Dr. Jan Henning Martens, Fachanwalt für Handels- und GesellschaftsrechtDr. Sven Ufe Tjarks, Fachanwalt für Gesellschaftsrecht

Wann müssen Gesellschafter während der Liquidation ausstehende Einlagen leisten?

Gesellschafter müssen noch nicht erbrachte Beiträge auch an eine aufgelöste Gesellschaft leisten, wenn sie zur Liquidation nötig sind. Das kann die Liquidation erheblich verzögern. Die Liquidatoren entscheiden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und in welchem Maße sie die Gesellschafter in Anspruch nehmen.

Hintergrund

Die Kommanditisten einer Publikums-KG hatten sich zur Leistung ihrer Einlage in monatlichen Raten verpflichtet. Als die Kommanditgesellschaft durch Entscheidung der BaFin aufgelöst wurde, stellten sie die Zahlung der Beiträge ein. Der Liquidator der KG machte die Forderung daraufhin gerichtlich geltend. Die Beklagten wandten unter anderem ein, dass die Liquidation durch diese Forderungen verzögert würde, was dem Zweck der Liquidation entgegenstünde. Die Klage hatte jedoch in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht München Erfolg.

Das Endurteil des OLG München vom 21.10.2015, Az. 7 U 1115/15

Das OLG München hielt zunächst fest, dass die Gesellschaft mit ihrer Auflösung nicht zu existieren aufhöre. An die Stelle des bisherigen Gesellschaftszwecks trete jedoch der Zweck der Abwicklung der Gesellschaft. Dabei sei es anerkanntermaßen Aufgabe der Liquidatoren, offene Forderungen der Gesellschaft einzutreiben. Allerdings gälten Besonderheiten für noch nicht erbrachte Beiträge der Gesellschafter, die diese gerade im Hinblick auf den bisherigen Gesellschaftszweck versprochen hatten. Diese dürften nur noch eingefordert werden, soweit sie zur Liquidation nötig seien (denn das ist auch der neue Zweck der liquidierten Gesellschaft). Die Darlegungs- und Beweislast, dass die Beiträge nicht mehr benötigt werden, trage der in Anspruch genommene Gesellschafter. Der Liquidator habe lediglich soweit möglich die Verhältnisse der Gesellschaft darzustellen (sogenannte „sekundäre Darlegungslast"). Außerdem habe er nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er von welchem Gesellschafter die Einlagen einfordert. Dass die Liquidation wegen der monatlichen Fälligkeit evtl. verzögert wird, sei hinzunehmen. Das Interesse an einer baldigen Beendigung überwiege nicht das Interesse, ausstehende Einlagen zur Abwicklung einzufordern.

Anmerkung

Das Urteil des OLG München zeigt, dass die Verpflichtungen der Gesellschafter nicht mit Auflösung der Gesellschaft enden. Die Liquidatoren können grundsätzlich auch nach der Auflösung  von Kommanditisten noch nicht erbrachte Einlagen einfordern. Dies betrifft nicht nur die im Handelsregister eingetragene Haftsumme, mit der ein Kommanditist auch im Außenverhältnis haften würde, sondern auch eine darüber hinaus versprochene Pflichteinlage, die nicht zu einer Außenhaftung führt. Andererseits müssen die Liquidatoren sich streng an dem Ziel der Abwicklung der Gesellschaft orientieren und dürfen von den Gesellschaftern nur noch das fordern, was dafür nötig ist. Die Rechtsprechung kommt den Liquidatoren auf der Ebene der Beweislast jedoch entgegen und verlangt von den Gesellschaftern den Nachweis, dass ihr Beitrag für die Liquidation der Gesellschaft nicht benötigt wird. Das Urteil ist sachgerecht, denn die Gesellschafter, auch Kommanditisten, übernehmen mit ihrem Beitritt zur Gesellschaft und dem Versprechen einer Einlage auch das Risiko des wirtschaftlichen Erfolges. Wer künftige Forderungen für jeden Fall ausschließen möchte, darf keiner Ratenzahlung oder Nachschusspflicht zustimmen.

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