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Seit dem Jahr 1958 gab es - in den alten Bundesländern - drei Güterstände: Die Zugewinngemeinschaft, die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung. Seit dem 01.05.2013 ist ein vierter Güterstand dazu getreten: Die deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft. Zugrunde liegt ein binationales Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich. Die primären Wirkungen liegen im Familiengüterrecht. Es ergeben sich aber auch erbrechtliche Auswirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten.

Der Anwendungsbereich des binationalen Abkommens ist sehr weit gezogen. Das Abkommen soll helfen, die güterrechtlichen Verwerfungen bei deutsch-französischen Ehen zu überwinden. In erster Linie ist er deshalb für deutsch-französische Ehepaare interessant. Bislang hängt es oft von Zufälligkeiten ab, welches Recht für eine deutsch-französische Ehe anwendbar ist. In aller Regel wissen die Ehepartner nicht einmal, welches Recht für sie gilt. Mit dem neuen Güterstand kann verbindlich ein Regelwerk gewählt werden, dessen Inhalt in beiden Ländern gleich ist. Die Regelungen des Wahlgüterstandes entsprechen weitgehend - mit diversen Ausnahmen im Detail - den deutschen Regelungen zum Zugewinnausgleich und weniger der französischen Errungenschaftsgemeinschaft. Sie führen zur Vermögenstrennung mit einem Ausgleichsmechanismus.

Vorteilhaft kann der neue Güterstand sein, wenn gemeinsamer Grundbesitz zum Vermögen der Eheleute gehört. Bei gemischt-nationalen Ehen ist es nämlich häufig gar nicht auf den ersten Blick erkennbar, welches Güterrecht gilt. Allein aus dem aktuellen Aufenthalt lässt sich das nicht ohne weiteres ableiten. So kann es beim Erwerb von Grundbesitz in Deutschland zu Schwierigkeiten kommen, wenn in Abteilung I des Grundbuchs der Zusatz „in Errungenschaftsgemeinschaft nach französischem Recht" einzutragen ist. Bei der Finanzierung des Kaufpreises tun sich die beteiligten Banken oft schwer damit, die Bedeutung der französischen Errungenschaftsgemeinschaft und ihre Auswirkungen auf die Verbindlichkeiten einzuschätzen. Das kann zu ungünstigeren Konditionen bei der Kreditvergabe führen. Dieses Problem lässt sich mit der Wahl des neuen Güterstandes lösen.

Der Wahlgüterstand kann durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag gewählt werden. Dies ist sowohl vor als auch nach der Eheschließung möglich. Für den deutschen Zugewinnausgleich haben sich in der Gestaltungspraxis zahlreiche - vor allem für Unternehmerehen wichtige - Modifikationen entwickelt, die je nach Bedarf und Zuschnitt der Ehe ergänzend vereinbart werden können. Zu nennen sind hier die Herausnahme einzelner Gegenstände (oder ganzer Vermögensgruppen wie insbesondere des betrieblichen Vermögens) aus der Berechnung des Zugewinns, die Festlegung eines Ausgleichshöchstbetrages, die Veränderung der Ausgleichsquote und die Entziehung einzelner Vermögensgegenstände als Vollstreckungsobjekt sowie die eingeschränkte Geltung der Modifikationen nur für den Scheidungsfall. All diese Modifikationen können auch für die deutsch-französische Wahlzugewinngemeinschaft vereinbart werden.

Der Güterstand kann sogar dann von einem deutschen Ehepaar in Deutschland oder einem französischen Ehepaar in Frankreich gewählt werden, wenn keinerlei Bezug zum jeweils anderen Staat besteht. Über die Harmonisierung der Regelungen in gemischt-nationalen Ehen kann er deshalb in rein deutschen Ehen als Gestaltungsinstrument eingesetzt werden. So kann er in bestimmten Fallkonstellationen zum Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehepartners dazu dienen, Pflichtteilsansprüche von Kindern zu reduzieren, weil die Zugewinnausgleichsforderung stets als echte Nachlassverbindlichkeit gilt.

Möglicherweise offenbart der neue Güterstand sogar steuerliches Gestaltungspotential: Seit einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.07.2005 kann durch eine sog. Güterstandsschaukel Vermögen auch größeren Umfangs zwischen Ehepartnern steuerfrei übertragen werden. Dennoch wird in der Gestaltungsberatung meist defensiv agiert und empfohlen, nach dem erstmaligen Güterstandswechsel für eine gewisse Schamfrist tatsächlich in der Gütertrennung zu verweilen, um dem Vorwurf des steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs vorzubeugen. Dies ist stets mit dem Risiko verbunden, dass die Ehe während der Gütertrennungsphase in die Krise gerät oder dass der potentiell Ausgleichsberechtigte verstirbt. Im Scheidungsfall geht der eigentlich gewollte Ausgleichsanspruch verloren, im Erbfall die sachliche Steuerbefreiung aus § 5 ErbStG. Beides lässt sich womöglich vermeiden, wenn bei der Güterstandsschaukel die Phase der Gütertrennung nunmehr durch eine Phase der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft ersetzt wird.

Dr. Matthias Jünemann

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