Selektive Vertriebssysteme werden danach unterschieden, ob der Hersteller quantitative Selektionskriterien (z.B. eine festgelegte Anzahl von Händlern) oder qualitative Kriterien (z.B. eine technische Mindestausstattung des Händlers) vorgibt. Qualitative Kriterien müssen genau definiert sein und für alle einheitlich gelten. Sie dürfen nicht in diskriminierender Weise angewandt werden und nicht unmittelbar die Zahl der Händler begrenzen. Entscheidend ist die Qualität der Händler. Kriterien, die allein dazu dienen, die Zahl der Betreiber zu begrenzen, sind danach nicht zulässig.

In einer Entscheidung vom 14. Juni 2012 (Az.: C-158/11) hat das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG) klargestellt, dass diese Einschränkungen bei der quantitativen  Selektion nicht gelten. Im vom EuG zu entscheidenden Fall hatte ein in Frankreich ansässiger, gekündigter Land Rover-Händler sich dagegen gewandt, dass der französische Land Rover-Importeur seine Bewerbung als Vertragshändler abgelehnt und mit ihm nur einen Werkstattvertrag geschlossen hatte. Der Händler erhielt erstinstanzlich Recht. Das Gericht entschied, dass der französische Importeur bei der Prüfung der Bewerbung eine Diskriminierung begangen habe und verurteilte den französischen Importeur zur Zahlung von Schadensersatz. In der Folgeinstanz wurde das Urteil aufgehoben mit der Begründung, dass der Importeur sich im Rahmen der quantitativen Selektion für 72 Verträge für zugelassene Händler an 109 Standorten entschieden habe. Der Sitz des klagenden Händlers gehöre nicht zu den Standorten, so dass er keinen Anspruch auf einen Vertrag geltend machen könne. Gegen dieses Urteil legte der Händler Rechtsmittel ein. Das Rechtsmittelgericht war sich unsicher, ob und inwieweit genaue und objektive quantitative Auswahlmerkmale verwendet werden müssen, die dem zu erreichenden Ziel angemessen seien und in nicht diskriminierender Art und Weise angewandt würden.

Das EuG hat klargestellt, dass ein Merkmal des quantitativen selektiven Vertriebs sei, dass der Weiterverkauf an nicht zugelassene Händler untersagt werde und auf objektiven Merkmalen beruhe, durch die die Zahl der Händler unmittelbar begrenzt werde. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass ein solches System auf Merkmalen beruhe, die objektiv gerechtfertigt seien sowie einheitlich und unterschiedslos auf alle Bewerber um die Zulassung angewandt würden. Dass in der Praxis sehr häufig sowohl qualitative als auch quantitative Merkmale vorgegeben werden, sei unerheblich.

Damit hat das EuG letztlich einem Zulassungsanspruch zum Händlernetz eines Herstellers unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung eine klare Absage erteilt. Vielmehr darf der Hersteller weiterhin frei entscheiden, wer Zugang zu seinem Vertriebsnetz erhält und wer mit seiner Bewerbung um einen Händlervertrag das Nachsehen hat.

Dr. Stefan Zipse

Kontakt > mehr