Der BGH hat am 19. Juli 2012 entschieden, dass das Erlöschen einer Hauptlizenz nicht automatisch zum Erlöschen einer Unterlizenz führt. Der Unterlizenznehmer bleibt - wenn nichts Gegenteiliges vereinbart ist - auch nach Erlöschen der Hauptlizenz zur Nutzung berechtigt. Der Hauptlizenzgeber kann die Zahlung von Lizenzgebühren vom Unterlizenznehmer verlangen.

Sachverhalt


Ein Softwareentwicklungsunternehmen (Hauptlizenzgeberin) schloss mit einem anderen Unternehmen (Hauptlizenznehmerin/Unterlizenzgeberin) einen mündlichen Nutzungsvertrag über eine bestimmte Software. Dieses wiederum lizenzierte die Software an einen Dritten (Unterlizenznehmerin) weiter. Nachdem die Hauptlizenznehmerin ihre Zahlungen eingestellt hatte und das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden war, kündigte die Hauptlizenzgeberin den Hauptlizenzvertrag. Da die Unterlizenznehmerin die Software auch nach der Kündigung des Hauptlizenzvertrages weiter nutzte und Lizenzgebühren an die Unterlizenzgeberin entrichtete, nahm die Hauptlizenzgeberin sie wegen Verletzung ihrer Urheberrechte in Anspruch und erhob Klage auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Die Klage wurde abgewiesen. Sowohl das Landgericht Potsdam als auch das Oberlandesgericht Brandenburg waren der Auffassung, die Unterbrechung einer Lizenzkette führe nicht dazu, dass das Nutzungsrecht des Unterlizenznehmers verloren geht.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Nach seiner Auffassung bleibt der Unterlizenznehmer zur Nutzung der Software berechtigt, auch wenn die Hauptlizenz erloschen ist.

Zunächst stellte der BGH klar, dass die Nutzungsrechte der Hauptlizenznehmerin an der Software mit der Kündigung automatisch an die Hauptlizenzgeberin zurückgefallen sind, ohne dass es einer gesonderten Rückübertragungserklärung bedurfte. Mit Wirksamwerden der Kündigung war die Hauptlizenznehmerin somit nicht mehr zur Nutzung und damit nicht mehr zur Unterlizenzierung berechtigt.

Daraus folgt aber nicht, dass Unterlizenznehmer nicht mehr zur Nutzung der lizenzierten Software berechtig wäre. Auch nach Erlöschen der Hauptlizenz bleibt nach Ansicht des BGH die Unterlizenz wirksam. Dabei beruft sich der BGH auf den sog. Grundsatz des Sukzessionsschutzes, wonach ausschließliche und einfache Nutzungsrechte auch dann wirksam bleiben, wenn der Inhaber des Rechts, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat, wechselt.

Der Hauptlizenzgeber muss also dulden, dass der Unterlizenznehmer die Software weiternutzt. Im Gegenzug kann der Hauptlizenzgeber vom Hauptlizenznehmer die Abtretung seines Anspruchs auf Lizenzzahlung gegen den Unterlizenznehmer zu verlangen. Der Unterlizenznehmer ist verpflichtet, die Lizenzgebühr direkt an den Hauptlizenzgeber zu zahlen. Dies gilt auch im Fall der Insolvenz des Hauptlizenznehmers und anschließender Kündigung des Hauptlizenzvertrags.

Fazit

In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung geht der BGH davon aus, dass auch im Urheberrecht - wie im Gewerblichen Rechtsschutz - nach Kündigung eines Lizenzvertrages die eingeräumten Rechte automatisch an den Lizenzgeber zurückfallen. Zugleich schützt der BGH das Vertrauen des Unterlizenznehmers auf den Fortbestand seines Nutzungsrechts. Eine Unterlizenz existiert auch dann weiter, wenn der Hauptlizenzvertrag aufgrund einer Kündigung oder aus anderen Gründen erlischt und damit das Nutzungsrecht des Hauptlizenzgebers automatisch entfällt.

Praktischer Hinweis

Aus Sicht des Hauptlizenzgebers kann es misslich sein, nach Erlöschen der Hauptlizenz auf Vereinbarungen mit Unterlizenznehmern angewiesen zu sein, auf deren Inhalt und Abschluss er keinen Einfluss hatte. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, im Hauptlizenzvertrag die Unterlizenzierung unter einen Zustimmungsvorbehalt zu stellen. Ob es darüber hinaus zulässig ist, im Hauptlizenzvertrag pauschal zu vereinbaren, dass mit Wegfall der Hauptlizenz auch mögliche Unterlizenzen erlöschen, ist obergerichtlich noch nicht abschließend entschieden. Aus Sicht des Unterlizenznehmers ist umgekehrt zu empfehlen, vor Abschluss der Lizenzvereinbarung mit dem Hauptlizenznehmer Einsicht in die Hauptlizenzvereinbarung zu nehmen, um das eigene Risiko im Falle der Beendigung der Hauptlizenz besser abschätzen zu können.

Dr. Anne Bongers-Gehlert und Dr. Morton Douglas

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