rsz thies hendrik4607 2 1.jpg

In grenzüberschreitenden Lieferverträgen findet sich zumeist die Klausel „Nicht anwendbar ist das UN-Kaufrecht". Ist dieser Ausschluss immer berechtigt? Nein. Vielmehr kann das UN-Kaufrecht sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer vorteilhaft sein. Unter welchen Voraussetzungen und in welchen Konstellationen das der Fall ist, sollte wissen, wer grenzüberschreitend Waren einkauft oder verkauft.

Das UN-Kaufrecht vom 11.04.1980 gilt grundsätzlich bei allen grenzüberschreitenden Verträgen, die die Lieferung von Waren betreffen. In diesen Fällen wird das Kaufrecht nach BGB und HGB vom UN-Kaufrecht verdrängt, sofern die Parteien keinen Ausschluss vereinbaren. In der Realität wird das UN-Kaufrecht aber häufig ausgeschlossen. Dies wird  u.a. damit begründet, dass es nur wenige Gerichtsentscheidungen dazu gebe und daher eine Unsicherheit bestehe, wie das UN-Kaufrecht im Streitfall angewendet würde. Diese Angst ist jedoch (zunehmend) unbegründet: Seit dem Jahr 1980 sind viele Gerichtsentscheidungen, juristische Bücher und Zeitschriftbeiträge veröffentlicht worden. Soweit erforderlich, kann ferner der jeweilige Vertrag für weitere Klarheit sorgen.

Für den Käufer ist das UN-Kaufrecht z.B. dann vorteilhaft, wenn die von § 377 HGB vorgeschriebenen Wareneingangskontrollen reduziert oder erst kurz vor Verarbeitung der Ware durchgeführt werden sollen. Dies ist rechtlich höchst problematisch, da Mängel, die entdeckt werden können, in der Regel innerhalb von zwei bis zehn Tagen zu rügen sind. Diese kurze Frist wird oft nicht eingehalten mit der Folge, dass der Käufer alle Mängelansprüche verliert.  Zwar kennt auch das UN-Kaufrecht eine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit. Der gravierende Unterschied besteht jedoch darin, dass eine Rüge selbst dann noch rechtzeitig sein kann, wenn sie erst innerhalb eines Monats beim Verkäufer eingeht. Ein weiterer Unterschied zum BGB-Kaufrecht besteht darin, dass der Verkäufer nach UN-Kaufrecht im Fall einer Vertragsverletzung verschuldensunabhängig auf Schadensersatz haftet.

Für den Verkäufer ist es ratsam, UN-Kaufrecht zu wählen, wenn er sich weitergehend vor einem Rücktritt des Käufers „schützen" möchte: Das UN-Kaufrecht erlaubt eine Vertragsaufhebung nur, wenn der Verkäufer eine „wesentliche Vertragsverletzung" begeht. Indem der Verkäufer UN-Kaufrecht wählt, kann er außerdem den sog. „Lieferantenregress" (§§ 478 ff. BGB) vermeiden: Wird eine Sache zuletzt an einen Verbraucher verkauft und muss der Letztverkäufer die Sache wegen eines Mangels zurücknehmen, so wird der Rückgriff des jeweiligen Käufers gegen seinen Lieferanten gemäß BGB-Kaufrecht erleichtert. Ein solcher Schutz des Käufers ist dem UN-Kaufrecht fremd.

Für die AGB (Lieferbedingungen und Einkaufsbedingungen) von Unternehmen stellt sich ebenfalls die Frage, ob das UN-Kaufrecht für grenzüberschreitende Warenkäufe ausgeschlossen werden soll oder nicht:

  • Einkaufsbedingungen - grundsätzlich UN-Kaufrecht: Für die Einkaufsbedingungen eines Unternehmens ist u.E. grundsätzlich empfehlenswert, das UN-Kaufrecht nicht auszuschließen, um die zwei oben genannten Vorteile zu nutzen. Dieses Ziel wird mit dem folgenden Verweis auf deutsches Recht erreicht:  „Anwendbar ist das Recht der Bundesrepublik Deutschland."  Bei der Gestaltung ist dann darauf zu achten, ob und ggfs. wie einzelne Nachteile des UN-Kaufrechts durch entsprechende Klauseln entschärft werden können.

  • Lieferbedingungen - grundsätzlich BGB-Kaufrecht: Aus Sicht des Verkäufers macht das UN-Kaufrecht nur in bestimmten Fallkonstellationen Sinn, bei denen eine Abwägung der Vor- und Nachteile dann ausnahmsweise den Ausschlag für das UN-Kaufrecht gibt: z.B. wenn der Lieferantenregress für den Verkäufer tatsächlich dauerhaft mit erheblichen Aufwendungen verbunden ist. Da die Lieferbedingungen eine allgemeine Regelung für alle Lieferungen enthalten , wird es jedoch für die meisten Unternehmen richtig sein, in den Lieferbedingungen weiterhin BGB-Kaufrecht zur Anwendung zu bringen. In denjenigen Einzelfällen, in denen dann ausnahmsweise UN-Kaufrecht für das Unternehmen von Vorteil ist, kann dies dann im Wege eines Liefervertrags (der den AGB vorgeht) vereinbart werden.

Bei grenzüberschreitenden Warenlieferungen sollte daher stets geprüft werden, ob das UN-Kaufrecht Vorteile gegenüber dem deutschen Kaufrecht nach BGB und HGB bietet. Das UN-Kaufrecht sollte ferner auch bei der Gestaltung der AGB eines Unternehmens bedacht werden.

Dr. Hendrik Thies

Kontakt > mehr