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Zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen

Das Schicksal von Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers ist seit langem umstritten. Der Gesetzgeber hat hierzu in jüngerer Vergangenheit ohne Erfolg mehrere Versuche einer gesetzlichen Regelung unternommen. Die Rechtsprechung ist bislang weit überwiegend davon ausgegangen, dass Lizenzen nicht insolvenzfest sind und der Insolvenzverwalter somit ein Wahlrecht hat, ob er den Lizenzvertrag erfüllt oder nicht. Gerade bei Lizenzen, die für den Lizenznehmer große wirtschaftliche Bedeutung haben, kann dies gravierende Folgen haben. Für Insolvenzverwalter besteht auf Grund dieser Rechtsprechung zudem ein erheblicher Anreiz, vor allem dann die Nichterfüllung zu wählen, wenn der Lizenznehmer seinen Teil der Leistung bereits vollständig erbracht hat.

Das Landgericht München I (Urteil vom 21.08.2014, Az.: 7 O 11811/12) hat nun entschieden, dass es für die Frage, ob eine erteilte Lizenz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Lizenzgebers fortbesteht oder ob der Insolvenzverwalter die Möglichkeit hat, die Nichterfüllung des Lizenzvertrages zu wählen, maßgeblich auf die konkrete Ausgestaltung der vertraglichen Abrede zwischen den Lizenzparteien ankomme. Jedenfalls dann, wenn der Lizenzvertrag so ausgestaltet sei, dass das Nutzungsrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits vollständig dem Vermögen des Lizenznehmers zuzuordnen ist, sei von einer endgültigen Lizenzeinräumung auszugehen. Diese unterliege dann nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters.

Gegenstand des Rechtstreits war eine Auseinandersetzung zwischen dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der Lizenzgeberin und der Lizenznehmerin. Eine Konzerngesellschaft der Insolvenzschuldnerin und die Lizenznehmerin hatten bereits im Jahr 2002 einen Joint-Venture-Vertrag abgeschlossen. Nach Ausgliederung führte die Insolvenzschuldnerin diesen Vertrag mit der Lizenznehmerin weiter. Im Zuge dieser Zusammenarbeit räumten sich die Parteien wechselseitige Lizenzen ein (sog. Kreuzlizensierung). Es handelte sich dabei um umfangreiche „freedom-to-operate"-Lizenzen, die nach dem Wortlaut der Vereinbarung dauerhaft gelten sollten und für die keine fortlaufenden Lizenzgebühren zu zahlen waren. Die Zusammenarbeit endete im Oktober 2008. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im April 2009 erklärte der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung des Lizenzvertrages gemäß § 103 InsO. Basierend auf dieser Nichterfüllungswahl klagt der Insolvenzverwalter gegen die Lizenznehmerin in weiteren Rechtsstreitigkeiten wegen angeblicher Patentverletzungen. Die Lizenznehmerin verlangte nun die Feststellung, dass die eingeräumten Lizenzen fortbestehen und durchsetzbar sind.

Das LG München folgte diesen Anträgen. Nach Auffassung des Gerichts komme es immer auf die Ausgestaltung des jeweiligen Vertrages an. Dabei sei darauf abzustellen, ob der schuldrechtliche Vertrag, der eine Verpflichtung zur Lizenzeinräumung beinhaltet, derart ausgestaltet ist, dass er bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits vollständig erfüllt ist. Dies bemesse sich insbesondere nach der Frage, ob der Lizenzvertrag als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet sei oder die einmalige endgültige Einräumung von Nutzungsrechten zum Gegenstand habe. Wenn die gegenseitigen Hauptleistungspflichten wie Bezahlung und/oder Nutzungsrechtseinräumung bereits vollständig ausgetauscht seien, schließe dies die Voraussetzungen des § 103 InsO meist aus und der Lizenzvertrag sei insolvenzfest.

Die in dieser Auseinandersetzung streitgegenständlichen Kreuzlizenzen haben vor allem in der Hochtechnologie erhebliche praktische und wirtschaftliche Bedeutung. Sind beide Parteien auf einem bestimmten Markt Konkurrenten und zugleich Inhaber einer gewissen Zahl von Patenten, so soll auf diese Weise erreicht werden, dass sie den Gesamtbestand der beiderseitigen Patente nutzen dürfen. Damit werden zum einen Streitigkeiten über die Rechtsbeständigkeit von Patenten oder über eventuelle Patentverletzungen auf einem bestimmten technischen Gebiet für die Zukunft ausgeschlossen. Zum anderen erhalten beide Vertragspartner Zugang zu neuen technischen Entwicklungen im jeweils anderen Unternehmen. Für den Fall, dass Umfang und Wert der Lizenzen des einen Patentinhabers die wirtschaftliche Bedeutung der Lizenzen des Vertragspartners erheblich übersteigen, wird dies typischerweise durch eine Einmalzahlung kompensiert.

Abzuwarten bleibt, wie sich der Bundesgerichtshof in dieser Frage positionieren wird. Hierzu wird er voraussichtlich noch dieses Jahr Gelegenheit erhalten, da die Insolvenzschuldnerin im Zuge der Ausgliederung auf vergleichbare Weise Lizenzen mit ihrer (damaligen) Muttergesellschaft über Kreuz ausgetauscht hatte. Hierzu hatte das Oberlandesgericht München (Urteil vom 25.07.2013, Az.: 6 U 541/12) mit nahezu identischer Argumentation entschieden, dass auch diese Lizenzeinräumung insolvenzfest sei. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH eine verallgemeinerungsfähige Entscheidung zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen treffen wird, oder ob sich der BGH auf eine Entscheidung zu Kreuzlizenzen beschränkt.

Für die Vertragsgestaltung bedeuten diese Entscheidungen, dass dem konkreten Wortlaut der Nutzungsrechtseinräumung - unabhängig davon, ob es sich um Patenlizenzen oder andere Lizenzen handelt - noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Gerade bei Lizenzen, die für die tägliche Arbeit eines Unternehmens von zentraler Bedeutung sind und für die es keine kurzfristig verfügbaren Alternativen gibt, muss aus Sicht des Lizenznehmers auf eine vollständige und endgültige Lizenzeinräumung geachtet werden. Dabei ist aber selbstverständlich auch die finanzielle Belastung mit einer einmaligen (Vorab-)Leistung zu berücksichtigen, die jedenfalls aus Sicht des Gerichts für eine insolvenzfeste Lizenzeinräumung wohl notwendig ist.

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