Stefan Daub, Fachanwalt für ArbeitsrechtStephanie Krüger, Arbeitsrecht

Brexit und Arbeitsrecht: Arbeitnehmerfreizügigkeit ade?

Die Freizügigkeit europäischer Arbeitnehmer hat bei der "Leave"-Kampagne eine zu große Rolle gespielt. Auf der Verhandlung über die Weitergeltung dieser Grundfreiheit des Binnenmarkts wird ein erheblicher Fokus liegen. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber hüben wie drüben müssen sich auf erhebliche Veränderungen einstellen.

Mehrere hunderttausend deutsche Arbeitnehmer sind im Vereinigten Königreich beschäftigt, angestellt entweder bei Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen oder unmittelbar bei britischen Arbeitgebern. Umgekehrt arbeiten viele britische „expats“ in Deutschland und anderen EU-Staaten. Auch das ist nur möglich auf Grundlage der Grundfreiheiten des Binnenmarkts, vor allem der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die sowohl in den Europäischen Verträgen wie auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert ist. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ermöglicht es jedem Unionsbürger, ungeachtet seines Wohnortes und seiner Staatsangehörigkeit in jedem EU-Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Angehöriger dieses Staates eine Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben. Freizügigkeit ist also gegeben, wenn es keine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern unterschiedlicher Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beschäftigung, die Entlohnung und die sonstigen Arbeitsbedingungen gibt; eine Unterscheidung aufgrund der Nationalität soll gerade nicht erfolgen. Gerade das war den Befürwortern der Leave-Kampagne ein Dorn im Auge und ein wesentliches Argument für den Brexit. Bei einem Austritt aus EU und EWR gilt für das Vereinigte Königreich die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht mehr, der Zugang zum britischen Arbeitsmarkt und die Wohnsitzwahl sowohl für Europäer in Großbritannien als auch für Briten in den EU-Mitgliedstaaten wären erheblich eingeschränkt. Welche Regelungen ein Austrittabkommen zwischen der EU und UK vorsehen wird, ist noch völlig unklar. Die Anforderungen an die Erteilung von Visa und Arbeitserlaubnissen für Nicht-Europäer sind in UK ebenso hoch wie in Deutschland für Angehörige sogenannter Drittstaaten. Ob diese in gleicher Weise für die Unionsbürger gelten werden, bleibt abzuwarten. Eine wichtige Frage ist auch, ob diejenigen, die sich bereits in UK befinden, bleiben dürfen. Umgekehrt wird auch der Zugang für britische Arbeitnehmer auf dem deutschen und europäischen Arbeitsmarkt schwieriger werden.

Ein weiteres Problem kann sich bei der Besetzung bestimmter grenzüberschreitender Arbeitnehmergremien ergeben (z.B. europäischer Betriebsrat). Die EU-Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat und die Richtlinie zur Europäischen Aktiengesellschaft SE ermöglichen die Beteiligung britischer Beschäftigter bzw. ihrer Gewerkschaftsvertreter in diesen grenzüberschreitenden Gremien. Der SE-Betriebsrat setzt sich aus Arbeitnehmern der SE, ihrer Tochtergesellschaften und ihrer Betriebe zusammen. Er ist zuständig für die Angelegenheiten, die die SE selbst, eine ihrer Tochtergesellschaften oder einen ihrer Betriebe in einem anderen Mitgliedstaat betreffen oder die über die Befugnisse der zuständigen Organe auf der Ebene des einzelnen Mitgliedstaats hinausgehen. Die Beteiligungsrechte britischer Arbeitnehmer in den Gremien der SE (Aufsichtsrat bzw. SE-Betriebsrat) sind bei einem Austritt ohne entsprechende rechtliche Regelung ausgeschlossen. Der Europäische Betriebsrat (EBR) ist eine grenzüberschreitende Arbeitnehmervertretung mit Konsultations- und Informationsrechten in europaweit tätigen Unternehmen. Seine Zuständigkeit umfasst Entscheidungen und Entwicklungen, die grenzüberschreitende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe haben. Je nach der konkreten zukünftigen Ausgestaltung wären britische Arbeitnehmer bzw. deren Gewerkschaftsvertreter in solchen Arbeitnehmergremien nicht mehr beteiligt. Neuwahlen würden erforderlich, die Zusammensetzung des europäischen Gremiums würde sich verändern. Die übrigen Mitglieder dieser Gremien hätten wiederum keinen Anspruch auf Informationen und Konsultationen zu Maßnahmen, die die Konzernleitung in UK plant.

Da die konkreten Folgen des Brexit noch nicht vorhersehbar sind, bleibt Arbeitgebern und Arbeitnehmern derzeit nur, die Entwicklungen zu diesem Thema aufmerksam zu verfolgen. Bereits jetzt steht aber fest: Die Arbeitserlaubnis von Arbeitnehmern aus und in UK wird sich verändern; das wird auch Auswirkungen auf die Fortsetzung bereits bestehender Arbeitsverhältnisse haben. Daneben wird es Anpassungen auch bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in bestimmten grenzüberschreitenden Arbeitnehmergremien geben. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer müssen sich also auf erhebliche Veränderungen einstellen.

Dr. Stefan Daub
Stephanie Mayer

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