Nachdem der Bundesrat am 23. November 2012 das vom Bundestag beschlossene „Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen" an den Vermittlungsausschuss verwiesen hatte, haben Bundestag und Bundesrat am 6. Juni 2013 den Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses gebilligt. Der Kompromissvorschlag führt insbesondere in folgenden Bereichen zu Änderungen des ursprünglich vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes:

Eingeschränkte Geltung des Kartellrechts auch für Krankenkassen

Die geplante Erstreckung des Kartellrechts auch auf gesetzliche Krankenkassen wird in abgeschwächter Form umgesetzt. Zwar bleibt es bei der grundsätzlichen Ausweitung des Kartellrechts auf Krankenkassen, allerdings mit einigen Sonderregelungen im Bereich der Fusionskontrolle. So darf ein Zusammenschluss von gesetzlichen Krankenkassen vom Bundeskartellamt nur untersagt werden, wenn dem auch die zuständigen Aufsichtsbehörden zugestimmt haben. Dies sind die Landesversicherungsämter für die Allgemeinen Ortskrankenkassen und das Bundesversicherungsamt für bundesweit tätige Kassen. Anders als sonst üblich ist für Streitigkeiten über Entscheidungen der Kartellbehörden im Bereich der Fusionskontrolle nicht der Zivilrechtsweg, sondern der Weg vor die Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Damit sollte den Bedenken des Bundesrats gegen die Erstreckung des Kartellrechts auf gesetzliche Krankenkassen Rechnung getragen werden.

Beschränkte Preisüberwachung kommunaler Versorgungsunternehmen

Daneben wurden die Einwendungen des Bundesrats hinsichtlich der Geltung des Kartellrechts für kommunale Versorgungsunternehmen berücksichtigt. Anders als private Energie- und Wasserversorgungsunternehmen unterliegen kommunale Versorger, wie die Stadtwerke, nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht der Preismissbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden, sofern sie als Anstalten des öffentlichen Rechts Gebühren erheben. Damit können sich kommunale Versorgungsunternehmen durch eine Flucht ins öffentliche Recht der Kontrolle durch die Kartellbehörden bei der Preisgestaltung entziehen.  

Keine Fusionskontrolle bei Zusammenschlüssen im Rahmen einer kommunalen Gebietsreform

Auch bei Zusammenschlüssen im Rahmen einer kommunalen Gebietsreform wurde auf Drängen des Bundesrats dem öffentlichen Recht der Vorrang vor dem Kartellrecht eingeräumt. Zusammenschlüsse öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die Folge einer kommunalen Gebietsreform sind, sind der kartellrechtlichen Fusionskontrolle entzogen. Ihre Zulässigkeit beurteilt sich allein nach öffentlich-rechtlichen Normen.

Verlängerung der Regelungen zu Preis-Kosten-Schere und Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis

Die bislang nur befristet geltenden speziellen Verbotstatbestände für marktstarke Unternehmen gelten nunmehr zeitlich unbeschränkt. Damit dürfen Lebensmittel weiterhin anders als andere Produkte grundsätzlich nicht, d.h. auch nicht gelegentlich, unter Einstandspreis verkauft werden. Ob mit dieser Vorschrift tatsächlich die gewünschte Eindämmung des Verdrängungswettbewerbs im Lebensmitteleinzelhandel erreicht werden kann, erscheint allerdings fraglich. Außerdem bleibt es marktstarken Unternehmen untersagt, kleine und mittlere Unternehmen, mit denen sie auf dem Endverbrauchermarkt konkurrieren, zu höheren Preisen zu beliefern als sie selbst gegenüber den Endverbrauchern verlangen. Dieses Verbot der sog. Preis-Kosten-Schere wurde insbesondere mit Blick auf den Markt für Kraftstoffe verlängert, in dem es immer wieder zu Behinderungen kleinerer und mittlerer Tankstellenbetreiber durch die großen Mineralölkonzerne kommt.

Beibehaltung der geplanten Änderungen zu Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht

Im Übrigen bleibt es bei den geplanten Änderungen der Fusionskontrolle (nähere Informationen finden Sie hier) und der Missbrauchsaufsicht (einen ausführlichen Bericht finden sie hier).

Im Bereich der Fusionskontrolle führt die Gesetzesänderung insbesondere zu einer Angleichung an das EU-Recht, indem der sog. SIEC-Test, „significant impediment to effective competition", übernommen wird. Das Bundeskartellamt darf zukünftig Zusammenschlüsse dann untersagen, wenn sie wirksamen Wettbewerb erheblich behindern. Deutsche Besonderheiten, wie die Ministererlaubnis von Fusionen mit Blick auf wichtige politische Allgemeinwohlgründe und die Überprüfbarkeit von Minderheitsbeteiligungen, bleiben daneben erhalten. Im Übrigen sind Zusammenschlüsse von Presseverlagen zukünftig unter erleichterten Bedingungen möglich.

Die wichtigste Änderung im Bereich der Missbrauchsaufsicht betrifft die Anhebung des Schwellenwerts für die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung. Aufgrund der Erfahrungen aus der Praxis des Bundeskartellamts sowie zur Angleichung an die europäische Rechtspraxis wird der Schwellenwert, ab dem eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens vermutet wird, von einem Marktanteil von bislang 30 % auf einen Marktanteil von 40 % angehoben. Anders als im EU-Recht unterliegen im deutschen Recht aber auch marktstarke Unternehmen weiterhin der Missbrauchsaufsicht. Kleine und mittlere Unternehmen können damit auch dann wegen eines missbräuchlichen Verhaltens gegen Großunternehmen vorgehen, wenn ihnen der oftmals schwer zu erbringende Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung des Großunternehmens nicht gelingt.

Schließlich werden mit der 8. GWB-Novelle die Rechte der Verbraucherverbände bei der Durchsetzung des Kartellrechts gestärkt (näheres dazu finden Sie hier).
Das Gesetz tritt unmittelbar nach Verkündung in Kraft.

Dr. Anne Bongers-Gehlert und Dr. Wolfgang Schmid

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