Stefan Daub, Fachanwalt für ArbeitsrechtStephanie Krüger, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Keine Kürzung des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Elternzeit

Das Bundesarbeitsgericht hat mit bislang noch unveröffentlichtem Urteil vom 19.05.2015 (Az.: 9 AZR 725/13) entschieden, dass ein Arbeitgeber erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit nicht mehr vornehmen darf.

Hintergrund

Die Klägerin war im Seniorenheim der Beklagten als Ergotherapeutin beschäftigt. Bei einer Fünftagewoche hatte sie einen Anspruch auf 36 Tage Urlaub im Kalenderjahr. Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Sohnes von Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 15.05.2012 in Elternzeit. Sie verlangte von der Beklagten die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Die Beklagte hatte dies erst im September 2012 mit der Begründung der Kürzung des Erholungsurlaubs der Klägerin wegen der Elternzeit abgelehnt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, die nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs der Klägerin für unwirksam erachtet und dieser deshalb Urlaubsabgeltung in voller Höhe zugesprochen.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Nach Auffassung des BAG setzt diese Regelung allerdings voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Doch genau daran fehle es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei und der Arbeitnehmer infolgedessen nunmehr einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe. Die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe auf der aufgegebenen sog. Surrogatstheorie beruht. Nach der neueren Rechtsprechung sei der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Zwar beruhe dieser auf den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes, sobald jedoch der Abgeltungsanspruch entstanden sei, bilde dieser aber einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheide sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Auf die weitere streitige Frage, ob die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG geregelte Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers mit dem Unionsrecht vereinbar sei, kam es nach Auffassung des BAG dann nicht mehr an; die Vorinstanz hatte dies bejaht.

Fazit

Nach der früheren Rechtsprechung bestand ein strenger Zusammenhang zwischen Abgeltungs- und Urlaubsanspruch. Eine Abgeltung sollte nur dann möglich sein, wenn auch eine (hypothetische) Inanspruchnahme des zu Grunde liegenden Urlaubs noch möglich gewesen wäre. Ist eine Inanspruchnahme des Urlaubs hingegen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen - insbesondere fortbestehende Krankheit oder Zeitablauf - nicht (mehr) möglich, wäre der Urlaubsanspruch also bei einem hypothetischen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbar, musste nach damaligem Verständnis auch eine Abgeltung ausscheiden. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH zur Übertragbarkeit von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankung (EuGH, 22.11.2011 - C-214/10) hat das BAG die Surrogatstheorie dann endgültig aufgegeben. Insoweit ist diese neue Entscheidung des BAG eine konsequente Umsetzung dieser Rechtsprechung.

Der Arbeitgeber muss die Kürzung grundsätzlich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erklären, er kann dies also bereits vor Beginn der Elternzeit oder währenddessen erledigen. Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, sondern bislang nur die Presseerklärung, dürfte davon auszugehen sein, dass die Kürzung nicht grundsätzlich unmöglich ist, nur eben nach der Beendigung nicht mehr vorgenommen werden kann, da der Abgeltungsanspruch dann bereits entstanden ist. Vor diesem Hintergrund muss empfohlen werden, die Erklärung frühzeitig, wenn die Elternzeit über einen längeren Zeitraum verläuft eventuell auch vorsorglich mehrfach, spätestens jedoch kurz vor Ende der Elternzeit abzugeben, um so hohe Abgeltungsansprüche am Ende eines Arbeitsverhältnisses zu verhindern.

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