Dr. Lennert

Zur Vollmachtsvermutung für den Notar (§ 378 Abs. 2 FamFG)

Etwas versteckt und wenig bekannt ist die gesetzliche Vollmachtsvermutung des § 378 Abs. 2 FamFG. Danach ist ein Notar berechtigt, in Bezug auf von ihm beurkundete Erklärungen im Namen der beteiligten Personen Handelsregisteranmeldungen vorzunehmen. Praktisch wichtigster Fall ist die Anmeldung von Satzungsänderungen bei GmbH und AG. Die Vollmacht des Notars umfasst allerdings keine Erklärungen, die Geschäftsführer oder Gesellschafter höchstpersönlich abzugeben haben.

Entscheidung des OLG München zur Handelsregisteranmeldung bei KG

In einer neueren Entscheidung vom 10.03.2015 hat sich das OLG München mit dem Umfang der Vollmachtsvermutung befasst (Az: 31 Wx 60/15). Es kam zum Ergebnis, dass der Notar bei der Beurkundung eines Verschmelzungsvertrags zwischen der Kommanditistin einer KG (hier: GmbH) und einer anderen Gesellschaft (hier: AG) nicht bevollmächtigt ist, die Handelsregisteranmeldung für die übrigen Gesellschafter der KG vorzunehmen.

Die Entscheidung des OLG München zeigt die Grenzen der gesetzlichen Vollmachtsvermutung für den Urkundsnotar auf und gibt allgemein Anlass, sich mit der recht versteckten, dabei für die Praxis in bestimmten Fällen sehr nützlichen Vorschrift des § 378 Abs. 2 FamFG näher zu befassen.

§ 378 Abs. 2 FamFG sieht Folgendes vor: "Ist die zu einer Eintragung [im Handelsregister] erforderliche Erklärung von einem Notar beurkundet oder beglaubigt, gilt dieser als ermächtigt, im Namen des zur Anmeldung Berechtigten die Eintragung zu beantragen." Liegen die Voraussetzungen des § 378 Abs. 2 FamFG vor, muss der Notar deutlich zu erkennen geben, ob er von seinem Recht nach § 378 Abs. 2 FamFG Gebrauch macht oder ob er nur als Erklärungsbote tätig wird. In keinem Fall kann sich der Notar auf seine gesetzliche Ermächtigung stützen, wenn er in seiner Anmeldung über den Inhalt der von ihm beurkundeten oder beglaubigten Erklärung hinausgeht oder von dieser abweicht.

In Angelegenheiten der Kapitalgesellschaften wird § 378 Abs. 2 FamFG praktisch relevant insbesondere bei beurkundeten Beschlüssen zur Änderung des Gesellschaftsvertrags der GmbH bzw. der Satzung der AG. Obwohl der Notar in diesem Fall keine Erklärung des zur Anmeldung berechtigten gesetzlichen Vertretungsorgans beurkundet, lassen die bisher hierzu ergangenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte die Vollmachtsvermutung auch dann gelten, wenn Grundlage der Eintragung ein Gesellschafterbeschluss ist, an dem das zur Anmeldung berechtigte gesetzliche Vertretungsorgan nicht mitgewirkt hat (sämtlich zur GmbH: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.11.2010, 20 W 448/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2011, 11 Wx 2/11; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.09.2011, 12 W 193/11; teilweise anders die ältere Literatur).

Für die Anmeldung der Änderung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags durch den Urkundsnotar hat es das OLG Frankfurt am Main sogar genügen lassen, dass der Urkundsnotar lediglich eine zur Eintragung erforderliche Erklärung beurkundet hat, nämlich den Zustimmungsbeschluss der beherrschten Gesellschaft zur Änderung des Unternehmensvertrags (OLG Frankfurt am Main, a. a. O.). Dasselbe muss im Übrigen gelten für die Errichtung des Unternehmensvertrags und deren Anmeldung zum Handelsregister der beherrschten Gesellschaft.

Dieser gegenüber den erstinstanzlichen Amtsgerichten eher großzügigen Rechtsprechung der OLG setzt das OLG München mit seiner Entscheidung vom März 2015 für einen Einzelfall Grenzen. Der Urkundsnotar hatte in diesem Fall einen Verschmelzungsvertrag beurkundet, aufgrund dessen eine GmbH, welche Kommanditistin einer GmbH & Co. KG war, auf eine AG verschmolzen wurde. Aufgrund der Verschmelzung und ihres daraus folgenden Erlöschens schied die betroffene GmbH automatisch als Kommanditistin aus der GmbH & Co. KG aus. Ihr folgte die betroffene AG als Kommanditistin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach. Der Urkundsnotar meldete diesen Kommanditistenwechsel zum Handelsregister der GmbH & Co. KG an und stützte sich dabei für sämtliche anmeldeverpflichteten Gesellschafter der KG auf die Vollmachtsvermutung des § 378 Abs. 2 FamFG. Das OLG München hielt ein solches Vorgehen lediglich für die Anmeldungen durch die am Verschmelzungsvertrag beteiligten Gesellschaften für zulässig; § 378 Abs. 2 FamFG biete jedoch keine Grundlage dafür, die Vollmachtsvermutung auch auf solche Anmeldungen zu erstrecken, die lediglich in Folge des beurkundeten Vorgangs aufgrund gesetzlicher Vorschriften (hier: §§ 161 Abs. 2, 108 HGB) von Dritten abzugeben sind, die weder Gesellschafter noch Organ der an der Beurkundung beteiligten Gesellschaften sind.

Folgen für die Praxis

§ 378 Abs. 2 FamFG ist, sachgerecht gehandhabt, von erheblicher Bedeutung für die Praxis. So kann die gesetzliche Vollmachtsvermutung für den Urkundsnotar etwa die Anmeldung der Änderung eines GmbH-Gesellschaftsvertrags durch einen nur schwer greifbaren, da etwa im Ausland ansässigen Geschäftsführer überflüssig machen. Auf diese Weise entfallen unter Umständen Zeit und Geld raubende Formalien, die bei einer notariell zu beglaubigenden (und mit Apostille oder Legalisation zu versehenden) Handelsregisteranmeldung im Ausland erforderlich wären. Vorsicht ist hier allerdings bei Satzungssitzverlegungen angebracht: Bedingt die Verlegung des Satzungssitzes (wie meist) zugleich eine Änderung der inländischen Geschäftsanschrift, so kann der Urkundsnotar die neue Geschäftsanschrift nur dann anstelle des Geschäftsführers zum Handelsregister anmelden, wenn diese entweder (eher praxisfern) zugleich Inhalt des Gesellschaftsvertrags geworden ist oder in sonstiger Form durch die Gesellschafter in der beurkundeten Erklärung Niederschlag gefunden hat (so OLG Frankfurt am Main, a. a. O.). Letzteres könnte etwa durch einen gesonderten Beschlussgegenstand in der Urkunde zur Änderung der Geschäftsanschrift erfolgen (wodurch freilich - geringfügig - erhöhte Notarkosten anfallen).

Praktisch ohne große Bedeutung dürfte § 378 Abs. 2 FamFG hingegen bei allen Vorgängen sein, deren Anmeldung auch eine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die zur Anmeldung Berechtigten zugleich höchstpersönliche Erklärungen abzugeben haben, wie etwa bei der Errichtung von Kapitalgesellschaften (§§ 8 Abs. 2 GmbHG, 37 AktG), bei deren wirtschaftlicher Neugründung (entsprechende Anwendung der Gründungsvorschriften), bei bestimmten Kapitalmaßnahmen (§ 57, 57i, 58 Abs. 1 GmbHG, § 36 AktG) sowie bei Verschmelzungen aufgrund der (freilich nur im Einzelfall erforderlichen) Negativerklärung des § 16 Abs. 2 UmwG.

Für die bei einem Kommanditistenwechsel im Wege der Sonderrechtsnachfolge erforderliche so genannte negative Abfindungsversicherung durch den Komplementär und den ausscheidenden Kommanditisten dürfte nichts anderes gelten: Diese richterrechtlich entwickelte besondere Erklärung für die Eintragung eines Sonderrechtsnachfolgevermerks ist nach einhelliger Ansicht der obergerichtlichen Rechtsprechung höchstpersönlich abzugeben (vgl. zuletzt KG Berlin, Beschluss vom 28.04.2009, 1 W 389/08), so dass ein Urkundsnotar, der ausnahmsweise die Abtretung eines Kommanditanteils beurkundet, insoweit von der Vollmachtsvermutung des § 378 Abs. 2 FamFG aus Vorsichtsgründen nicht Gebrauch machen sollte.

Für gesetzliche Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften (Geschäftsführer bzw. Vorstände) und deren rechtliche Berater ist schließlich wichtig zu wissen: Soweit es im Einzelfall zu Konflikten innerhalb der Gesellschaft, namentlich zwischen ihren Teilhabern und dem Vertretungsorgan, kommt, kann letzteres die Vollmachtsvermutung des § 378 Abs. 2 FamFG ohne Weiteres durch einen entsprechenden Hinweis an das Registergericht beseitigen und damit erreichen, dass das Registergericht Anmeldungen nur durch das Organ persönlich oder eine von ihm bevollmächtigte Person entgegen nimmt (so explizit OLG Karlsruhe a. a. O.). Ein solcher Hinweis dürfte dabei im konkreten Einzelfall, aber auch allgemein (präventiv) möglich sein.

Dr. Silvia Lennert, Notarin
PILGER Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft

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