ausnahmefällen dürfen EU-Mitgliedstaaten in anderen Mitgliedstaaten in Verkehr gebrachte Produkte nicht anerkennen. Zahlreiche Harmonisierungsvorschriften schaffen ein garantiertes Schutzniveau hinsichtlich der wesentlichen Zulassungsanforderungen und regeln Anforderungen an die Produkte, Notifizierungsverfahren für Benannte Stellen, die Akkreditierung, die Konformitätsbewertungsverfahren in Form einzelner Module, die Marktüberwachung und schließlich die Bedeutung und Anerkennung der CE-Kennzeichnung. Dies betrifft etwa die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die Sicherheit von Spielzeug und Maschinen, die elektromagnetische Verträglichkeit sowie die Sicherheit von Aufzügen oder Medizinprodukten.

Wird zum Beispiel ein Medizinprodukt vom Hersteller und der gegebenenfalls einzubindenden Benannten Stelle (die derzeit auch ihren Sitz in UK haben kann) als im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen stehend bewertet, darf der Hersteller die CE-Kennzeichnung auf dem Produkt anbringen. Das Produkt darf dann in der EU in Verkehr gebracht werden – zusätzlich im EWR, der Schweiz und Drittländern wie der Türkei, die entsprechende Abkommen mit der EU getroffen haben. Ohne entsprechende Abkommen werden künftig die Produkte weder gegenseitig anerkannt, noch müssen für UK vorgesehene Produkte nach europäischem Recht ein CE-Kennzeichen tragen. Außerdem werden die Benannten Stellen mit Sitz in UK in diesem Fall keine Produktbewertungen für den Europäischen Markt durchführen können, so dass die Hersteller frühzeitig über den Wechsel der Benannten Stelle nachdenken sollten. Eine Re-Zertifizierung könnte etwa schon durch Benannte Stellen mit Sitz außerhalb von UK erfolgen, bei Antragstellung sollte eine entsprechende Verzögerung einkalkuliert werden.
Bei Vertriebsverträgen ist ferner zu beachten, dass für UK die Zuständigkeit der Vertragspartner für das Einholen der Zulassung bzw. der notwendigen Kennzeichnungen ausdrücklich geregelt werden sollte. In der Regel wird dies dem Hersteller obliegen, kann aber auch dem Händler übertragen werden.

Auswirkungen hat der Brexit auch auf das Meldesystem für bestimmte Rückrufe (RAPEX), dem nur EU- Staaten angeschlossen sind. Entsprechende Systeme bestehen auch für Lebensmittel, Arzneimittel und Medizinprodukte. Bislang wird hierdurch der Informationsaustausch der europäischen Behörden koordiniert. Nach einem Brexit sind die UK-Behörden davon ausgeschlossen und Hersteller werden sich mit dem nationalen Folgesystem beschäftigen und die Meldungen ebenfalls (ggfs. über die zuständigen Behörden) in dieses System einspeisen müssen. Auch die Zuständigkeit der Behörden zur Koordinierung von Produktwarnungen und Rückrufen wird sich ohne weitere Vereinbarung ändern, da bislang auf Grund der europäischen Regelungen die für den Hersteller zuständige Behörde federführend ist – künftig könnte daneben die britische Behörde zuständig sein. Entsprechendes gilt auch für Arzneimittel mit einer EU-Zulassung etwa im zentralisierten Verfahren. Ohne entsprechende Abkommen würde diese Zulassung in UK nicht anerkannt, und auch britische Zulassungen würden nicht in der EU anerkannt.

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