Oder: Andere Länder, andere Sitten - Management von Tochtergesellschaften im Ausland

Deutsche Unternehmen sind auf der ganzen Welt präsent, mit Niederlassungen, Tochtergesellschaften und Joint Ventures. Und das gilt beileibe nicht nur für deutsche Großkonzerne. Gerade auch mittelständische Unternehmen sind international präsent, manchmal nur mit 1-2 Standorten in ausgewählten Ländern, häufig mit 25-40 Beteiligungen weltweit. Das Recht-Management dieser Beteiligungen ist eine Herausforderung; und das gilt insbesondere in den emerging markets, den Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien, Vietnam oder Indonesien. In vielen dieser Länder gibt es keine Rechtstradition im wirtschaftsrechtlichen Bereich; in anderen Ländern ändern sich Gesetze und Rechtsprechung viel schneller, als dies bei uns üblich ist. Dazu einige Beispiele aus unserer Praxis:

Die wirtschaftsrechtlichen Gesetze in China sind teils wenige Jahre alt, teils sind sie erst im Entstehen. Es gibt keine gefestigte Rechtsprechung; es fehlt die in der westlichen Welt übliche Kommentarliteratur; und es gibt keine einheitliche Rechtsanwendung im ganzen Land. Was bedeutet das konkret? Wenn wir wissen wollen, wie eine bestimmte Regelung zu interpretieren ist, lassen wir dies durch unsere chinesischen Kooperationspartner klären. Sicherheitshalber lassen wir zusätzlich bei dem zuständigen Sachbearbeiter in der jeweiligen Behörde dessen Verständnis von der Rechtsanwendung abfragen (was häufig ohne Namensnennung des betroffenen Unternehmens möglich ist). Aber was in Shanghai gilt, muss in Guangzhou noch lange nicht gelten. Und in Peking praktizieren die meisten Behörden ein Rotationsprinzip, d.h. die Sachbearbeiter wechseln von Fall zu Fall, und bei jedem neuen Sachbearbeiter ist die Rechtsfrage wieder neu zu bewerten.

Andere Länder, andere Sitten heißt auch: was bei uns selbstverständlich ist, kann anderswo ganz anders gesehen werden. Dazu zwei Beispiele aus Brasilien: Obwohl die brasilianische „Limitada" auf dem Vorbild der deutschen GmbH beruht, sind in Brasilien mindestens 2 Gesellschafter erforderlich. Eine 100 %ige Tochtergesellschaft ist schlicht nicht zulässig. Überraschendes gilt auch im brasilianischen Arbeitsrecht: Der Geschäftsführer der brasilianischen Tochtergesellschaft eines deutschen Mittelständlers wird 65. Sein Nachfolger ist schon identifiziert und tritt seinen Job an. Der bisherige Geschäftsführer denkt allerdings gar nicht daran, seine Tätigkeit zu beenden - jedenfalls nicht ohne eine Entschädigung, die leicht die Höhe eines Jahresgehalts betragen kann. Und darauf hat er tatsächlich Anspruch. Denn das Arbeitsverhältnis endet weder automatisch mit 65 - noch rechtfertigt der Geburtstag eine ordentliche Kündigung.

Wieder anders ist die Lage in Indien: Seit 1991 findet dort ein Liberalisierungsprozess statt, der bis heute andauert und mit regelmäßigen Gesetzesänderungen und-modernisierungen einhergeht. Ein Beispiel: ein deutsches Unternehmen betreibt mit indischen und anderen Partnern in Indien gemeinsam ein Joint Venture. Für das Management ist ein 5-köpfiger Board zuständig. Die Mitglieder des Boards sind in Indien und in verschiedenen Ländern Europas ansässig. Sie treffen ihre Entscheidungen, indem sie regelmäßig per Videokonferenz miteinander kommunizieren - bis wir ihnen auf Anfrage mitteilen müssen, dass alle ihre Beschlüsse unwirksam sind, weil das indische Recht seit 2011 zwar Board-Beschlüsse per Videokonferenz erlaubt, aber nur dann, wenn dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist.

Fazit

Um im Ausland erfolgreich zu sein, bedarf es guter Produkte und Leistungen. Aber das genügt nicht. Es bedarf darüber hinaus einer sorgfältigen Analyse der örtlichen Gegebenheiten. Das beschränkt sich nicht auf das geltende Recht, sondern auch auf das, was nirgends geschrieben steht. Besondere Vorsicht ist in den sich rasant entwickelnden Schwellenländern angebracht: Dort ändern sich die wirtschaftsrechtlichen Gesetze in kurzen Abständen. Vertragliche Vereinbarungen und Strukturen müssen deshalb regelmäßig überprüft und angepasst werden. Wer sich in die weite Welt wagt, sollte erfahrene Berater als Lotsen an Bord haben.

Gerhard Manz, Dr. Barbara Mayer

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