Kartellrecht: Neue Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes

Das Bundeskartellamt hat am 25. Juni 2013 neue Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren veröffentlicht. Diese neuen Leitlinien ersetzen ab sofort die bisher geltenden Leitlinien aus dem Jahr 2006. In den Leitlinien werden die Grundsätze festgelegt, nach denen sich das Bußgeld bei Kartellverstößen, wie z.B. Preis-, Gebiets- und Kundenabsprachen oder dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, bemisst. Im Ergebnis wird es für kleine Unternehmen tendenziell günstiger, für größere Unternehmen hingegen teurer werden, kartellrechtswidrige Absprachen zu treffen. Vom Anwendungsbereich der Leitlinien ausdrücklich ausgenommen sind Verstöße im Bereich der Fusionskontrolle.

Bisherige Bußgeldleitlinien aus dem Jahr 2006


Das Kartellgesetz sieht vor, dass bei Kartellverstößen Geldbußen bis zu 10% des Jahresumsatzes des betreffenden Unternehmens bei Einzelunternehmen bzw. des Konzerns bei Konzernunternehmen verhängt werden können. Bislang ging das Bundeskartellamt davon aus, dass es sich bei der gesetzlichen 10%-Grenze um eine Kappungsgrenze handelt, d.h. dass der Bußgeldrahmen zwar theoretisch nach oben offen ist, tatsächlich aber nicht mehr als 10% des Jahresumsatzes des Konzerns als Bußgeld festgesetzt werden dürfen. Der Bundesgerichtshof hat nun am 26. Februar 2013 im Verfahren gegen das Zementkartell entschieden, dass die gesetzliche Schwelle von 10% keine Kappungsgrenze bildet, sondern vielmehr die Obergrenze des Bußgeldrahmens, so dass ein Bußgeld von 10% des Konzernumsatzes nur in den schwerwiegendsten Fällen festgesetzt werden darf. Dies machte eine Änderung der bisherigen Bußgeldleitlinien des Bundeskartellamtes erforderlich.

Grundlagen der Bußgeldbemessung nach den neuen Bußgeldleitlinien

Entscheidend für die Bemessung des Bußgeldes sind zum einen der konzernweite Jahresumsatz des Unternehmens und zum anderen der Umsatz, den das Unternehmen auf dem kartellierten Markt im Tatzeitraum erzielt hat. Auf diese Weise finden sowohl die individuelle Ahndungsempfindlichkeit des jeweiligen Unternehmens als auch die tatsächlichen Auswirkungen des Kartellverstoßes Berücksichtigung.

Das Bundeskartellamt stellt zunächst die gesetzliche Obergrenze des Bußgeldes fest, d.h. 10% des Konzernumsatzes im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung. Sodann wird innerhalb dieses Rahmens der individuelle Bemessungsspielraum festgelegt. Dazu wird zuerst der tatbezogene Umsatz ermittelt. Dabei handelt es sich um den Umsatz, der während des gesamten Tatzeitraumes im Inland mit den Produkten bzw. Dienstleistungen erzielt wurde, auf die sich der Kartellverstoß bezieht. 10% dieses tatbezogenen Umsatzes bilden das sog. Gewinn- und Schadenspotential, das je nach Umsatz des Unternehmens mit einem Faktor zwischen 2 und 6 multipliziert wird. Der Multiplikator ist umso höher, je höher der Konzernumsatz ist. Der sich daraus ergebende Betrag bildet die individuelle Bußgeldobergrenze, die nicht überschritten werden darf. Liegt diese unterhalb der gesetzlichen Obergrenze von 10% des Konzernumsatzes, wird der gesetzliche Rahmen daher eingeengt. Übersteigt die individuelle Bußgeldobergrenze die gesetzliche Obergrenze, bleibt es bei der gesetzlichen Grenze von 10% des Konzernumsatzes.
Innerhalb des so ermittelten Bemessungsspielraumes findet die eigentliche Bußgeldbemessung unter Berücksichtigung strafmildernder und - verschärfender Faktoren statt. Dies können sowohl tat- als auch täterbezogene Kriterien sein, wie z.B. Art und Dauer des Kartellverstoßes einerseits und die Rolle des Unternehmens im Kartell und auf dem betroffenen Markt andererseits. Dabei stellt das Bundeskartellamt klar, dass Preis-, Quoten-, Gebiets- und Kundenabsprachen üblicherweise im oberen Bereich einzuordnen sind. Gesondert berücksichtigt wird ein positives Nachtatverhalten. Dazu gehören insbesondere die einvernehmliche Verfahrensbeendigung und das Stellen eines Bonusantrages, mit dem ein Beteiligter des Kartells das Bundeskartellamt über den Kartellverstoß informiert und damit wesentlich zur Aufdeckung des Kartells beiträgt..

Praktische Auswirkungen der Änderungen

Auch wenn die Änderungen, insbesondere der Übergang von der Kappungs- zur Obergrenze, auf den ersten Blick gravierend erscheinen, geht das Bundeskartellamt davon aus, dass sich das durchschnittliche Bußgeldniveau nicht wesentlich ändern wird. Für kleinere Unternehmen, die nur ein Produkt vertreiben, werden die Bußgelder voraussichtlich sogar geringer ausfallen als bisher. Dagegen werden die Änderungen bei Konzernunternehmen, die eine Vielzahl von Produkten auf verschiedenen Märkten anbieten, eher zu einer Steigerung der Bußgelder führen. Grund dafür ist die stärkere Berücksichtigung des Konzernumsatzes.

Dr. Wolfgang Schmid, Dr. Anne Bongers-Gehlert

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