Dr. Albert Schröder, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für SteuerrechtStephanie von Riegen, Gesellschaftsrecht

Amtsniederlegung in der Krise

Die Amtsniederlegung des Alleinvorstands einer AG in der Krise ist – anders als die Amtsniederlegung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH – nicht rechtsmissbräuchlich.

Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer können ihr Amt grundsätzlich jederzeit und unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes niederlegen. Rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam ist aber die Amtsniederlegung „zur Unzeit“, wenn die Gesellschaft hierdurch handlungsunfähig wird. Deshalb ist die Amtsniederlegung des alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbH in der wirtschaftlichen Krise unwirksam, wenn er keinen Nachfolger bestellt und die GmbH dadurch führungslos wird.

Anders beurteilt das OLG Hamburg (Beschluss v. 27.06.2016, Az. 11 W 30/16) die Amtsniederlegung des Alleinvorstands einer Aktiengesellschaft:

Hintergrund

Der alleinige Vorstand einer Aktiengesellschaft meldete zum Handelsregister an, dass er sein Amt – aufschiebend bedingt auf den Tag der Eintragung – niedergelegt habe. Das Registergericht lehnte die Eintragung jedoch ab. Die Amtsniederlegung sei rechtsmissbräuchlich, da sie zur Unzeit erfolge. Die Gesellschaft sei bei Eintragung der Amtsniederlegung handlungsunfähig, da zuvor bereits zwei der drei Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt niedergelegt hatten. Eine Ergänzung des Aufsichtsrats hielt es aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens für unzulässig. Das Registergericht half der Beschwerde des Vorstands nicht ab und legte sie dem Hanseatischen OLG Hamburg zur Entscheidung vor.

Der Beschluss  des OLG Hamburg vom 27.06.2016 (Az. 11 W 30/16)

Entgegen dem Registergericht bejahte das OLG Hamburg das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eintragung der angemeldeten Amtsniederlegung. Die Amtsniederlegung des Alleinvorstands sei auch dann zulässig, wenn nur noch ein Aufsichtsratsmitglied und damit kein handlungsfähiger Aufsichtsrat mehr existiert. Die AG bleibe handlungsfähig, weil sowohl das verbliebene Aufsichtsratsmitglied als auch jeder Aktionär die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats beantragen können. Dadurch werde die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats wieder hergestellt mit der Folge, dass der Aufsichtsrat einen neuen Vorstand bestellen könnte. Dies sei auch in einem laufenden Insolvenzverfahren möglich, da die Organstruktur einer Aktiengesellschaft bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unbeeinflusst bleibe und die gerichtliche Bestellung gerade die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats erhalten solle.

Außerdem bestehe die Möglichkeit des Registergerichts, einen Notvorstand zu bestellen. Da das Insolvenzverfahren seit mehr als 4 Jahren laufe, könne von einer Niederlegung zur Unzeit nicht (mehr) gesprochen werden.

Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung entspricht der herrschenden Meinung, wonach die Amtsniederlegung des Vorstands einer AG – ebenso wie die des GmbH-Geschäftsführers – grundsätzlich auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes wirksam ist. Die Niederlegung ist jederzeit möglich, es sei denn, sie erfolgt zur Unzeit und ist damit rechtsmissbräuchlich. Die Entscheidung des OLG Hamburg zeigt, dass jedenfalls bei der Aktiengesellschaft hohe Voraussetzungen an die Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft und die Annahme des Rechtsmissbrauchs bei der Amtsniederlegung des Vorstands zu knüpfen sind. Dagegen stellen die Gerichte bei Personenidentität von Geschäftsführungs- und Willensorgan in der GmbH erhöhte Anforderungen an die Amtsniederlegung. Auch in der Insolvenz bestehe ein Bedürfnis der Gesellschaft nach einem vertretungsbefugten und handlungsfähigen Organ.

Noch weitgehend ungeklärt ist die Frage, ob der Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Amtsniederlegung auch einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der nicht Alleingesellschafter ist, oder sogar einem Fremdgeschäftsführer gemacht werden könnte. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung ist dies zu bezweifeln, so dass eine Amtsniederlegung möglicherweise auch in der Krise der Gesellschaft wirksam wäre. Finden die Gesellschafter dann keinen neuen Geschäftsführer, droht die dauerhafte Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft.

Unabhängig vom Grundsatz der freien Amtsniederlegung sollten Organmitglieder jedoch beachten, dass die Amtsniederlegung ohne hinreichenden Grund eine Verletzung des Anstellungsvertrags und ihrer organschaftlichen Pflichten bedeuten und zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft führen kann.

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