Neues zur Insolvenzanfechtung: Bargeschäfte sind häufig der Vorsatzanfechtung entzogen

Der BGH hat entschieden, dass Lohnzahlungen an Arbeitnehmer - auch wenn diese Gesellschafter sind - innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit dem Bargeschäftsprivileg unterfallen und daher der Insolvenzanfechtung entzogen sind. Dies gilt häufig auch für die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) und die Anfechtung von Leistungen an Gesellschafter (§ 135 InsO), denn bei Vorliegen der Bargeschäftsvoraussetzungen fehlt es in der Regel sowohl an einem Benachteiligungsvorsatz als auch an einer finanzierungsgleicher Leistung durch den Gesellschafter (Urteil des BGH vom 10.07.2014 - IX ZR 192/13).

Die Entscheidung des BGH - kein Vertrag mit dem Eigentümer

Der BGH stellte zunächst fest, dass Lohnzahlungen an Arbeitnehmer nur innerhalb eines Zeitfensters von 30 Tagen nach Fälligkeit noch „unmittelbar" im Sinne eines Bargeschäfts und damit der Insolvenzanfechtung entzogen sind. Der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 29.01.2014 - 6 AZR 345/12), das bei Lohnzahlungen bis zu einer Zeitspanne von drei Monaten ein Bargeschäft angenommen und zudem Zahlungen, die das Existenzminimum des Arbeitnehmers sicherten generell für anfechtungsfest gehalten hatte, wies der BGH scharf zurück. Das BAG habe mit dem langen Zeitraum den Wortlaut des Gesetzes „unmittelbar" überschritten und mit der Bevorzugung von Arbeitnehmern als Gläubigergruppe seine Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Nachdem 30 Tage aber nicht überschritten waren, verneinte der BGH im vorliegenden Fall die Möglichkeit des Insolvenzverwalters zur Anfechtung.

Insbesondere sah der BGH auch eine Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) als nicht gegeben an. Bei der Hingabe einer Leistung in einer bargeschäftsähnlichen Lage (gleichwertige Leistungen werden unmittelbar ausgetauscht) handele der Schuldner in der Regel nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn die Gegenleistung zur Fortsetzung des Unternehmens in der Krise unverzichtbar ist. Die Tätigkeit der Arbeitnehmer gehöre zu derartigen unverzichtbaren Gegenleistungen.

Zuletzt verneint der BGH auch eine Anfechtung gegen den Gesellschafter nach § 135 InsO. Zwar sei das Stehenlassen von Lohnansprüchen durch Gesellschafter anerkanntermaßen mit der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens vergleichbar, bei der Kurzfristigkeit des Bargeschäfts sei jedoch keine solche Finanzierungsfunktion gegeben und dieses daher auch von einer Anfechtung nach § 135 InsO nicht erfasst.

Einordnung der Entscheidung und Praxisfolgen

Bezüglich der zeitlichen Grenzen für den unmittelbaren Leistungsaustausch und zur Privilegierungen von Gläubigergruppen liegt der BGH richtig. Arbeitnehmer sind nicht von der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz ausgenommen.

Zu der im Insolvenzanfechtungsrecht weit dringlicheren Frage nach den Grenzen der Vorsatzanfechtung in bargeschäftsähnlichen Konstellationen, hat der BGH - in Übereinstimmung mit dem BAG und neben der Kritik an diesem fast am Rande - die Gläubigerbenachteiligungsabsicht verneint, wenn ein Schuldner eine Leistung unter den Voraussetzungen des Bargeschäfts erbringt und hierfür eine Gegenleistung erhält, die für die Fortführung des Unternehmens unentbehrlich ist. Insoweit bestätigt der BGH die Rechtsprechung des BAG - und zwar ohne dies auf Arbeitnehmer zu beschränken.

Das Anfechtungsrisiko für Vertragspartner, die ihre Kunden in Krisensituationen noch mit betrieblich unverzichtbaren Leistungen beliefern (z.B. Energie oder Rohstoffe), kann unter Beachtung dieser Rechtsprechung im Einzelfall durch entsprechende Gestaltungen bei der Vertragsdurchführung erheblich verringert werden.

Schließlich ist auch der Feststellung zuzustimmen, dass bei der bargeschäftlichen Erfüllung von Lohnforderungen eines Gesellschafters diese nicht als Zahlung auf eine einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Schuld nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar ist. Denn soweit der Gesellschafter gerade auf bargeschäftliche Erfüllung besteht und diese erhält, gewährt er keine Stundung, die ein dem Gesellschafterdarlehen ähnliches „Stehenlassen" einer Lohnzahlung erst begründen kann.

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