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Beim Abschluss von Verträgen: Keine Geschäftsführerhaftung für verantwortungsbewusste Entscheidungen

Der Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG wird gelegentlich mit der Frage konfrontiert, ob er für sein Handeln als Vertreter der Gesellschaft persönlich haftbar gemacht werden kann. Dabei ist im Grundsatz festzuhalten, dass der Geschäftsführer Dritten gegenüber nur in Ausnahmefällen haftet und der Gesellschaft gegenüber nur bei schuldhafter Verletzung von Obliegenheiten, d.h., wenn er es versäumt, die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes" anzuwenden (§ 43 Abs. 1 und 2 GmbHG).

Außenhaftung

Die Haftung gegenüber Dritten wird auch als „Außenhaftung" bezeichnet. Sie ist - wie gesagt - auf bestimmte Ausnahmefälle beschränkt (Haftung wegen Vermischung von Gesellschafts- und Privatvermögen, wegen Unterkapitalisierung, wegen Verletzung von Schutzgesetzen etc. Keiner dieser Ausnahmetatbestände ist verletzt, wenn der Geschäftsführer sich für oder gegen den Abschluss langfristiger Verträge entscheidet, auch wenn diese Entscheidung die Insolvenz der Gesellschaft zur Folge haben sollte. Die Herbeiführung der Insolvenz eines Unternehmens ist als solche kein Tatbestand, der die Haftung der Geschäftsführer gegenüber Gläubigern der Gesellschaft (Banken, Lieferanten, Arbeitnehmer, Finanzamt etc.) auslöst. Erkennt der Geschäftsführer allerdings, dass das von ihm geführte Unternehmen zahlungsunfähig zu werden droht, darf er keine neuen Verbindlichkeiten eingehen, die dann bei Fälligkeit nicht beglichen werden können. Auch muss er die Insolvenzantragspflicht des § 15a InsO beachten. Verzögert der Geschäftsführer die gebotene Insolvenzantragstellung, kommt eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung in Betracht.

Innenhaftung

Die Haftung gegenüber der Gesellschaft („Innenhaftung") ist in § 43 GmbHG geregelt. Danach hat der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Er haftet, wenn er schuldhaft seine Obliegenheiten verletzt. Für unternehmerische Entscheidungen - also z.B. für die Frage, ob ein bestimmter Vertrag abgeschlossen oder nicht abgeschlossen werden soll - billigt die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Geschäftsführer einen richterlicher Kontrolle nicht zugänglichen Ermessensspielraum zu (sog. „Business Judgement Rule" - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.11.2002, Az. II ZR 224/00.

Business Judgement Rule

Um den vorgenannten Ermessensspielraum in Anspruch nehmen zu können, muss der Geschäftsführer annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Er darf es daher ablehnen, einen Vertrag abzuschließen, der nach seiner sorgfältigen Einschätzung für die Gesellschaft nachteilig ist und sie möglicherweise sogar in die Insolvenz führt. Sollte die Ablehnung des Abschlusses eines solchen Vertrages die Gesellschaft ebenfalls in Insolvenzgefahr bringen, hat der Geschäftsführer eine umsichtige Abwägung aller Vor- und Nachteile vorzunehmen, um dann eine Entscheidung zu treffen. Wenn er dabei auf der Grundlage sorgfältig recherchierter Informationen handelt, kann er sich auf die Business Judgement Rule berufen und bleibt so haftungsfrei. Die Verursachung der Insolvenz der Gesellschaft ist für sich genommen nicht pflichtwidrig (Bork/Schäfer/Klöhn GmbHG, 2.  Aufl. 2012, § 43 Rz. 23), es sei denn, der Geschäftsführer führt bewusst eine existenzvernichtende Weisung der Gesellschafter aus. Eine Existenzvernichtung liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nur dann vor, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft planmäßig Vermögen entzieht, um es in seine eigene Vermögenssphäre zu überführen - Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.07.2007, Az. II ZR 3/04. Bei Verweigerung des Abschlusses eines langfristigen, für die Gesellschaft nachteiligen Vertrages liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so dass eine Haftung des Geschäftsführers ausscheidet.

Ergebnis

Wenn der Geschäftsführer vor der Entscheidung steht, ob er einen langfristigen Vertrag (z.B. einen Händlervertrag) abschließt, der für die Gesellschaft nachteilig ist oder ob er darauf verzichtet, so hat er auf der Grundlage sorgfältiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen, die nach seiner pflichtgemäßen Einschätzung dem Wohle der Gesellschaft dient. Er kann sich dann unter Berufung auf die Business Judgement Rule einer Haftung entziehen.

Dr. Ben P. Elsner

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