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EU-Erbrechtsverordnung in Kraft getreten

Am 17. August 2015 ist die neue EU-Erbrechtsverordnung in Kraft getreten. Sie gilt für alle Todesfälle ab diesem Tag. Die Verordnung ist in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks, Großbritanniens und Irlands anwendbar. Sie betrifft zivilrechtliche Regelungen des Erbrechts, nicht jedoch die Steuervorschriften. Nach der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft, die seit dem 1. Mai 2013 insbesondere für gemischt-nationale Ehen genutzt werden kann, ist die neue Verordnung der zweite Schritt zur Harmonisierung des internationalen Erb- und Familienrechts. Es lauern aber auch Fallstricke.

Zu den wichtigsten Regelungen der EU-Erbrechtsverordnung gehören Vorschriften über das anwendbare Recht in grenzüberschreitenden Fällen. Bislang war es so, dass auf ein- und denselben Todesfall mehrere Rechtsordnungen anwendbar sein konnten, insbesondere wenn Immobilien in verschiedenen Staaten hinterlassen wurden. Dadurch kam es oft zu Verwerfungen, wenn es um die Verteilung eines Nachlasses unter mehreren Miterben ging. Beispielsweise galt für eine Immobilie in Frankreich bislang zwingend französisches Erbrecht, auch wenn sie von einem deutschen Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland vererbt wurde. Der restliche Nachlass wurde in diesem Fall nach deutschem Erbrecht vererbt. Diese Rechtsspaltung wird es künftig im Anwendungsbereich der Verordnung nicht mehr geben. Bei jedem Sterbefall ist nunmehr eine Rechtsordnung einheitlich für jeden Erbfall anwendbar sein.

Die EU-Erbrechtsverordnung regelt aber kein einheitliches, europaweit gleiches Erbrecht. Sie bestimmt lediglich, das Erbrecht welches einzelnen Staates anwendbar ist. Dabei knüpft sie an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Dies war im deutschen Recht bislang anders: Anknüpfungskriterium war hier die Staatsangehörigkeit.

Die EU-Erbrechtsverordnung führt somit zu durchgreifenden Veränderungen: Bislang wurde ein deutscher Staatsangehöriger grundsätzlich nach deutschem Erbrecht beerbt, auch wenn er im Ausland verstarb. Nunmehr wird das Erbrecht des Staates angewandt, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Eine klare Definition des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes liefert die EU-Erbrechtsverordnung jedoch nicht. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit vergrößert sich zusätzlich dadurch, dass bei jeder grenzüberschreitenden Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Veränderung des anwendbaren Erbrechts nach sich zieht - obwohl dies den Betroffenen im Regelfall gar nicht bewusst sein dürfte. Betroffen sind z. B. Grenzpendler nach Frankreich, Pflegetouristen in Polen oder Rentner auf Mallorca.
Wer diese Unsicherheiten vermeiden möchte, kann durch Testament oder Erbvertrag bestimmen, dass das Erbrecht seines Heimatstaates unabhängig vom Aufenthalt gelten soll. Wer seinen Hinterbliebenen Zweifelsfragen ersparen möchte, die sich zum Beispiel aus der Anwendung französischen, polnischen oder spanischen Erbrechts ergeben können, der sollte aktiv werden und seinen letzten Willen um eine Rechtswahlklausel erweitern.

Besonderen Beratungsbedarf haben Unternehmer, deren gewöhnlicher Aufenthalt in einem anderen Staat liegt als die Unternehmensbeteiligung. Das anwendbare Erbrecht sollte sorgfältig auf das zugrunde liegende Gesellschaftsrecht abgestimmt werden. Die Grundlagen hierfür können und sollten dabei schon in den Gesellschaftsverträgen gelegt und im Testament oder Erbvertrag abgerundet werden.

Außerdem wird mit der Verordnung ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, mit dem Erben und Testamentsvollstrecker ihre Rechtstellung nachweisen können. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen entfällt damit künftig die mehrfache Beantragung von Erbscheinen in allen Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat.

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