Das am 18. Oktober 2012 verabschiedete „Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen" enthält neben den Änderungen zur Fusionskontrolle auch Neuerungen im Hinblick auf die besonderen Restriktionen für marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen. Solche Unternehmen dürfen ihre Marktmacht nicht missbräuchlich ausnutzen, indem sie z.B. andere Unternehmen unbillig behindern oder Unternehmen, die auf einer vor- oder nachgelagerten Marktstufe tätig sind, ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich behandeln. Insbesondere dürfen keine unterschiedlichen Preise und Konditionen vereinbart werden. Folgende Änderungen wurden bezüglich dieser Missbrauchsaufsicht beschlossen:

Anhebung des Schwellenwerts für die Vermutung einer Marktbeherrschung

Der Schwellenwert, ab dem eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens vermutet wird, steigt auf einen Marktanteil von 40 %. Bislang lag die Schwelle bei einem Marktanteil von einem Drittel. Mit der Anhebung des Schwellenwertes trägt der Gesetzgeber den Erkenntnissen aus der Praxis des Bundeskartellamtes Rechnung, dass eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens bei einem Marktanteil von einem Drittel die Ausnahme ist. Die europäische Kommission nimmt im Rahmen der europäischen Missbrauchsaufsicht eine Marktbeherrschung in der Regel sogar erst ab einem Marktanteil von 50 % an. Mit dieser Änderung wird damit zugleich eine Angleichung an die europäische Praxis bei der Missbrauchsaufsicht erreicht.

Beibehaltung der Missbrauchsaufsicht bei marktstarken Unternehmen

Wie bisher erstreckt sich die Missbrauchsaufsicht anders als im europäischen Recht nicht nur auf marktbeherrschende, sondern darüber hinaus auch auf marktstarke Unternehmen. Dies ist insbesondere bei der privaten Durchsetzung des Kartellrechts relevant. Denn auf diese Weise wird kleineren und mittleren Unternehmen ermöglicht, auch dann wegen eines missbräuchlichen Verhaltens gegen Großunternehmen vorzugehen, wenn ihnen der oftmals schwer zu erbringende Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung des Großunternehmens nicht gelingt.

Das GWB sieht in seiner aktuellen Fassung eine Reihe von speziellen Verbotstatbeständen für marktstarke Unternehmen vor, die allerdings nur befristet gelten. Diese Befristung wird mit der Gesetzesänderung aufgehoben bzw. verlängert. Dies betrifft zunächst das grundsätzliche Verbot, Lebensmittel auch nur gelegentlich unter Einstandspreis zu verkaufen. Anders als andere Waren dürfen Lebensmittel grundsätzlich also weiterhin nicht unter Einstandspreis angeboten werden. Mit dieser Vorschrift wollte man der starken Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels auf einige große Unternehmen und deren Verdrängungsstrategien entgegenwirken. Ob diese Vorschrift tatsächlich geeignet ist, den Verdrängungswettbewerb einzudämmen, erscheint fragwürdig, kann sie doch nicht verhindern, dass große Unternehmen zu deutlich besseren Konditionen einkaufen können als kleine und mittlere Unternehmen.

Ebenso verlängert wird das Verbot der sog. Preis-Kosten-Schere. Danach ist es marktstarken Unternehmen untersagt, kleine und mittlere Unternehmen, mit denen sie auf dem Endverbrauchermarkt konkurrieren, zu höheren Preisen zu beliefern als sie selbst gegenüber den Endverbrauchern verlangen. Damit sollen insbesondere kleinere und mittlere Tankstellenbetreiber gestärkt werden, die beim Bezug von Kraftstoffen auf die Belieferung durch die großen Mineralölkonzerne angewiesen sind. Die Sektoruntersuchung Kraftstoffe des Bundeskartellamtes hat insofern ergeben, dass in diesem Bereich weiterhin eine Reihe von unbilligen Behinderungsmöglichkeiten besteht.

Schließlich wird das sog. „Anzapfverbot" auch für große Unternehmen beibehalten. Marktstarken Unternehmen ist es untersagt, ihre Marktposition dazu auszunutzen, von anderen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund besondere Vorteile zu fordern. Obwohl Großunternehmen in der Regel eher in der Lage sein werden, unberechtigte Forderungen zurückzuweisen, hat der Gesetzgeber sich dagegen entschieden, sie wieder aus dem Anwendungsbereich der Norm auszunehmen.

Spezielle Missbrauchskontrolle im Bereich der Energie- und Wasserwirtschaft

Im Bereich der Energiewirtschaft wurde im Jahr 2007 eine verschärfte Preismissbrauchsaufsicht eingeführt, die zunächst nur befristet bis zum 31. Dezember 2012 gelten sollte. Energieversorgungsunternehmen ist es danach untersagt, unangemessen hohe Entgelte zu fordern. Auch die Geltung dieser Vorschrift wurde um fünf Jahre verlängert. Hintergrund dieser Regelung ist, dass im Bereich der Energieversorgung angesichts der starken Marktposition der großen Versorgungsunternehmen immer noch eine nicht unerhebliche Gefahr unangemessen hoher Preise besteht.

Ähnliches gilt für den Bereich der Wasserwirtschaft. Auch für diesen Sektor sieht das GWB daher nun eine besondere Missbrauchsaufsicht vor. Bislang galten verschiedene Übergangsbestimmungen. Da sich jedoch weiterhin ein besonderes Bedürfnis nach staatlicher Kontrolle in diesem Bereich gezeigt hat, werden die bisherigen befristeten Regelungen und damit eine dauerhafte Missbrauchsaufsicht in das GWB integriert. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass ein Wasserversorgungsunternehmen seine Monopolstellung dazu ausnutzt, unverhältnismäßig hohe Preise zu verlangen. Bestimmte Verträge zwischen Gemeinden und einem Wasserversorgungsunternehmen betreffend die Wasserversorgung müssen zu ihrer Wirksamkeit beim Kartellamt angemeldet werden.

Die Änderungen treten voraussichtlich am 1. Januar 2013 in Kraft.

Dr. Wolfgang Schmid und Dr. Anne Bongers-Gehlert

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