Sven Köhnen, Fachanwalt für Arbeitsrecht

VW-Abgasaffäre: Rechtliche Folgen für VW-Händler

Volkswagen hat die Abgastests von Dieselfahrzeugen manipuliert. Das wirft sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fragen auf und betrifft nicht nur die Endkunden, sondern genauso die VW-Händler in aller Welt. Sie sollten sich darauf einstellen, dass Kunden Gewährleistungsrechte geltend machen.

Der Abgasskandal betrifft nicht nur Endkunden, sondern auch die VW-Händler. Beispielsweise bei der Frage, ob sie ihre Jahresverkaufsziele einhalten können. Schließlich dürfen negative Auswirkungen im Markt nicht zulasten der Händler gehen. Im Gegenteil: Sie führen zu Schadenersatzansprüchen der Händler. Und was ist mit den hohen Investitionen der Händler, die diese getätigt haben, um Qualitätsstandards einzuhalten? Auch hier sind Schadenersatzansprüche denkbar. Händlern ist zu raten, sich darauf einzustellen, dass Kunden von ihren Gewährleistungsrechten Gebrauch machen wollen. Bereits jetzt empfehlen manche Fachleute den Neuwagenkäufern, das Fahrzeug nur unter dem Vorbehalt abzunehmen, dass sie Gewährleistungsrechte bezüglich erhöhter Abgaswerte geltend machen. Käufer, deren Gewährleistungsrechte bald enden, dürften hingegen vermehrt verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen.

Gewährleistungsrechte betreffen die gesamte Lieferkette, also den Kaufvertrag zwischen Volkswagen und dem Händler sowie den zwischen den Händlern und den Endkunden. Voraussetzung für die Gewährleistung ist, dass das Fahrzeug einen Sachmangel aufweist. Dies ist der Fall, wenn es bei der Übergabe an den Käufer nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Zu dieser Beschaffenheit gehören auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder des Herstellers insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB). Daher kann ein Abgaswert sowohl im Kaufvertrag oder der Verkaufsbeschreibung vereinbart sein als auch durch entsprechende Angaben in der Werbung. Wenn das Fahrzeug andere Abgaswerte aufweist als beim Kauf angegeben, wird sich der Käufer grundsätzlich auf Gewährleistungsrechte berufen können. Auch müssen die Händler bei der Anlieferung von Neufahrzeugen an ihre Verpflichtung denken, Sachmängel gemäß § 377 HGB zu rügen. Im Rahmen der Gewährleistung kann der Käufer vom Verkäufer zunächst eine kostenfreie Nacherfüllung in Form der Nachbesserung verlangen. Eine Ersatzlieferung dürfte der Verkäufer wohl mit dem Argument der Unverhältnismäßigkeit verweigern können. Allerdings wird es hier sehr darauf ankommen, ob die Fahrzeuge technisch überhaupt in einen vertragsgerechten Zustand versetzt werden können oder ob erhöhte Abgaswerte, ein höherer Verbrauch, geringere Leistung, Zusatzaufwand (Harnstoff) oder andere Abweichungen trotz Nachbesserung verbleiben.

Ist die Nacherfüllung nicht möglich oder aus anderen Gründen nicht zumutbar, kann der Kunde vom Kaufvertrag zurücktreten oder eine Kaufpreisminderung verlangen. Dem Käufer steht beim Kauf eines Neuwagens aber nur dann ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, wenn es sich um einen erheblichen Mangel handelt. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die Kosten der Nachbesserung mehr als fünf Prozent des Kaufpreises betragen. Auch gibt es bereits Rechtsprechung zum abweichenden Kraftstoffverbrauch. Danach kann ein Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der gekaufte Neuwagen auch unter Testbedingungen über zehn Prozent mehr Kraftstoff verbraucht als im Verkaufsprospekt angegeben (OLG Hamm, Urteil vom 07.02.2013 - Az. I-28 U 94/12).

Neben Rücktritt und Kaufpreisminderung kommen auch noch Schadenersatzansprüche in Betracht, was allerdings voraussetzt, dass den Verkäufer ein Verschulden trifft, was fraglich ist. Die verkaufenden Händler haben von den manipulierten Abgaswerten nichts gewusst. Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und aus §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB stehen ebenfalls im Raum. Dies dürfte insbesondere für Besitzer älterer Fahrzeuge von Interesse sein, sofern diese keine Gewährleistungsrechte mehr geltend machen können, zumal die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen nur zwei Jahre ab Übergabe beträgt, die Verjährung von deliktischen Ansprüchen jedoch drei Jahre. Als Schaden kämen in diesem Fall die Kosten für die Fehlerbeseitigung in Betracht sowie Mehrkosten durch einen Kraftstoffmehrverbrauch.

Derzeit sind noch viele Rechtsfragen offen und unklar. Deshalb sollten sich die Händler alle Rechtsansprüche sichern, bis Klarheit herrscht.

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