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Krim-Krise: Sanktionen gegen Russland und die Auswirkungen dieser Sanktionen auf deutsche Unternehmen

Hintergrund

Im Anschluss an die jüngst erfolgte Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine durch die Russische Föderation (kurz: die Annexion der Krim durch Russland) haben die Europäische Union und die USA am 17. März 2014 Sanktionen gegen bestimmte russische Personen beschlossen. Zusätzlich dazu haben die USA die Bank Rossija, eine russische Bank, mit Sanktionen belegt. Diese Sanktionen wurden am 28. April 2014 auf Grund der neuesten Ereignisse in der Ukraine ausgeweitet. Wir erläutern, welche Sanktionen derzeit in Kraft sind und welche Auswirkungen sie auf die deutsche Wirtschaft haben.

Die Sanktionen der EU  

Die EU-Sanktionen vom 17. März 2014 in Form von Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen richten sich gegen 33 Personen, von denen angenommen wird, dass sie für Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. Nach dem Wortlaut der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 bedeutet:

  • das Einfrieren von Geldern (d.h. finanzieller Vermögenswerte und Vorteile jeder Art) „die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen"; und
  • das Einfrieren wirtschaftlicher Ressourcen (d. h. Vermögenswerte jeder Art, ..., bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können) „die Verhinderung der Verwendung von wirtschaftlichen Ressourcen für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen...".

Im Ergebnis wird damit jedem EU-Unternehmen untersagt, mit den genannten Personen Geschäfte zu tätigen. Ferner gelten die Verbote der Verordnungen auch für Unternehmen außerhalb der EU und Personen außerhalb der EU in Bezug auf Geschäfte, die diese Unternehmen bzw. Personen innerhalb der EU tätigen.

In Ausnahmefällen können die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten jedoch die Freigabe oder Bereitstellung bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen  unter ihnen geeignet erscheinenden Bedingungen genehmigen (z. B. für den eingeschränkten Zweck, den mit Sanktionen belegten Personen und deren unterhaltsberechtigten Familienangehörigen den Erwerb bestimmter Grundbedürfnisse und Dienstleistungen zu ermöglichen).

Am 28. April 2014 belegte die EU auf Grund der neuesten Entwicklungen in der Ukraine (einschließlich der Geiselnahme von einer Gruppe von OSZE Vertretern) weitere 15 Russen mit Einreiseverboten und Kontosperren.

Die Sanktionen der USA  

Die USA haben am 17. März 2014 gegen 20 Personen sowie gegen die russische Bank Rossija Bank Sanktionen verhängt. Die Personen, die mit US-Sanktionen belegt wurden, sind nicht dieselben, gegen die EU-Sanktionen verhängt wurden.

Infolge der US-Sanktionen wurden jegliche Vermögenswerte der genannten Personen, die sich innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der USA befinden, eingefroren. Transaktionen mit den genannten Personen und der Bank durch US-Personen oder innerhalb der USA sind generell verboten. Ein bedeutender Punkt ist, dass selbst Vermögenswerte, die lediglich durch die USA geleitet werden, eingefroren werden können (d.h. jede Überweisung von Geldern, die über eine Bank in den USA, oder sogar eine Auslandsfiliale einer US-Bank geleitet wird, könnte von dieser Bank eingefroren werden). Die US-Sanktionen verbieten die Einreise der genannten Personen in die USA und verbieten Spenden an oder zum Vorteil der genannten Personen. Sie verbieten zudem jeden Versuch, die Befolgung der Sanktionen zu umgehen, und jede Verschwörung zur Vermeidung der Sanktionen.

Die US-Sanktionen gelten nur für US-Personen und Vermögen innerhalb der USA. Ein in Deutschland eingetragenes Unternehmen, dessen Anteile nicht von einer US-Person gehalten werden, oder das nicht von einer US-Person kontrolliert wird, und das keine US-Personen beschäftigt, hat bezüglich der US-Sanktionen keine Verpflichtungen. Werden die Anteile des Unternehmens jedoch von einer US-Person gehalten, bzw. wird das Unternehmen von einer US-Person kontrolliert oder beschäftigt es eine US-Person, sollte es Vorhaben, Geschäfte mit den Personen bzw. der Bank zu tätigen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, sorgfältig prüfen. Sollten US-Personen Geschäfte mit den sanktionierten Personen betreiben, ist dies u. A. mit Haft- und erheblichen Geldstrafen verbunden.

Nach den US-Sanktionen unterliegen US-Personen der verschuldensunabhängigen Haftung. Dies bedeutet, dass eine US-Person selbst dann für einen Verstoß gegen die US-Sanktionen bestraft werden kann, wenn ihr nicht bekannt ist, dass ein Geschäft, an dem sie beteiligt ist, (auch) eine der sanktionierten Personen (oder die Bank) einschließt. Dies unterscheidet sich von den EU-Sanktionen in der Hinsicht, dass gemäß den EU-Sanktionen Personen, die nicht wussten und keinen Grund zur Annahme hatten, dass sie verbotene Geschäfte mit sanktionierten Personen tätigten, nicht für ihr Handeln haftbar gemacht werden. Daher ist es unerlässlich, dass US-Personen und ihre Arbeitgeber Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass US-Personen nicht an Geschäften mit sanktionierten natürlichen oder juristischen Personen beteiligt sind.

Auf Grund der neuesten Entwicklungen in der Ukraine hat Washington am 28. April 2014 sieben weitere russische Regierungsmitglieder sowie 17 Unternehmen mit engen Verbindungen zum Machtzirkel von Präsident Putin mit Sanktionen belegt.

Sanktionen ohne Biss?  

Obwohl europäische und US-Vermögenswerte von Mitgliedern der politischen Elite Russlands eingefroren und Einreiseverbote gegen sie verhängt wurden, stellt sich die Frage, ob diese Sanktionen auch wirklich Biss haben oder eher symbolischer Art sind.

Hierzu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Während die Sanktionen von den jenen, die sie verhängt haben, als ernste Angelegenheit betrachtet werden, wurden die Maßnahmen von Russland als „realitätsfremd" bezeichnet. Fakt ist, dass Sanktionen gegen eine geringe Anzahl von Einzelpersonen wahrscheinlich keine großen wirtschaftlichen Folgen für ein ganzes Land haben werden; gleichzeitig ist auch nicht genau bekannt, in welchem Umfang die sanktionierten Personen Vermögen in der EU oder den USA besitzen. Es hat daher den Anschein, dass die Sanktionen tatsächlich überwiegend symbolischer Natur sind. Dies wird sich nicht ändern, solange die EU und die USA lediglich zielgerichtete Sanktionen verhängen; Sanktionen hätten nur dann eine tatsächliche Wirkung, wenn sie als allgemeine Maßnahmen gegen gesamte Sektoren der russischen Wirtschaft verhängt würden.

Obwohl der Westen es bisher vermieden hat, Russland mit Wirtschaftssanktionen zu belegen (und wir werden weiter unten betrachten, weshalb), kann dennoch davon ausgegangen werden, dass die derzeit verhängten Sanktionen (insbesondere nach ihrer Ausweitung) Russland signalisieren, dass die EU und die USA bereit sind, in Reaktion auf die Krise zunehmend schwerwiegendere Schritte zu ergreifen. Insbesondere aber ist dieses ein Signal, das möglicherweise bereits bei den Investoren angekommen ist. Der russische Vizewirtschaftsminister Andrei Klepach sagte, dass Investoren im ersten Quartal des Jahres voraussichtlich 65-70 Mrd. $ Kapital aus der Wirtschaft abziehen würden - im Vergleich zu 63 Mrd. $ im gesamten Vorjahr. Wenn man bedenkt, dass die russische Wirtschaft momentan bereits stark angeschlagen ist (im letzten Jahr wurde ein BIP-Wachstum von nur 1,3 % verzeichnet), sollte Russland jedenfalls das Warnsignal nicht ignorieren, das von den derzeitigen Sanktionen ausgeht.

Die Haltung Deutschlands

Obwohl sowohl die EU als auch die USA damit drohen, zusätzliche, weitreichende Wirtschaftssanktionen zu verhängen, falls sich die aktuellen Spannungen zwischen der Russischen Föderation und den westlichen Nationen fortsetzen sollten, sind bisher keine derartigen Sanktionen verhängt worden. Und dafür gibt es einen guten Grund. Wenn man zum Beispiel Deutschland betrachtet, wird deutlich, dass Berlin mit einem bilateralen Handelsvolumen von 76 Milliarden EUR im Jahr 2013 auf wirtschaftliche Beziehungen zu Russland angewiesen ist. Schätzungsweise 6000 deutsche Firmen und mehr als 300.000 Arbeitsplätze hängen von russischen Partnern ab, wobei das Investitionsvolumen bei insgesamt 20 Milliarden EUR liegt.

Unter allen Ländern in der EU tätigt Deutschland derzeit die meisten Exporte nach Russland. Deutsche Autohersteller würden als erste darunter leiden, sollten umfangreichere Sanktionen gegen Russland verhängt werden. Der deutsche Einzelhändler Metro wollte dieses Jahr mit seiner russischen Tochtergesellschaft an die Börse gehen - ein Plan, der nun gefährdet ist. Anfang des Jahres stornierte die deutsche Entwicklungsbank KfW einen Vertrag mit der russischen Bank VEB im Wert von 900 Millionen EUR an Investitionsinitiativen für mittelständische Unternehmen. Im Rahmen des Vertrags sollten deutsche Unternehmen 200 Millionen EUR in Russland investieren. Darüber hinaus ist Deutschland stark auf russische Energielieferungen angewiesen: Etwa 35 % seiner Erdgasimporte kommen aus Russland.

Es liegt deshalb auf der Hand, weshalb die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland bisher vermieden wurde und weshalb Länder wie Deutschland kein wirkliches Interesse an solchen Sanktionen haben. Aus diesem Grund betont Bundeskanzlerin Angela Merkel nach wie vor, dass sie auf eine politische Lösung für den Stillstand in der aktuellen Krise hofft.

Fazit

Die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Sanktionen werden sich voraussichtlich in relativ engen Grenzen halten. Deutsche Unternehmen könnten wirtschaftliche Folgen der derzeitigen Sanktionen verspüren, wenn sie mit den sanktionierten Personen bzw. der Bank Geschäfte tätigen.

Sollten die EU oder die USA zusätzliche Sanktionen verhängen, die sich gegen größere Sektoren der russischen Wirtschaft richten, hätte dies signifikantere Folgen für deutsche Unternehmen, sowohl hinsichtlich der Schädigung ihrer Handelsinteressen, als auch hinsichtlich des Haftungsrisikos bei Geschäften mit sanktionierten Personen oder Unternehmen. Es ist daher zu erwarten, dass die Verhängung solcher Sanktionen weiterhin sehr vorsichtig abgewogen wird.

Bei Fragen dazu, wie sich die Sanktionen heute oder in Zukunft auf Ihr Unternehmen auswirken könnten, können Sie sich jederzeit gerne an uns wenden.

Gundo Haacke

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