Der BGH hat die Privilegierung von Wohnungsmietern bei vermeidbarem Irrtum über das Recht zur Mietminderung beendet (BGH Urteil, 11. Juli 2012, VIII ZR 138/11).

Ein Wohnungsmieter, der einen Mangel an seiner Wohnung glaubt und wohlmöglich sogar fachlich beraten ist, durfte nach bisheriger gefestigter Instanzrechtsprechung sanktionslos im Irrtum sein. Minderte er die Miete, mußte der Vermieter Zahlungsklage erheben. Wurde in diesem Verfahren festgestellt, daß kein Mangel vorliegt, war der Mieter zwar dem Zahlungsanspruch ausgesetzt. Eine etwaige Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs führte jedoch zu keinem Räumungstitel. Die bislang ständige Rechtsprechung ließ einen Verzug des Mieters mit Zahlungspflichten, der für den Kündigungserfolg maßgeblich war, daran scheitern, daß den Mieter kein Verschulden getroffen habe.

In dem nun entschiedenen Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit diesem Privileg aufgeräumt. In dem entschiedenen Falls hatten die Mieter Schimmel gerügt, zugleich aber zwei Aquarien und ein Terrarium in ihrer Wohnung betrieben. Nach Auffassung des BGH mußte sich den Mietern die Vermutung aufdrängen, daß das Vorhandensein von zwei Aquarien sowie eines Terrariums mit Schlangen eine die Schimmelbildung begünstigendere höhere Luftfeuchtigkeit in der gemieteten Wohnung bedingte und somit an das Lüftungsverhalten höhere Anforderungen zu stellen waren. Dies war dann auch die durch die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen festgestellte tatsächliche Ursache der Schimmelbildung.

Nach bisheriger Rechtsprechung der mit der Zahlungsklage verbundene Räumungsanspruch nach Kündigung wegen Irrtums - die beklagten Mieter waren hier durch den Mieterverein beraten und vertreten - nicht gegriffen hätte, erklärt der BGH ausdrücklich das Ende des Privilegierung des Wohnungsmieters gegenüber anderen Schuldnern bei der Verschuldensfrage. Das fahrlässige Verhalten der Mieter wird diesem zugerechnet. Sie befanden sich in Verzug. Auch der Räumungsanspruch geht nach Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch.

Nach oftmals unverständlichen Exzessen des Mieterschutzes in der Wohnungsmiete hat der BGH hiermit eine erfreuliche Entscheidung getroffen, die in unzähligen Rechtsstreiten den Vermietern ein Druckmittel beschert: In vielen Fällen offenkundig überzogener Minderungen können die Mieter mit der angedrohten Kündigung und notfalls mit der tatsächlichen Kündigung auf den Pfad der Tugend zurückbringen. Der Mietervereine tut gut daran, dieses Urteil des BGH sorgsam zu beachten. Im Falle berechtigter Mietminderung ist der Mieter gleichwohl alles andere als rechtslos. Bleibt der Vermieter uneinsichtig, kann der Mieter unter Vorbehalt zahlen und notfalls selbst Klage auf Rückzahlung zuviel gezahlter Miete erheben.

Dr. Uwe Steingröver

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