BGH bestraft unseriöse Inkassoanwälte

„Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege." So steht es in § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung. Dieser Leitsatz des anwaltlichen Standesrechts begründet nicht nur eine herausgehobene Stellung des Anwalts im Rechtswesen. Er bringt auch eine besondere Verantwortung für den einzelnen Berufsträger mit sich. Ein Anwalt, der diese Verantwortung missbraucht und juristische Laien durch die Drohung mit Strafanzeige einzuschüchtern versucht, überschreitet die Grenze zur strafbaren Nötigung.


Wie zuletzt die Diskussion um unseriöse Abmahnungen gezeigt hat, nehmen leider nicht alle Rechtsanwälte diese Verantwortung ernst. Einige wenige "schwarze Schafe" beschädigen so den Ruf ihres gesamten Berufstandes.

Dagegen gehen Gesetzgebung und Rechtsprechung jetzt vor. Der Gesetzgeber hat bereits mit dem am 27.06.2013 verabschiedeten „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" (GguG) überzogenen Gebühren bei Abmahnungen einen Riegel vorgeschoben. Jetzt hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich Anwälte strafbar machen können, wenn sie ungeprüft massenhaft Inkassoschreiben versenden (BGH, Beschluss vom 05.09.2013, Az. 1 StR 162/13).

In dem Fall hatte ein als „Inkassoanwalt" agierender Rechtsanwalt im Auftrag des Betreibers eines Gewinnspieldienstes Musterschreiben für Zahlungsaufforderungen gegenüber Kunden auf seinem Anwaltsbriefkopf aufgesetzt. Die Schreiben erweckten den Eindruck, der Anwalt habe das Bestehen der Forderung jeweils geprüft. Der Anwalt drohte darin u.a. mit einer Strafanzeige, falls die Forderung nicht beglichen werde. Der Mandant füllte dieses Musterschreiben mit den Namen und Adressen von angeblich säumigen Zahlern aus und und versandte es massenhaft, ohne dass der Anwalt eine Prüfung vornahm. Tatsächlich befanden sich unter den solcherart gemahnten zahlreiche Personen, die überhaupt keinen Gewinnspielvertrag abgeschlossen hatten.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Verurteilung des Anwalts wegen versuchter Nötigung (§ 240 StGB). Es sei „mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich ..., dass juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die ... mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen [werden], zur Erfüllung der behaupteten, nur scheinbar von diesem geprüften rechtlichen Ansprüche veranlasst werden".

Das Urteil ist uneingeschränkt zu begrüßen. Ein Rechtsanwalt, der massenhaft und ungeprüft anwaltliche Mahnschreiben unter seinem Namen versenden lässt, missbraucht seine ihm verliehene Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege. Wenn er den Empfänger dabei zusätzlich durch die Drohung mit Strafanzeige einzuschüchtern versucht, ist die Grenze zur strafbaren Nötigung überschritten.

Dr. Barbara Mayer, Dr. Sven Ufe Tjarks

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