Dr. Hendrik Thies, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrechtmeike kapp schwoerer gesellschaftsrecht 2.jpg

Wer Mängel zu spät rügt, verliert seine Gewährleistungsrechte

Um seine Gewährleistungsrechte zu behalten, muss der Käufer eines Handelskaufs die gelieferte Ware unverzüglich untersuchen und etwaige Mängel dem Verkäufer anzeigen (§ 377 HGB). Sind Verkäufer und Käufer Kaufleute, soll der Verkäufer auf diese Weise baldmöglichst in die Lage versetzt werden, alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu können: z.B. den Mangel auch gegenüber seinem Vorlieferanten geltend zu machen oder Ersatzware bei einem anderen Lieferanten zu bestellen, um die mangelhafte Ware auszutauschen.  

In welchem Umfang die Untersuchung zu erfolgen hat und welcher Zeitraum dem Käufer hierfür zur Verfügung steht, wird im Gesetz jedoch nicht näher definiert. Insoweit kommt es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (Komplexität der Ware, Menge etc.). Bei technisch komplizierten Waren hat die Rechtsprechung etwa eine Untersuchungsfrist von zwei Wochen angenommen, bei leicht verderblichen Lebensmitteln ist die Frist hingegen erheblich kürzer (Stunden- bis Tagesfrist). Hat der Käufer einen Mangel entdeckt, steht ihm eine Rügefrist von etwa 1-2 Tagen zur Verfügung, bei leicht verderblichen Lebensmitteln nur wenige Stunden.

Das OLG München hat in einem neueren Urteil nun entschieden, dass bei einer Holzlieferung zur ordnungsgemäßen Untersuchung auch die probeweise Verlegung und Begehung der Holzplatten gehören. Und auch wenn der Käufer einen Mangel, der durch die Untersuchung nicht erkennbar war, später entdeckt, hat er diesen ebenso unverzüglich gegenüber seinem Verkäufer zu rügen. Dabei ist die Rüge grundsätzlich formfrei. Sie kann jedoch kraft Handelsbrauch - unabhängig von einer Parteivereinbarung - auch der Schriftform unterliegen.

Hintergrund der Entscheidung des OLG München

Der Verkäufer und der Käufer sind im Holzhandel tätig. Der Verkäufer belieferte den Käufer im Juli 2011 mit Buche-Multiplexplatten. Mit Schreiben von Mitte August 2011 und Mitte September 2011 beanstandete der Käufer gegenüber dem Verkäufer diverse Mängel. Bereits zuvor rügte er mündlich gegenüber dem Verkäufer, dass Nut und Feder des Holzes einen zu großen Spielraum hätten. Insgesamt seien 30% der Platten fehlerhaft. Die Rechnungen wurden von dem Käufer nur teilweise beglichen. Im Übrigen verweigerte der Käufer die Zahlung des Kaufpreises.

Um auch den ausstehenden Kaufpreis zu erhalten, hat der Verkäufer gegen den Käufer Zahlungsklage erhoben. Dagegen wendet sich der Käufer. Er trägt vor, dass bestimmte Platten verdeckte Mängel aufgewiesen hätten. Er habe die Platten bei Anlieferung visuell stichprobenartig begutachtet, die Mängel hätten sich jedoch erst bei Verlegung der Platten Mitte August gezeigt. Seine Rüge sei daher rechtzeitig. Der Verkäufer führt dagegen an, dass der Käufer die Mängel nicht rechtzeitig gerügt hätte. Der Käufer könne der Kaufpreisforderung daher keine Gewährleistungsansprüche mehr entgegenhalten. Auch habe der Käufer die Rüge nicht formgerecht erklärt, da im Holzhandel die Tegernseer Gebräuche einschlägig seien, welche eine Schriftform für die Rüge vorsehen.

Das Urteil des OLG München vom 24.09.2015, Az.: 23 U 417/15

Die Klage des Verkäufers hatte Erfolg. Der Verkäufer habe sich nach Auffassung des OLG München zu Recht auf die verspätete Rüge des Käufers berufen.

Die Rüge des Käufers sei verspätet, da er die Mängel erst drei Wochen nach Ablieferung gegenüber dem Verkäufer schriftlich gerügt habe. Insbesondere könne sich der Käufer hierbei nicht auf verdeckte Mängel berufen - denn bei einer Fehlerquote von 30%, wie von dem Käufer selbst vorgetragen, hätte eine gebotene stichprobenweise Verlegung und Begehung der Platten die Mängel kenntlich gemacht. Die Warenuntersuchung durch den Käufer beschränkte sich indes allein auf eine visuelle Prüfung. Diese genüge den Anforderungen an die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nicht.

Soweit das Gericht bzgl. Nut und Feder von verdeckten Mängeln ausgeht, sei auch insoweit die Rüge verspätet. Nach Angaben des Käufers seien diese Mängel auch sofort nach der Entdeckung mündlich gerügt worden. Unabhängig davon fordert § 12 Ziff. 2 der Tegernseer Gebräuche allerdings eine schriftliche Mängelrüge, welche erst Mitte September erfolgte und somit nicht mehr unverzüglich war.

Empfehlung

Die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit spielt im alltäglichen Handelsgeschäft eine große Rolle. Kommt der Käufer dieser Obliegenheit nicht nach, verliert er sämtliche Gewährleistungsrechte. Allein aufgrund dieses einschneidenden Rechtsverlustes, ist Käufern dringend zu raten, die Wareneingangskontrolle in ihren Unternehmen zu überprüfen.

Um das Risiko einer fehlerhaften Untersuchung und nicht fristgerechter Rüge zu reduzieren, können sich vertragliche Regelungen zur Untersuchungs- und Rügeobliegenheit anbieten. Hierin kann etwa der Untersuchungs- und/oder Rügezeitraum festgelegt werden. Auch kann der Umfang der Untersuchung zwischen den Parteien näher bestimmt werden.

Schließlich bleibt zu beachten, dass Handelsbräuche die Anforderungen an die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit beeinflussen und sogar verschärfen können. Eine Einbeziehung der Handelsbräuche in das Vertragsverhältnis ist dabei nicht notwendig. Sie gelten vielmehr kraft Gesetz und unabhängig von der Kenntnis der Parteien. In der Entscheidung des OLG München galten die Tegernseer Gebräuche (Holzhandel), die eine mündliche Rüge nicht ausreichen lassen.

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