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Rolle rückwärts beim Delisting: Bringt die Aktienrechtsnovelle die Barabfindungspflicht zurück?

Rund 40 Unternehmen verabschiedeten sich im vergangenen Jahr von der Börse. Den meisten Unternehmen geht es dabei darum, den kosten- und verwaltungstechnischen Aufwand einer Börsennotierung zu reduzieren. Andere sind angesichts ihrer komfortablen Finanzlage nicht mehr auf das Eigenkapital vom Aktienmarkt angewiesen. Die derzeitige Rechtslage macht ihnen den Abschied leicht. Unternehmen können ihre Aktien durch einfachen Vorstandsbeschluss von der Börse nehmen. Seit einem BGH-Urteil vom Oktober 2013 müssen sie ihren Aktionären kein Angebot zum Kauf ihrer Aktien mehr unterbreiten. Bei Kleinaktionären führt dies zu herben Verlusten, da die Ankündigung eines Delisting die Kurse unmittelbar fallen lässt. Dies will die Große Koalition nach Protesten von Anlegerschützern nun ändern. Sie plant eine Gesetzesänderung, wonach die Aktionäre bei einem Delisting wieder eine Barabfindung erhalten sollen.

Änderung der BGH-Rechtsprechung 2013: Keine Pflicht zur Barabfindung

Anlass für die Gesetzesänderung ist die „Frosta"- Entscheidung des BGH vom 08.10.2013 (Az. II ZB 26/12). Darin entschied der BGH, dass für den freiwilligen Rückzug von der Börse weder ein Hauptversammlungsbeschluss noch ein Barabfindungsangebot an die Aktionäre erforderlich sei. Damit hatte er überraschend seine seit 2002 geltende "Macrotron"-Rechtsprechung aufgegeben. Seinerzeit ging er davon aus, dass das Delisting wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit der Aktien das in Art. 14 Grundgesetz geschützte Eigentumsrecht des Aktionärs beeinträchtigt. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage stellte der BGH drei Voraussetzungen für ein Delisting auf, die er 2013 wieder verneinte: ein Beschluss der Hauptversammlung, ein angemessenes Abfindungsangebot an die Minderheitsaktionäre durch die Gesellschaft oder ihren Großaktionär und die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Abfindung im Spruchverfahren. Den Weg für diese Kehrtwende ebnete das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 11.07.2012. Es widersprach der Sichtweise des BGH und stellte klar, dass die Pflicht zur Unterbreitung eines Barabfindungsangebots verfassungsrechtlich nicht geboten sei.

Folgen für die Aktionäre

Technisch ist das Delisting ein verwaltungsrechtlicher Vorgang; die Börse widerruft auf Antrag des Vorstands durch einen Verwaltungsakt die Börsenzulassung der Aktien. Nach Wegfall der gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen fordert das Börsengesetz für einen Widerruf der Zulassung nur die Gewährleistung des Anlegerschutzes. Dessen Anforderungen bestimmen wiederum die jeweiligen Börsenordnungen. Und hier gibt es große Unterschiede: Nach den Börsenordnungen der Regionalbörsen Hamburg, Hannover und Berlin ist bei einem vollständigen Börsenrückzug den Anlegern ein Angebot zum Erwerb ihrer Aktien zu unterbreiten. Strenger ist die Börse Düsseldorf; sie fordert neben dem Kaufangebot sogar einen Hauptversammlungsbeschluss über das Delisting. Für einen Rückzug von der Frankfurter Wertpapierbörse als wichtigster Handelsplatz genügt dagegen ein Antrag des Vorstands auf Widerruf der Börsenzulassung; gleiches gilt für die Börse Stuttgart. Nach der Ankündigung haben Aktionäre zwar noch bis zu sechs Monate Zeit, an der Börse zu verkaufen, Nachfrage gibt es jedoch kaum. Bereits mit der Veröffentlichung des Delisting-Antrags fällt der Aktienkurs deutlich. Oft sind Großaktionäre, denen es auf die jederzeitige Handelbarkeit der Aktien nicht ankommt, die einzigen Abnehmer.

Wiedereinführung der Barabfindungspflicht

Die zahlreichen Proteste von Anlegerschützern scheinen nun erhört. Einer Nachricht in der FAZ vom 03.02.2015 (Seite 23) zufolge plant die Große Koalition, den Schutz der Kleinaktionäre gesetzlich wieder herzustellen. Diese Regelung soll noch in die Aktienrechtsnovelle 2014, über die der Bundestag demnächst berät, eingearbeitet werden. Noch offen ist die Umsetzung der Wiederherstellung des Anlegerschutzes. Neben einer Ergänzung des Aktiengesetzes sei eine kapitalmarktrechtliche Lösung über die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in das Wertpapierhandelsgesetz denkbar. Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sieht bereits die Zahlung einer Abfindung vor, wenn ein Investor die Kontrolle über eine Aktiengesellschaft übernimmt oder durch einen Squeeze-Out die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft drängt. Doch gleichgültig, wo die Abfindungspflicht künftig geregelt sein wird: Unternehmen, die einen Rückzug von der Börse erwägen, sollten sich zeitnah mit dem Thema befassen.

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