rsz mayer barbara7108.jpgmartens jan henning4896  2 .jpg

Aktienrecht: Gelockerte Voraussetzungen für die Protokollierung von Hauptver-sammlungsbeschlüssen

Werden in einer einheitlichen Hauptversammlung mehrere Beschlüsse gefasst, von denen nur einzelne Beschlüsse notariell protokolliert werden müssen, ist nach einer neuen Entscheidung des BGH keine notarielle Protokollierung der gesamten Hauptversammlung erforderlich. Bei den übrigen Beschlüssen genügt eine Niederschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Hintergrund

Der vom BGH entschiedene Fall (Urteil vom 19.5.2015, Az.: II ZR 176/14) betraf die Hauptversammlung einer nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft mit insgesamt acht Tagesordnungspunkten. Bis zur Beschlussfassung über Tagesordnungspunkt 4 (Satzungsänderung) war ein Notar anwesend. Dieser fertigte eine Niederschrift über die bis dahin gefassten Beschlüsse. Zugleich wurde ein Protokoll über die gesamte Hauptversammlung vom Aufsichtsratsvorsitzenden gefertigt und unterzeichnet.

Die klagende Aktionärin machte unter anderem geltend, die Aufteilung der Hauptversammlung in einen beurkundeten und einen nicht beurkundeten Teil verstoße gegen die Beurkundungspflicht. Das Aktiengesetz erlaube nur ein einheitliches Protokoll, mehrere Protokolle führten zu Auslegungsschwierigkeiten. Das LG Mühlhausen gab der Klage statt, die Berufung der Beklagten wurde vom Thüringer OLG zurückgewiesen. Der BGH hatte nun über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des OLG zu entscheiden.

Das Urteil des BGH vom 19.05.2015, Az. II ZR 176/14

Die Revision der Beklagten hatte in diesen Punkten Erfolg. Nach Auffassung des BGH ist eine einheitliche Beurkundung nicht nötig. Das folgt letztlich aus dem Willen des Gesetzgebers, vor allem die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft (auch) für Mittelständler attraktiv zu machen. Unklarheiten und Widersprüche, die bei zwei getrennten Niederschriften auftreten könnten, sind hinzunehmen. Denn solche Unklarheiten resultieren nicht aus der Tatsache unterschiedlicher Urkunden, sondern aus einer mangelhaften Protokollierung.

Anmerkung

Mit dieser neuen Entscheidung widerspricht der Bundesgerichtshof der bisher herrschenden Meinung. Danach genügte ein einziger notariell zu protokollierender Beschluss, um die gesamte Hauptversammlung „zu infizieren“, d.h. der Notar musste sämtliche Beschlüsse protokollieren. Das Urteil des BGH kann bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Denn bei Hauptversammlungen nichtbörsennotierter Aktiengesellschaften bedarf es der Anwesenheit eines Notars nur noch für solche Beschlüsse, für die das Gesetz eine Beurkundung vorschreibt. Dies gilt nach § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG für alle Beschlüsse, die mindestens mit einer Dreiviertelmehrheit zu fassen sind, insbesondere  Beschlüsse über Satzungsänderungen und Kapitalmaßnahmen, Zustimmungen zu Unternehmensverträgen, Zustimmungen zu (Teil-)Verkäufen des Unternehmens, Umwandlungen und die Auflösung. Der Beschluss über die Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten kann – ebenso wie der Gewinnverwendungsbeschluss - separat ohne Notar gefasst werden; dadurch reduzieren sich – abhängig von der Höhe des Bilanzgewinns und dem Wert der sonst gefassten Beschlüsse - die Notarkosten ganz erheblich. Börsennotierte Aktiengesellschaften sind von der neuen Rechtsprechung nicht betroffen; denn nach § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG ist dort ohnehin die notarielle Beurkundung aller Hauptversammlungsbeschlüsse vorgeschrieben.

Kontakt > mehr