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„Supplier Code of Conduct": CSR-Klauseln in AGB und Rahmenverträgen

Immer häufiger tauchen in AGB und Rahmenlieferverträgen Klauseln auf, wonach eine Vertragspartei sich verpflichtet, die Menschenrechte zu achten, keine Kinderarbeit zu fördern, gegen Korruption vorzugehen und sich auch sonst „anständig" zu verhalten. Fraglich ist, wie solche Klauseln rechtlich zu werten sind: als bloßer Apell oder als bindende vertragliche Verpflichtung.

Hintergrund solcher Klauseln ist eine Initiative der UN, die man als „Corporate and Social Responsibility" (CSR) der Unternehmen umschreibt. Der Gedanke: Unternehmen haben innerhalb der eigenen Gesellschaft, aber eben auch weltweit nicht nur die Verantwortung für einen mehr oder wenig ansehnlichen Profit, sondern auch für die Beachtung der Menschenrechte, einschließlich der umweltrechtlichen Vorgaben. Die Unternehmen sollen daher - so fordern es diese Regeln - einschreiten, um negative Auswirkungen auf die stets zu beachtenden Menschenrechte zu verhindern. Inzwischen hat auch die Europäische Union diesen Ansatz aufgegriffen und spricht, ein wenig holperig formuliert, von der „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft". Mehr noch: Die UN hat „Leitprinzipien" für Wirtschaft und Menschenrechte entwickelt; mittlerweile gibt es auch eine ISO-Norm 26000, welche in die gleiche Richtung zielt. Ergebnis: Die großen Unternehmen werden verpflichtet, in der gesamten „Wertschöpfungskette" die soziale Verantwortung auf Basis der CSR-Grundsätze bei ihrer Geschäftstätigkeit zu beachten („Supplier Code of Conduct").

Man kann solche Klauseln als Appell abtun. Sie sind ersichtlich politisch überfrachtet und erwecken den Eindruck, Unternehmen wollten sich damit „schmücken". Doch die rechtliche Analyse gebietet, hier Vorsicht walten zu lassen. Es handelt sich nämlich um Vertragsbedingungen. Und diese haben ihre je eigenen Tücken. Als wichtigstes: Werden solche CSR-Regeln in ein bestehendes Lieferverhältnis inkorporiert, dann sind sie zunächst einmal bindend; werden sie im Einzelfall nicht beachtet, dann ergeben sich die Rechtsfolgen in aller Regel aus dem anwendbaren Recht. Das kann zum einen Schadensersatz, zum anderen aber auch die Kündigung - oder gar beides zusammen - sein. Es liegt daher unbedingt im Interesse des Lieferanten, die kommerziellen Auswirkungen einer solchen Sanktion durch eine eigenständige Vereinbarung zu begrenzen. Dann aber auch dies: Oft ist es so, dass der Besteller in diesen CSR-Bedingungen fordert, dass der Lieferant „garantiert", dass eben diese Klauseln strikt eingehalten werden. Im deutschen Recht gehört ein solches Verb zu den Klauseln, die andeuten: Hier ist vermintes Gelände. Vorsicht! Denn es kann sehr wohl sein, dass eine solche „Garantie" als eine vom Verschulden losgelöste Haftung auf Ersatz des Schadens auszulegen ist. Das aber ist dann ein Ergebnis, welches dem Haftungssystem des deutschen Rechts fremd ist. Denn dieses basiert auf dem Verschuldensprinzip, so dass eben der Schuldner sich gegenüber einer Forderung auf Ersatz des aus einer Pflichtverletzung resultierenden Schadens entlasten kann, wenn er denn nachweist, dass er nicht fahrlässig gehandelt, sondern die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gewahrt hat (BGH NJW 2006, 47).

Doch noch gravierender ist, dass die CSR-Grundsätze in aller Regel den Lieferanten auch verpflichten, die Beachtung der Menschenrechte auf die gesamte Lieferkette als bindende Vertragspflicht zu übertragen. Gewollt ist, dass der Lieferant „garantiert", dass alle vorgeschalteten Zulieferanten genau in gleicher Weise wie er selbst die CSR-Grundsätze strikt beachten. Das juristische „Gift" in einer solchen Klausel: Wenn es dem Lieferanten im Einzelfall nicht möglich ist, die CSR-Grundsätze seinem Vertragspartner als Zulieferanten aufzuerlegen, obwohl er sich hinreichend darum gemüht hat, dann soll ihn dieses „Defizit" nicht von der Haftung entlasten. Denn die Verpflichtung, die gesamte Lieferkette auf die strikte Beachtung der CSR-Grundsätze einzuschwören, ist nach den CSR-Vorgaben unbedingt zu erfüllen. Mehr noch: Wenn ein nachgeschalteter Zulieferant aus welchen Gründen immer gegen diese Grundsätze verstößt und etwa Kinderarbeit (Indien, Bangladesch etc.) an seinem Vorprodukt nicht aktiv verhindert, dann soll daraus - das verlangen die CSR-Grundsätze in der Praxis - eine eigenständige Haftung des End-Lieferanten resultieren. Entscheidend ist nämlich, dass der Zulieferant als Erfüllungsgehilfe eingestuft wird, was in dieser Sicht dem deutschen Recht nicht entspricht. Für eine Pflichtverletzung des Erfüllungsgehilfen aber haftet der Schuldner ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden.

Was also tun? Erfahrungsgemäß fällt es schwer, sich gegen die Geltung der CSR-Grundsätze zu wehren. Denn meistens ist der Besteller die stärkere Marktpartei; und politische Gegenargumente fallen gegenüber diesen CSR-Grundsätzen schwer. Sie haben kaum hinreichende Überzeugungskraft. Man muss also solche Vertragswerke in aller Regel „schlucken". Kommt in diesen Fällen deutsches Recht zur Anwendung, dann kann man sicherlich die eine oder andere Klausel - abhängig von ihrer sprachlichen Ausgestaltung - nach den Regeln des AGB-Rechts angreifen und vielleicht auch für unwirksam erklären (vgl. Spießhofer/Graf von Westphalen, Betriebs-Berater 2015, 75ff.). Doch da es sich bei den CSR-Grundsätzen im Kern um Vertragsrecht handelt, welches den „Segen" der UN besitzt, stellt sich die nicht sehr leicht zu klärende Frage, ob denn deutsches Recht sich hier wirklich durchsetzen kann. Noch ist diese Frage wohl mit „ja" zu beantworten; aber je länger sich die CSR-Grundsätze in der Vertragspraxis zugunsten der Beachtung der Menschenrechte durchsetzen, desto schwieriger dürfte die Begründung fallen, dass sie nach deutschem Recht für den Lieferanten eine zu schwere Bürde sind.

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