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Neue Melde- sowie Verzeichnis- und Aufbewahrungspflichten bei Aktiengesellschaften, GmbH und Genossenschaften

Praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit verabschiedete das Parlament neue Meldepflichten für Inhaber- und für Namenaktionäre nicht kotierter Aktiengesellschaften, für GmbH-Anteilsinhaber sowie für Genossenschafter. Gleichzeitig entstehen dadurch für Aktiengesellschaften, GmbH und Genossenschaften neue Verzeichnis- und Aufbewahrungspflichten. Diese neuen Bestimmungen treten bereits am 1. Juli 2015 in Kraft.

Hintergrund

Ende 2014 hat das Parlament schärfere Regeln gegen die Geldwäscherei beschlossen, basierend auf Empfehlungen der «groupe d'action financière» (GAFI) der OECD (GAFIGesetz). Eine der Hauptstoßrichtungen des GAFI-Gesetzes ist die Erhöhung der Transparenz bei juristischen Personen. Mit verschiedenen Maßnahmen, vor allem mit Meldepflichten, soll sichergestellt werden, dass die Behörden Zugang zu den Informationen über die Aktionäre haben, die eine juristische Person letztlich kontrollieren, insbesondere bei Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien.

Meldepflicht der Inhaberaktionäre

Neu besteht eine Meldepflicht beim Erwerb von Inhaberaktien (Art. 697i OR):

  • Entstehung der Meldepflicht: Die Meldung ist innerhalb eines Monates nach Erwerb einer oder mehrerer Inhaberaktie(n) an die Gesellschaft zu machen, deren Inhaberaktien gekauft wurden. Die Meldepflicht besteht damit unabhängig von einem Schwellenwert.
        • Inhalt der Meldung: Der Erwerber hat (i) Vor- und Nachnamen oder Firma sowie Adresse anzugeben, (ii) seine Identität mit amtlichem Ausweis (z. B. Pass, ID oder Führerausweis; Kopie genügt) oder Auszug des Handelsregisters zu belegen; und (iii) den Besitz der Inhaberaktie(n) nachzuweisen (z. B. mittels Kopie der Inhaberaktien).

          Zu beachten ist, dass jede Änderung des Namens, der Firma sowie der Adresse ebenfalls gemeldet werden muss.

          • Ausnahmen von der Meldepflicht: Keine Meldung ist notwendig, sofern die erworbenen Inhaberaktien (i) an der Börse kotiert (hier gelten die börsenrechtlichen Meldepflichten) oder (ii) als Bucheffekten ausgestaltet sind und die Verwahrungsstelle in der Schweiz liegt (nach dem Bucheffektengesetz, BEG).
            • Form der Meldung: Das Gesetz schweigt über die Form der Meldung. Es ist zu erwarten, dass die Praxis hier Standardformulare entwickeln wird (ähnlich der börsenrechtlichen Meldepflicht). Die Erfüllung der Meldepflicht mittels E-Mail ist u.E. möglich.

              Meldung des wirtschaftlich Berechtigten bei Aktiengesellschaften und GmbH

              Aktionäre und Anteilsinhaber einer GmbH haben sodann neu ab einer Beteiligung von 25% die sog. wirtschaftlich berechtigte Person zu melden (Art. 697j OR), um den missbräuchlichen Einsatz von Strohmännern zu vermeiden:

              • Entstehung der Meldepflicht: Die Meldepflicht entsteht, wenn jemand allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten (hier dürfte der schillernde «Gruppenbegriff» des Börsenrechts zur Anwendung gelangen) Aktien erwirbt und dabei die Schwelle von 25% des Aktienkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet. Die Meldung hat innert eines Monats nach Erwerb zu erfolgen. Das gleiche gilt, wenn 25% des Stammkapitals einer GmbH erreicht oder überschritten werden.
              • Inhalt der Meldung: Der Gesellschaft ist Vor- und Nachname sowie die Adresse der natürlichen Person zu melden, für die der Erwerber letztlich handelt, mithin die wirtschaftlich berechtigte Person. Dabei handelt es sich um diejenige natürliche Person, die am Ende der Kontrollkette steht. Dokumente (wie z. B. Ausweis) sind keine einzureichen. Wichtig ist, dass auch jede Änderung des Namens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person gemeldet werden muss.
              • Ausnahmen von der Meldepflicht: Keine Meldung ist notwendig, sofern die erworbenen Aktien (i) an der Börse kotiert oder (ii) nach BEG als Bucheffekten ausgestaltet sind.
              • Form der Meldung: Hier gilt dasselbe wie für Inhaberaktionäre (vgl. oben).

              Verzeichnis- und Aufbewahrungspflichten der Aktiengesellschaft, GmbH und Genossenschaft

              Die Aktiengesellschaft hat neu die Pflicht, ein Verzeichnis der (i) Inhaberaktionäre und (ii) der wirtschaftlich berechtigten Person(en) zu führen (Art. 697l OR):

              • Inhalt: Das Verzeichnis hat den Vor- und Nachnamen oder die Firma sowie die Adresse der Inhaberaktionäre und der wirtschaftlich berechtigten Person(en) aufzuführen; bei Inhaberaktionären überdies die Staatsangehörigkeit und das Geburtsdatum.
              • Form: Eine Excel- oder Word-Liste reicht u.E. aus. Am sinnvollsten dürfte es sein (zumindest bei Aktiengesellschaften mit Namenaktionären), die bestehenden Aktienbücher mit den entsprechenden Informationen zu ergänzen.
              • Zugriff: Aktienbuch und/oder Verzeichnis müssen so geführt werden, dass in der Schweiz jederzeit von den zuständigen Behörden mittels Verfügung darauf zugegriffen werden kann. Eine Einsichtsmöglichkeit für Private ist nicht vorgesehen.
              • Aufbewahrungspflicht: Aktienbuch bzw. Verzeichnis sowie Belege sind an einem sicheren Ort aufzubewahren und zwar auch während zehn Jahren nach der Löschung der Gesellschaft. Die Belege müssen während zehn Jahren nach Streichung der Person im Verzeichnis bzw. des Eigentümers/Nutznießers im Aktienbuch aufbewahrt werden. Die GmbH hat ebenfalls ein Verzeichnis über die wirtschaftlich Berechtigten zu führen, aufzubewahren und den jederzeitigen Zugriff in der Schweiz zu gewährleisten. Auch hier ist die einfachste Lösung, die bestehenden Anteilsbücher zu ergänzen. Auch die Genossenschaft hat neu ein Genossenschafter-Verzeichnis aller Anteilsinhaber zu führen, aufzubewahren und den Zugriff in der Schweiz zu gewähren.

              Delegation an Finanzintermediär bei Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien

              Das Gesetz (Art. 697k OR) sieht die Möglichkeit vor, dass die Inhaberaktionäre (nicht jedoch die Namenaktionäre) die oben beschriebenen Meldungen an einen vom Verwaltungsrat bezeichneten Finanzintermediär im Sinne des Geldwäschereigesetzes erstatten können. Die Delegation bedarf eines Generalversammlungsbeschlusses, wobei diese Kompetenz in den Statuten an den Verwaltungsrat übertragen werden kann. Der Finanzintermediär ist dann zuständig, das Verzeichnis zu führen und die Belege aufzubewahren. Diese Delegation bietet die Möglichkeit, die Anonymität der Inhaberaktionäre (auch gegenüber der Gesellschaft) zu wahren. Gemäß Gesetz muss der Finanzintermediär der Aktiengesellschaft nur offenlegen, für welche konkreten Inhaberaktien (z.B. Aktien-Nr. 1 - 50) eine Meldung und Feststellung der Identität der Inhaber erfolgt ist und für welche nicht. Den genauen Umfang der Offenlegung und die sonstigen gegenseitigen Rechte und Pflichten sollten u.E. in einem Delegationsvertrag individuell vereinbart werden.

              Folgen der Nichteinhaltung der Meldepflichten

              Der neue Art. 697m OR enthält die Folgen unterlassener Meldungen: Die Mitgliedschaftsrechte (insb. das Stimmrecht) ruhen, solange der Aktionär/Anteilsinhaber der Meldung nicht nachgekommen ist. Die Vermögensrechte (z. B. Dividenden) kann der Aktionär/Anteilsinhaber erst geltend machen, wenn er seiner Meldepflicht nachgekommen ist. Wird die Meldung innerhalb eines Monats nicht vorgenommen, ruhen die Vermögensrechte ebenfalls. Kommt er der Meldepflicht später nach, leben die Vermögensrechte erst ab diesem Zeitpunkt wieder auf, wobei bis dahin aufgelaufene Vermögensrechte verwirkt sind. Dem Verwaltungsrat obliegt schließlich die Pflicht sicherzustellen, dass weder Mitgliedschafts- noch Vermögensrechte ausgeübt werden, falls der Meldepflicht nicht nachgekommen worden ist.

              Handlungsbedarf

              Die neuen Bestimmungen gelangen ab 1. Juli 2015 bei den bestehenden Gesellschaften zur Anwendung. Personen, die per 1. Juli 2015 Inhaberaktien halten, müssen den Meldepflichten, die beim Aktienerwerb gelten, nachträglich nachkommen. Die Nachmeldung gilt nur bei Inhaberaktien, da von diesen eine erhöhte Geldwäschereigefahr ausgeht. Die Frist für die Verwirkung der Vermögensrechte dauert diesfalls sechs Monate, mithin bis 31. Dezember 2015. Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien sollten sich u.E. überlegen, ob sie diese zwecks Vereinfachung nicht in Namenaktien umwandeln wollen. Dies erfordert eine Statutenänderung, wobei für die Umwandlung neu zwingend ein erleichtertes Beschluss-Quorum gilt. Vereinfachungen könnte auch die Schaffung von Bucheffekten bringen. Sollen Inhaberaktien beibehalten werden, muss die Aktiengesellschaft entscheiden, ob sie das Verzeichnis «in house» führt oder extern durch einen Finanzintermediär. Hier empfiehlt sich insbesondere die sorgsame Ausarbeitung eines Delegationsvertrags. Soweit (weitere) Änderungen der Statuten/Reglemente notwendig werden, sind diese innerhalb von zwei Jahren (bis 30. Juni 2017) umzusetzen. Allgemein ist zu beachten, dass die Statuten der Aktiengesellschaft die Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien nicht mehr explizit vorsehen müssen. Zudem darf das entsprechende Beschluss-Quorum statutarisch nicht erhöht werden, was gegebenenfalls auch bei bestehenden Statuten anzupassen ist (Art. 704a OR). Startups sind gut beraten, zwecks Vereinfachung auf die Schaffung von Inhaberaktien zu verzichten.

              Christophe Scheidegger und Marlen Eisenring von unseren Schweizer Kooperationspartnern Kellerhals Anwälte

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