Im Juni hat der Rat der EU-Justizminister die Europäische Erbrechtsverordnung beschlossen. Sie ist im August in Kraft getreten und wird ihre inhaltlichen Wirkungen ab August 2015 entfalten. Die Verordnung ist in allen EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks, Großbritanniens und Irlands anwendbar. Sie betrifft zivilrechtliche Regelungen des Erbrechts, nicht jedoch die Steuervorschriften.

Zu den wichtigsten Regelungen der Verordnung gehören Vorschriften über das anwendbare Recht in grenzüberschreitenden Fällen. Bislang war es so, dass auf ein- und denselben Todesfall mehrere Rechtsordnungen anwendbar sein konnten, insbesondere wenn Immobilien in verschiedenen Staaten hinterlassen wurden. Dadurch kam es oft zu Verwerfungen, wenn es um die Verteilung eines Nachlasses unter mehreren Miterben ging. Diese Rechtsspaltung wird es künftig im Anwendungsbereich der Verordnung nicht mehr geben. Bei jedem Sterbefall wird ab August 2015 eine Rechtsordnung einheitlich für jeden Erbfall anwendbar sein.

Die Verordnung beinhaltet kein einheitliches, europaweit gleiches Erbrecht. Sie bestimmt lediglich, das Erbrecht welches einzelnen Staates anwendbar sein wird. Dabei knüpft es an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Dies war im deutschen Recht bislang anders: Anknüpfungskriterium war hier die Staatsangehörigkeit.

Die EU-Erbrechtsverordnung führt somit zu durchgreifenden Veränderungen: Bislang wurde ein deutscher Staatsangehöriger grundsätzlich nach deutschem Sachrecht beerbt, auch wenn er im Ausland verstarb. Nunmehr wird das Sachrecht des Staates angewandt, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Eine klare Definition des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes liefert die EU-Erbrechtsverordnung jedoch nicht. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit vergrößert sich zusätzlich dadurch, dass bei jeder grenzüberschreitenden Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts eine Veränderung des anwendbaren Erbrechts nach sich zieht - obwohl dies den Betroffenen im Regelfall gar nicht bewusst sein dürfte.

Wer diese Unsicherheiten vermeiden möchte, kann durch Testament bestimmen, dass das Erbrecht seines Heimatstaates unabhängig vom Aufenthalt doch gelten soll. Wer seinen Hinterbliebenen Zweifelsfragen ersparen möchte, die sich zum Beispiel aus der Anwendung französischen, schwedischen oder griechischen Erbrechts ergeben können, der sollte aktiv werden und seinen letzten Willen um eine Rechtswahlklausel erweitern.

Dr. Matthias Jünemann

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