Dr. Stefan Lammel, Fachanwalt für GesellschaftsrechtDr. Ingo Reinke, Gesellschaftsrecht

Preisanpassungen bei Energielieferung

Preiserhöhungen durch Energieversorger sind gegenüber Tarifkunden in der sog. Grundversorgung stets zulässig, wenn der Energieversorger durch die Preiserhöhung nur die eigenen Bezugskostensteigerungen an den Kunden weitergibt. Preiserhöhungen, durch die der betreffende Versorger (zusätzliche) Gewinne erzielt, sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere muss der Kunde zuvor auf die auf die Preiserhöhung hingewiesen werden und damit die Möglichkeit erhalten, den Lieferanten zu wechseln.

Hintergrund

Grundversorgung ist die Versorgung von privaten Energiekunden aus dem öffentlichen Netz, ohne dass diese einen ausdrücklichen Energieliefervertrag abgeschlossen haben. Wer z.B. nach einem Umzug (noch) keinen Stromliefervertrag mit einem Lieferanten abgeschlossen hat und Strom verbraucht, wird als Tarifkunde von dem jeweils örtlichen Grundversorger beliefert. Die Bedingungen dieser Energielieferung ergeben sich dann aus den Grundversorgungs-Verordnungen (GVVen) für Strom und Gas.

Bis im September 2014 konnten die Preise nach den Regelungen in den GVVen unter bestimmten Voraussetzungen angepasst werden. Eine Vorankündigung war dabei noch nicht vorgesehen. Aus diesem Grund hat der EuGH die deutschen Regelungen im September 2014 für europarechtswidrig und nichtig erklärt. Eine Woche später traten bereits entsprechend überarbeitete GVVen in Kraft, die den Anforderungen des EuGH genügten und seither Preisanpassungen (nach Vorankündigung) ermöglichten.

Der BGH musste nun darüber entscheiden, ob Preiserhöhungen, die Grundversorger noch auf Grundlage der „alten“ GVVen vorgenommen hatten, Bestand haben oder nicht. Die an dem Verfahren beteiligten Verbraucher waren der Auffassung, die Preiserhöhungen während der Geltung der unwirksamen Regelungen seien unrechtmäßig erfolgt und verweigerten die Zahlung der erhöhten Preise. Die Grundversorger klagten auf vollständige Bezahlung der verbrauchten Energie zu den erhöhten Preisen und argumentierten, es sei ihnen nicht zumutbar, jeden Tarifkunden versorgen zu müssen und während der laufenden Versorgung die Preise nie erhöhen zu können.

Die Urteile des BGH vom 29.10.2015, Az.: VIII ZR 13/12 und VIII ZR 158/11

Der BGH hat den Klagen der Grundversorger auf Zahlung der erhöhten Entgelte für die Energielieferung stattgegeben. Zwar anerkannte das Gericht die Entscheidung des EuGH und erklärte die früheren Preisanpassungsregelungen in den Grundversorgungsverordnungen für unwirksam. Dennoch ging der BGH davon aus, dass eine angemessene Erhöhung der Preise in einem laufenden Grundversorgungsverhältnis möglich ist. Der BGH begründet dies mit der Überlegung, dass der Tarifkunde, der Energie aus dem Netz entnimmt, damit rechnen muss, dass diese Energie nicht für alle Zeit zu den Preisen geliefert werden kann, die bei Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten. Wenn also keine entsprechende Regelung in den GVVen enthalten ist (bzw. diese für nichtig erklärt wurde), enthält der Vertrag – nach Ansicht des BGH – eine sog. Regelungslücke. Diese Lücke schließt der BGH mit der Überlegung, dass der Tarifkunde zu Beginn der Versorgung davon ausgegangen sein musste, zumindest dann einen höheren Preis für die Energie zahlen zu müssen, wenn die Energiepreise allgemein (also auch für den örtlichen Versorger) steigen. Der Versorger darf danach auch ohne eine entsprechende Regelung zur Preisanpassung Steigerungen seiner eigenen (Bezugs-) Kosten an den Kunden weitergeben, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden.

Anmerkung

Das für Grundversorger (und damit letztlich für die Gemeinschaft der Tarifkunden) zunächst nach dem EuGH-Urteil zu befürchtende Risiko einer Welle von Rückzahlungsforderungen, wird durch die BGH-Entscheidungen deutlich abgeschwächt. Rückforderungen sind nur denkbar, wenn die Preise in der Zeit vor Oktober 2014 so stark erhöht wurden, dass dadurch nicht nur gestiegene Kosten weitergegeben wurden. Darüber hinaus können Preiserhöhungen immer nur für einen Zeitraum von 3 Jahren zurück angegriffen werden, wenn diese bisher widerspruchslos hingenommen wurden.

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