Sven Köhnen, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Vertragsrecht: Fristlose Kündigung

Wenn der Lieferant einen Händler- oder Servicevertrag fristlos kündigt, trifft das den Vertragspartner hart. Dennoch gilt: Die Lage ist zwar ernst, aber - jedenfalls manchmal - nicht hoffnungslos. Sie erfordert eine genaue Prüfung der Umstände.

Die Rechtsfolge einer wirksamen fristlosen Kündigung ist die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit sofortiger Wirkung. Sie stellt damit die schärfste Waffe einer Vertragspartei im Sanktionsinstrumentarium des Vertragsrechts dar, sofern man das Rechtsinstitut der Anfechtung, die nur in gesetzlich normierten Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, außer Betracht lässt.
Besonders schwerwiegende Folgen hat eine fristlose Kündigung bei Vertragsverhältnissen, die die Vertragspartner entweder befristet mit einer langen Laufzeit abgeschlossen haben, oder die ordentlich nur mit einer langen Kündigungsfrist beendet werden können. Zu diesen Kategorien gehören gerade die Händler- und Serviceverträge der Automobilbranche, die die Parteien entweder ordentlich nur mit einer Frist von zwei Jahren kündigen können oder die sogar eine Festlaufzeit von bis zu fünf Jahren aufweisen. Diese Vertragsverhältnisse sind von einer starken Einbindung des Vertragspartners in das Vertriebssystem des Lieferanten geprägt. Das spiegelt sich darin wider, dass der Vertriebspartner - vor allem die Einmarkenbetriebe - stark von der Marke des Lieferanten und der Belieferung durch ihn abhängig sind. Beendet ein Hersteller oder Importeur ein solches Vertragsverhältnis durch eine fristlose Kündigung von dem einen auf den anderen Tag, ist das in der Regel existenzbedrohend für den betroffenen Vertragspartner. Dies gilt zunächst einmal unabhängig davon, ob die fristlose Kündigung rechtlich wirksam ist, denn der Lieferant stellt die Belieferung spätestens nach Zugang der Kündigungserklärung ein und trennt den Vertragspartner von dem Zugang zu den Dealer-Management-Systemen. Eine weitere Tätigkeit des Vertragspartners ist damit weitgehend unmöglich.

Wirksamkeit prüfen

Formal unwirksam kann eine Kündigung sein, die nicht ordnungsgemäß, d. h. beispielsweise nicht von dem Vertreter des Lieferanten unterzeichnet ist, der berechtigt ist, die Kündigung auszusprechen. Zu prüfen ist auch, ob der Lieferant die Kündigung gegenüber dem richtigen Adressaten ausgesprochen hat. Ein zu langer Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, seit dem der Lieferant von dem herangezogenen Kündigungsgrund Bescheid wusste, und dem Termin, an dem er die Kündigung aussprach, führt ebenfalls dazu, dass sein Kündigungsrecht verwirkt ist. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten jedenfalls zu lang ist.
Materiellrechtlich setzt eine wirksame fristlose Kündigung einen wichtigen Grund voraus. Ein wichtiger Grund liegt nicht sofort automatisch vor, wenn der Vertragspartner seine vertraglichen Pflichten verletzt, sondern nur dann, wenn es wegen der Vertragsverletzung für den Lieferanten unzumutbar ist, an dem Vertragsverhältnis festzuhalten, bis es ordentlich beendet werden kann. Das Kündigungsrecht ist damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen. Der Lieferant muss prüfen, ob der Kündigungsgrund so schwer wiegt, dass er das Vertragsverhältnis sofort beenden muss, oder ob ein milderes Mittel, wie z. B. eine Kündigung mit Auslauffrist oder gar eine ordentliche Kündigung, ausreicht. Hierbei muss er nicht nur die eigenen, sondern auch die Interessen des Vertragspartners umfassend abwägen. Bei Pflichtverstößen des Vertragspartners, die strafrechtlich relevant sind, wie z. B. Abrechnungsbetrug, ist eine fristlose Kündigung in der Regel gerechtfertigt, wenn der Vertragspartner die Verstöße bewusst begangen hat. Anders liegt der Fall, wenn er Qualitätsstandards, vor allem unbedeutende, nicht eingehalten oder seine Vertriebsziele verfehlt hat. Dies rechtfertigt keine fristlose Kündigung, insbesondere nicht in den Fällen, in denen der Vertragspartner unschuldig an der Pflichtverletzung ist. Der Lieferant muss in die Interessenabwägung auch die Länge der Vertragsbeziehung und die Restdauer des Vertragsverhältnisses bis zur ordentlichen Beendigung einbeziehen.

Jede fristlose Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich einer vorherigen Abmahnung. Es reicht nicht irgendeine Abmahnung, sondern der Kündigende muss den Vertragspartner bereits wegen eines gleichgearteten Pflichtverstoßes abgemahnt haben. Eine Abmahnung muss formal genau das vorgeworfene Verhalten beschreiben und den Hinweis enthalten, dass ein Wiederholungsfall Konsequenzen für den Bestand des Vertragsverhältnisses bis hin zur außerordentlichen Kündigung haben kann. Nur so wird die Abmahnung ihrer Warnfunktion gerecht. Fehlt es an einem dieser Elemente, ist die außerordentliche Kündigung mangels Abmahnung grundsätzlich unwirksam.

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